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USA: Rechte im Aufwind

Obamas rechtskonservative Gegner versammeln sich zu einem viertägigen Treffen, der „Tea Party Convention“. Hauptrednerin ist Sarah Palin.

Es ist die überraschendste politische Bewegung der Obama-Präsidentschaft. Überraschend radikal. Überraschend erfolgreich. Bei Obamas Amtsantritt im Januar 2009 hatten Amerikas Rechtskonservative allen Grund, kleinlaut zu sein. Die Bilanz der acht Jahre unter George W. Bush war keine Empfehlung. Doch bald waren sie erneut im Aufwind. In aggressiven Straßenkampagnen stellten sie den neuen Präsidenten mal als Hitler, mal als Stalin dar und brachten seine Gesundheitsreform aus der Bahn. Ihre Grassroot-Arbeit trug entscheidend zum Sieg der Republikaner bei der Senatsnachwahl in Massachusetts bei.

Von heute an versammelt sich die „Tea Party Nation“ in Nashville, Tennessee, zu einer viertägigen „Convention“: Das Treffen gleicht weniger einem Parteitag als einem kulturellen Happening wie Woodstock, nur hier eben von rechts. Hauptrednerin ist am Samstag Sarah Palin, die konservative Vizepräsidentschaftskandidatin 2008 und Ex-Gouverneurin von Alaska. Doch die Teilnahmegebühr von über 500 Dollar pro Person und Redehonorare für Prominente provozieren wütende Proteste und stellen den Zusammenhalt des Bündnisses infrage. Das Bemühen, den Großteil der Medien fernzuhalten, weil die Organisatoren sie als „links“ und „Tea Party“-feindlich betrachten, schadet der Glaubwürdigkeit.

Der Name der Protestbewegung ist Programm: Wenn der Staat zu sehr in Alltag und Wirtschaft eingreift, wird Widerstand zur Pflicht. Die Bürger müssen nur so lange Loyalität üben, wie die Obrigkeit ihren Willen erfüllt und ihren Interessen dient. Die „Boston Tea Party“ am 16. Dezember 1773 war der entscheidende Schritt zur amerikanischen Unabhängigkeit. Die britische Krone diktierte über ihre monopolistischen Handelsorganisationen die Preise, zu denen sie die Erzeugnisse ihrer damaligen Kolonie abnahm und zwang die Siedler, im Gegenzug hoch besteuerten Tee aus Indien zu kaufen. Schließlich enterten erboste Siedler britische Schiffe im Hafen von Boston und warfen den Tee über Bord.

In diesem Geist hatte der Protest rechter Basisgruppen gegen Obama im Frühjahr 2009 begonnen. Der Präsident verordnete ein 800 Milliarden Dollar teures Konjunkturpaket; er ließ den Staat Banken und Autokonzerne übernehmen, um sie zu retten; und er wollte den Bürgern vorschreiben, dass sie eine Krankenversicherung haben müssen, ob sie wollen oder nicht. Für rechte Amerikaner ist das ein Bruch des Gesellschaftsvertrags. Nach ihrem Verständnis ist der Staat etwas Schlechtes; er soll sich auf das Unvermeidliche beschränken. Für ganz wenige Aufgaben wie die Verteidigung nach außen und den Schutz der inneren Ordnung braucht man ihn leider. Ansonsten ist ihre Idealvorstellung: so wenig Staat und so wenig Steuern wie möglich.

Die Republikanische Partei hat ein zwiespältiges Verhältnis zu den „Tea Party“- Aktivisten. Sie sind hilfreich in der Auseinandersetzung mit Obama und den Demokraten. Aber sie lassen sich kaum beeinflussen. Viele von ihnen misstrauen Abgeordneten und Senatoren; auch die seien verdorben und Teil des verhassten Systems in Washington. Zornige Basisgruppen drohen, Kriterien für die Kongresswahl im Herbst aufzustellen und sich gegen jene Republikaner zu wenden, die sie nicht erfüllen. George W. Bush betrachten sie mit Empörung, weil er die staatlichen Aufgaben nach dem 11. September 2001 ausdehnte und zu viele Steuergelder ausgab. Wie einen Straftäter „auf Bewährung“ beurteile man die Republikanische Partei, sagt Richard Armey, Vorsitzender der Gruppe FreedomWorks.

Sarah Palin ist für diese Amerikaner eine Heldin. Doch es löst Verunsicherung aus, dass sie angeblich 100 000 Dollar für ihren Auftritt kassiert. Es müsste doch „Ehrensache“ und „patriotische Pflicht“ sein, die USA vom Irrweg zu immer mehr Staat und immer höheren Steuern abzubringen, sagen sie. 549 Dollar Eintritt plus eine Verwaltungsgebühr von 9,99 Dollar plus Anreise und Übernachtung überfordert den typischen „Tea Party“-Anhänger. Der lebt fern der großen Zentren und hat keinen hoch bezahlten Job.

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