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Verteidigte seine Politik. Donald Trump am Mittwoch im Capitol.

© A. Brandow/dpa

USA verlassen UN-Menschenrechtsrat: Mit anderen Mitteln

Die USA begründen den Rückzug mit der Israelfeindlichkeit des Gremiums. Die Bundesregierung teilt die Kritik an den Beratungen– bleibt aber.

US-Präsident Donald Trump hat angeordnet, dass die USA sich nicht mehr an den Beratungen des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen beteiligen. Seine UN-Botschafterin Nikki Haley begründete den Schritt mit dem Vorwurf, dass der Rat eine israelfeindliche Grundhaltung habe. Die Organisation sei „ihres Namens nicht würdig“, erklärte sie im State Department in Washington an der Seite von US-Außenminister Mike Pompeo. Pompeo sagte, der Rat habe einst eine „noble Vision“ gehabt. Heute sei er aber ein schwacher Verteidiger von Menschenrechten.

Deutschland hat ähnliche Ziele wie die USA, geht aber andere Wege

Der amerikanische Rückzug ist ein weiteres Beispiel für Streitfragen, in denen Deutschland die Kritik der USA an einem internationalen Gremium oder einem internationalen Vertrag im Kern teilt, die Entscheidung zum Boykott oder zur Kündigung jedoch für falsch hält. Auch die Bundesregierung wirft dem Menschenrechtsrat der UN vor, er sei gegen Israel voreingenommen. Den Rückzug aus dem Gremium hält sie aber für einen Fehler, erklärte das Auswärtige Amt. Die EU bedauerte den Schritt ebenfalls. Lob bekamen die USA aus Israel.

Weitere Beispiele für diese Konstellation – die Bundesregierung hat inhaltlich ähnliche Ziele wie die USA, zieht aber andere praktische Konsequenzen für ihre Politik daraus – sind das Atomabkommen mit dem Iran und der Rückzug der USA aus der UN-Kulturorganisation Unesco. Auch Deutschland hat das Ziel, den Iran-Vertrag nachzubessern, hält die Kündigung aber für den falschen Weg.

Demokratien sind in der Uno in der Minderheit

Ein Grundproblem besteht darin, dass die demokratischen Rechtsstaaten in den Vereinten Nationen und vielen ihrer Gremien in der Minderheit sind. Autoritäre Regime haben die Mehrheit. Das gilt auch für den Menschenrechtsrat. Regelmäßig versuchen Diktaturen, die Menschenrechtslage in den von Israel kontrollierten palästinensischen Gebieten auf die Tagesordnung zu setzen, lehnen die Befassung mit den Vorwürfen gegen eigene Menschenrechtsverletzung aber ab. Mit dem Problem sah sich Deutschland konfrontiert, als es 2015/16 den Vorsitz im Rat hatte. Die Bundesregierung folgt jedoch der Linie, es sei besser, im Gremium auf eine sachliche Auseinandersetzung zu drängen, als die Beratungen wegen ihrer Einseitigkeit zu boykottieren.

Den Zwiespalt erkennen auch viele internationale Menschenrechtsorganisationen. In einer gemeinsamen Erklärung von zwölf Organisationen, darunter Save The Children und Freedom House, heißt es, es gebe „legitime Bedenken“ wegen der Versäumnisse des Menschenrechtsrats. Der Rückzug sei aber die falsche Schlussfolgerung. „Die Entscheidung ist kontraproduktiv für die nationale Sicherheit und die außenpolitischen Interessen Amerikas. Sie wird es schwieriger machen, die Prioritäten der Menschenrechte voranzutreiben und Missbrauchsopfern auf der ganzen Welt zu helfen.“

Haley hatte bereits 2017 mit dem US-Rückzug gedroht und dem Gremium vorgeworfen, gegenüber Israel eine parteiische Haltung einzunehmen. Am Montag hatte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al Hussein, die US-Regierung zudem wegen der Trennung von illegal Eingewanderten und ihren Kindern an der Grenze zu Mexiko scharf kritisiert.

Die USA fordern eine Reform des Menschenrechtsrats

Nikki Haley hatte vor einem Jahr angekündigt, dass die USA im Menschenrechtsrat nur dann weiter mitarbeiten wollen, wenn er „wichtige Reformen erzielt“. Die USA hätten dem UN-Gremium „eine Chance nach der anderen“ gegeben. Doch es habe die Vorschläge nicht angenommen. Viele Mitglieder des Rats begingen selbst schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte, darunter China, Kuba und Venezuela.

Der Menschenrechtsrat zeige zudem eine „chronische Voreingenommenheit gegenüber Israel“, sagte die amerikanische UN-Botschafterin. Die USA könnten nicht „Teil einer heuchlerischen und eigennützigen Organisation sein, die die Menschenrechte verhöhnt“. Die USA würden „gerne wieder eintreten“, wenn der Rat sich den geforderten Reformen unterziehe, sagte Haley weiter.

US-Präsident Trump setzt damit seine Politik fort, mit internationalen Gremien zu brechen. Die USA haben den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt, sich aus dem Atomvertrag mit dem Iran und aus der UN-Kultur- und Bildungsorganisation Unesco zurückgezogen. Trump verlegt zudem die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem, was die meisten westlichen Staaten ablehnen, weil sie einer Friedenslösung für den Palästinakonflikt nicht vorgreifen wollen.

Die UN-Menschenrechtskommission ist auch gescheitert

Der Menschenrechtsrat ist seit 2006 Nachfolger der UN-Menschenrechtskommission, die an ähnlichen Streitigkeiten gescheitert war. Libyen hatte sogar zeitweilig den Vorsitz in der Kommission; die USA sahen darin einen Beleg für die Fehlkonstruktion. Der nachfolgende Menschenrechtsrat schloss Libyen während des Arabischen Frühlings aus dem Gremium aus – mit Zustimmung der UN-Vollversammlung, bei der die letzte Entscheidung über Mitgliedschaften liegt.

Die Europäische Union warnte, die Trump-Regierung laufe Gefahr, die Rolle der USA als Vorkämpfer und Unterstützer der Demokratie auf der Weltbühne zu untergraben. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begrüßte den US-Rückzug aus dem Menschenrechtsrat als „mutige“ Entscheidung. Das UN-Gremium habe sich als „eine voreingenommene, feindselige, antiisraelische Organisation erwiesen, die ihre Mission des Schutzes von Menschenrechten verraten“ habe, hieß es in einer Erklärung aus seinem Büro. (mit dpa)

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen. Am 20. August erscheint sein Buch „Wir verstehen die Welt nicht mehr. Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden“, Herder Verlag 2018.

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