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Wer schadet schon gern der Wirtschaft? Da kommen auch Republikaner ins Grübeln.

© Aaron P. Bernstein/Reuters

US-Präsident und die Migrantenkinder: Amerikas Kapitalisten sind die neue Antifa

Wer vom Rassismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen, sagen Linke oft. Doch nicht nur in Amerika stehen Konzernbosse fest auf Seiten von Multikulti. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

In der traditionellen linken Lehre gibt es die Theorie vom Haupt- und Nebenwiderspruch. Sie geht auf Marx und Mao zurück. Demnach ist der Hauptwiderspruch die kapitalistische Produktionsweise, die Nebenwidersprüche sind Sexismus, Antisemitismus und Rassismus. Zwar kann es Rassismus ohne Kapitalismus geben, aber keinen Kapitalismus ohne Rassismus. Denn die Nebenwidersprüche lassen sich nur durch die Aufhebung des Hauptwiderspruches beseitigen.

Wer vom Rassismus redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen, heißt es. „Kapitalismus ohne Rassismus ist nicht möglich“, dekretierte einst der radikale schwarze Bürgerrechtler Malcolm X.

Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump wurde diese These von der Wirklichkeit widerlegt. Kaum eine Gruppe erhebt lauter ihre Stimme gegen dessen rassistische Politik als die der Manager und Firmenbosse. Die Vertreter des Kapitals stehen fest auf der Seite von Antifa und Multikulti. So wandten sich im April mehr als 160 Firmen-Chefs, die meisten davon aus der Technologiebranche, gegen Trumps Einreiseverbot für Bürger aus überwiegend muslimisch geprägten Ländern.

Ob Facebook, Google oder Microsoft, Amazon, Ebay oder Hewlett Packard, Intel, Tesla oder Airbnb: Unisono warnten sie vor einem „substanziellen Schaden“ für die amerikanische Wirtschaft und verteidigten den „American Dream“. Amerika sei eine Einwanderernation, schreiben sie in ihrem 66-seitigen Brief, „fast die Hälfte von uns hat Wurzeln in einem anderen Land.“

Nun hat Trump erneut zugeschlagen. Das von seinem Vorgänger Barack Obama angeordnete Schutzprogramm für Kinder illegaler Einwanderer, die sogenannten „Dreamer“, will er beenden. Er stößt rund 800.000 junge Menschen, die in Amerika aufwuchsen, zur Schule gegangen sind, dort studieren oder arbeiten, in eine ungewisse Zukunft. Sie mögen schon mal ihre Ausreisepapiere zusammensuchen, rät er ihnen.

Internationale Konzerne fürchten Abschottung

Amerikas Wirtschaft profitiert von den Dreamern. „Sie hinauszuwerfen, senkt weder unsere Arbeitslosenquote noch die Steuerlast“, kritisiert Obama. Noch vehementer aber klingt wieder einmal der Protest aus dem Silicon Valley. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg spricht von einer „grausamen Entscheidung“. Apple-Chef Tim Cook zeigt sich „tief bestürzt“.

Kein Wunder: Internationale Konzerne, zumal aus dem Digitalbereich, fürchten Abschottung und Engstirnigkeit. Sie wollen im globalen Kampf um Marktanteile und Fachkräfte mithalten. Ihnen müssen Hautfarbe und Religion ihrer Mitarbeiter ebenso egal sein wie etwa den großen Profi-Fußball-Vereinen. Würde Bayern München nur mit Bayern oder Münchnern antreten, könnte der Club froh sein über einen Mittelfeldplatz in der vierten Liga.

Edle Motive der Tech-Multis spielen in ihrem Engagement gegen Abschottung und Diskriminierung eine untergeordnete Rolle. Einige paktieren mit dem Regime in China, das Informationsflüsse per Internet reguliert, andere nutzen europäische Steuerschlupflöcher. Außerdem hält sich die eigene Diversität in Grenzen: Im Jahr 2016 arbeiteten im Silicon Valley 60 Prozent Weiße, 23 Prozent Asiaten, 8 Prozent Latinos, 7 Prozent Schwarze. Dabei sind Weiße in Kalifornien längst nicht mehr in der Mehrheit.

Der Wirtschaft zu schaden: Das ist ein Vorwurf, der auch bei Republikanern verfängt. Die Eltern der „Dreamer“ machen vielerorts die Drecksarbeit. Ruhig, hart, ausdauernd. Sie haben sich eine Existenz aufgebaut, sind sehr familienorientiert. Diese Familien jetzt auseinanderzureißen und Kinder in ein Land abzuschieben, das sie oft gar nicht kennen, ist inhuman und gefährdet den gesellschaftlichen Frieden.

Was Einwanderer anbelangt, können Konservative durchaus kaltherzig sein. Aber sich aus Rassismus mutwillig mit den Unternehmen des eigenen Landes zu überwerfen, wäre unpatriotisch. Vielleicht reicht es nicht, sich gegen Trump allein auf die Moral zu berufen. Doch zum Glück für die liberale Demokratie gibt es den Eigennutz global operierender Kapitalisten.

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