zum Hauptinhalt
In einem Jahr endet die US-Präsidentschaft von Barack Obama.

© dpa

US-Präsident: Was bleibt von Barack Obama?

In einem Jahr wählen die Amerikaner einen neuen US-Präsidenten. Der Amtsinhaber ist als große Hoffnung für die ganze Welt gestartet. Jetzt regiert er seit sieben Jahren. Eine Bilanz.

Ein blaues Schild hängt an einer Tür im Eisenhower-Gebäude auf dem Gelände des Weißen Hauses. Um einen Kreis sind darauf drei Symbole angeordnet: das Plus für weiblich, der Pfeil für männlich und ein Plus und ein Pfeil für neutral. Es weist auf einen speziellen Waschraum hin.

US-Präsident Barack Obama hat dort, wo die meisten Mitarbeiter seines Apparates ihre Büros haben, eine „gender-neutrale“ Toilette einrichten lassen. Im Weißen Haus darf seit dem 8. April diesen Jahres auch jeder „die Toilette nutzen, die seiner (oder ihrer) Gender-Identität entspricht“. Ist das schon ein Vermächtnis?

Das Programm der Obama-Regierung dagegen, in Syrien eine Kampftruppe im Zwei-Fronten-Krieg gegen den „Islamischen Staat“ (IS) und gegen die syrische Armee von Baschar al Assad auszubilden, ist kläglich gescheitert. Ganze vier Kämpfer können die USA nach einem Jahr Training vorweisen. Ausbildungskosten somit: rund zwei Millionen Dollar pro Mann. Der IS schlachtet weitgehend ungebremst, und dem Diktator Assad wurde durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin gerade ein Aufschub vom Ende seiner Macht gewährt. Obama hat an Amerika manches verändert, das vor ihm undenkbar gewesen wäre. In der Welt indes hat er nicht viel ausgerichtet.

Ein Jahr vor den Wahlen zum nächsten US-Präsidenten ist es Zeit, eine Bilanz zu ziehen. Was bleibt, wenn Barack Obama das Weiße Haus verlässt? Hat er seine Versprechen eingelöst? Und in welcher Lage befinden sich jetzt die Vereinigten Staaten, wenn sie entscheiden müssen, was nach Obama kommen soll?

Gebrochene Versprechen

Am Tag seines Amtsantritts gab Obama ein allzu leichtfertiges Versprechen ab. Das umstrittene Gefangenenlager für mutmaßliche Terroristen, Guantanamo, wollte er schließen. Dass er auf erbitterten Widerstand der Republikaner wie einiger Demokraten treffen würde, kann den Präsidenten nicht überrascht haben. Ob er seine Macht überschätzt hat? Hillary Clinton, würde sie Nachfolgerin, ist Realistin genug, sich nicht an einem solchen Projekt zu verkämpfen.

Gescheitert ist Obama auch mit seinem Projekt eines schärferen Waffengesetzes. Vizepräsident Joe Biden hat aus den bestehenden Gesetzen rausgeholt, was rauszuholen war. Mehr könnte auch kein künftiger Demokrat im Weißen Haus erreichen. Ein Republikaner dagegen würde das Thema ohnehin fallen lassen. Da sind sich die konservativen Kandidaten einig.

Das US-Gefangenenlager Guantanamo ist entgegen den Ankündigungen Barack Obamas immer noch nicht geschlossen.
Das US-Gefangenenlager Guantanamo ist entgegen den Ankündigungen Barack Obamas immer noch nicht geschlossen.

© dpa

Ähnlich erfolglos ist Obama beim Thema Einwanderung. Mit Exekutivanordnungen hat er Einwanderer ohne Papiere vor unmittelbarer Abschiebung geschützt. Ohne den Kongress wird es aber eine Lösung nicht geben. Eine Einwanderungsreform indes wird es in der Zeit nach Obama geben. Unter welchen Vorzeichen, hängt von den künftigen Mehrheitsverhältnissen im Kongress ab.

Obamas großes Versagen aber ist seine Krisen- und Kriegspolitik. Diplomatische Verhandlungen sind seine Art und Weise, internationale Probleme zu lösen. Das kann man auch aus seiner Grundsatzrede vor den Vereinten Nationen im September 2013 herauslesen. Die „Obama-Doktrin“ legt die Vereinigten Staaten auf eine Rolle als ein Staat unter vielen fest – eine Abkehr vom Weltpolizisten Amerika. In geheimen Verhandlungen hat der US-Präsident so die Beziehungen zu Kuba wiederhergestellt. Auch die Übereinkunft mit dem Regime in Teheran ist Ergebnis eines langen, geduldigen Prozesses.

Sobald aber der Krieg den Alltag bestimmt, versagt der US-Präsident.

Im kommenden Jahr schon, noch vor dem Amtsantritt eines neuen Präsidenten, sollte der Abzug der US-Soldaten auch aus Afghanistan perfekt sein. Aber selbst dieser schon fast vollzogene Abzug ist jetzt ins Stocken geraten. In Syrien hat Obama lange gezögert. Noch als Außenministerin hatte Hillary Clinton den Präsidenten gedrängt, die syrische Opposition nicht nur mit Worten, sondern auch mit Waffen zu unterstützen. Viel zu spät hat er sich dazu durchgerungen, erst, als es mit dem IS längst eine zweite Front gab. Legendär ist die rote Linie, die Obama Assad zog. Und die der Diktator ohne Zögern überschritt. Obama hinterlässt eine Welt, die sich seiner außenpolitischen Vision nicht fügen wollte.

Eingelöste Versprechen

Das zentrale Projekt von Obama war die Gesundheitsreform. Woran andere demokratische Präsidenten vor ihm gescheitert sind, hat er gegen die geballte Wut der Republikaner durchgesetzt. Die Vereinigten Staaten haben damit zum Rest der entwickelten Welt aufgeschlossen. Zehn Millionen Menschen mehr in den USA kommen seit Einführung von „Obamacare“ in den Genuss einer gewissen medizinischen Grundversorgung. An deutschen Kriterien gemessen, mag der Fortschritt nicht groß sein. Für die Vereinigten Staaten ist er bedeutsam genug, sodass auch ein republikanischer Präsident die Reform nur schwer wieder rückgängig machen könnte. Wenn etwas als Obamas Vermächtnis in die Bücher eingehen wird, dann gehört dazu die Gesundheitsreform.

Als Obama sein Amt antrat, sah er sich mit einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch konfrontiert. Millionen Amerikaner hatten ihr Erspartes verloren, standen ohne Rücklagen in ihren Pensionsfonds da oder mussten ihre auf Pump gekauften Häuser zu Niedrigstpreisen verkaufen. Für die strauchelnden Banken galt: „too big to fail“, zu groß, um sie stürzen zu lassen. Obama versprach dem Land einen wirtschaftlichen Aufschwung. Heute stehen die USA mit fünf Millionen Arbeitslosen an der Schwelle dessen, was man faktische Vollbeschäftigung nennt. Die Chefin der amerikanischen Notenbank Fed, Janet Yellen, hat in dieser Woche erstmals wieder eine Leitzinserhöhung in Aussicht gestellt. Im Vergleich mit Europas angeschlagener Wirtschaftskraft scheinen die USA relativ stabil.

Mit einer Grundsatzrede hat Obama nach seiner Wiederwahl den USA eine Wende in der Klima-Politik verordnet. Hier fällt die Bilanz gemischt aus. Ein großes Klimagesetz blockiert der Kongress. Der Präsident nutzt deshalb Exekutivanordnungen. Und die von ihm eingesetzte Chefin der Umweltbehörde, Gina McCarthy, hat nicht nur gerade den deutschen VW-Konzern als millionenfachen Umweltbetrüger entlarvt. Mit Abgasgrenzen bremst sie auch die Karbonisierung durch amerikanische Firmen. Und Obama hat mit beharrlichen Verhandlungen China auf striktere Klimaziele verpflichtet.

Die außenpolitische Bilanz von Barack Obama ist in großen Teilen zwar schlecht. Aber weder den Iran-Deal noch die Öffnung zu Kuba würde ein republikanischer Kandidat ungeschehen machen können. Und auch der Terror-Anführer Osama bin Laden liegt irgendwo auf dem Grund des Meeres.

Allein der Umstand, dass Obama als erster Afroamerikaner Präsident der Vereinigten Staaten wurde, sichert ihm einen besonderen Platz in den Geschichtsbüchern. Und obwohl er kein schwarzer Präsident sein wollte, hat Obama Amerika doch an der Frage der Gleichberechtigung am nachhaltigsten verändert. Er hat dazu beigetragen, dass die Homo-Ehe eingeführt wurde. Obama hat im Rahmen seiner exekutiven Befugnisse die gleiche Bezahlung von Frauen vorangebracht. Unter ihm ist die militärische Doktrin „Don’t ask, don’t tell“ gefallen, nach der sich Schwule im Militär nicht outen durften. Seine Initiative „My brother’s keeper“, die junge schwarze Männer vor einem Abgleiten in Armut und Kriminalität schützen soll, ist auf Dauer angelegt.

Und angesichts der toten Schwarzen von Ferguson bis Charleston hat er sich auch in der Rassismus-Debatte nicht mehr zurückgehalten. „Ich bin sehr stolz“, sagte Obama kürzlich in einem Interview, „dass meine Präsidentschaft helfen kann, Amerika gegen rassistische Ungerechtigkeit zu mobilisieren.“ Obama hat mit allen diesen Initiativen die Gesellschaft verändert. Die Unterstützung für radikale Kandidaten wie Donald Trump und Ben Carson bei den Republikanern zeigt nicht nur, wie viele Menschen in den USA so denken. Sie legt auch offen, wie sehr sich diese weiße Minderheit durch den gesellschaftlichen Wandel unter Obama bedroht sieht.

Mit großen Worten war Barack Obama 2008 angetreten. Er versprach Amerika Aufbruch und Wandel. Sieben Jahre später schätzen nur noch 46 Prozent der Amerikaner ihren Präsidenten. Er hat sie enttäuscht. „Eines der am wenigsten kontroversen Dinge, die man über Barack Obama sagen kann, ist, dass er besser Wahlkampf geführt als regiert hat“, sagt der Yale-Professor und Obama-Kritiker David Bromwich.

Doch es gibt auch andere Meinungen. Der Historiker Robert Dallek stellt Obama in die progressive Tradition von Theodore Roosevelt und Lyndon B. Johnson. „Das“, so Dallek, „ist eine Bilanz, auf die jeder Präsident stolz sein könnte.“

Zur Startseite