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US-Präsident Donald Trump

© AFP/Brendan Smialowski

US-Präsident Trump und die Paketbomben: Vor der Gewalt kommt der Hass

Kurz vor den Wahlen erschüttert eine Paketbomben-Serie die USA. Doch Demokraten und Republikaner sollten sich mit Schuldzuweisungen zurückhalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Bislang gibt es weder einen Verdächtigen noch einen Täter noch ein Bekennerschreiben. Aber es gibt einen begründeten Verdacht. Alle potenziellen Opfer der Paketbomben, die an mindestens sieben Adressen in den USA geschickt worden waren, stehen ganz weit oben auf der Liste derer, gegen die US-Präsident Donald Trump am heftigsten wettert. Barack Obama, Hillary und Bill Clinton, George Soros, Ex-Justizminister Eric Holder, Ex-CIA-Chef John Brennan (per CNN-Adresse), die demokratische Abgeordnete Maxine Waters aus Kalifornien. Das kann Zufall sein, vielleicht ist der Täter ein Psychopath oder gar, ganz diabolisch, ein Gegner des Trumpismus. Dennoch ist es vernünftig, dass die Ermittler von einem politisch motivierten Anschlagsversuch ausgehen. Der Common Sense fügt die Indizien zusammen.

Die Versuchung liegt nach, die Fälle politisch zu instrumentalisieren

Aber es sind Indizien. Das muss betont werden. Denn die Versuchung liegt nahe, die Fälle voreilig und ohne Kenntnis aller Fakten politisch zu instrumentalisieren. In zwölf Tagen wird in Amerika ein neuer Kongress gewählt. Viele Amerikaner sprechen von der wichtigsten Wahl seit langer Zeit. Daher überrascht es nicht, dass Teile der Opposition schon sehr früh den anklagenden Zeigefinger in Richtung Weißes Haus hielten: Terror in Amerika – das ist die Folge von Donald Trump! Von seiner Brutalo-Rhetorik, seiner Menschenverachtung, „Lock her up“, skandierten seine wütenden Anhänger auf Wahlveranstaltungen und meinten Hillary Clinton.

Worte haben Folgen. Was Karl Kraus als „Aufbruch der Phrase zur Tat“ beschrieb, ist überall auf der Welt zu beobachten. Erst der Hass, dann die Gewalt, nie ist es umgekehrt. Trump verspottet seine Widersacher, beschimpft seine Gegner, zieht mit Vorliebe gegen die „Staatsfeinde“ und „Volksverräter“ in den „Fake-News-Medien“ vom Leder. Als er sich am Mittwoch von den versuchten Briefbombenanschlägen distanzierte und diese verurteilte, sprach er wenig später erneut von der Notwendigkeit, dass die Medien ihre „endlosen Feindseligkeiten“ und „oft falschen Attacken“ beenden. Sie hätten die Verantwortung, „einen gemäßigten Ton anzuschlagen“.

Trumps Ton ist verletzend, aber die Rhetorik seiner Gegner hat sich auch radikalisiert

Doch Vorsicht! Trump und die Republikaner auf der einen Seite, liberale Medien und Demokraten auf der anderen Seite müssen aufpassen. So lange der oder die Täter nicht ermittelt wurden, gerät fortgesetzte Krawalllust in den Verdacht, das Verbrechen politisch ausschlachten zu wollen. Trump polemisiert gegen Frauen, Minderheiten, Migranten, Muslime, Liberale. Sein Ton ist verletzend – und soll es auch sein.

Die Rhetorik seiner Gegner aber hat sich ebenfalls radikalisiert. Psychiater attestieren dem Präsidenten per Ferndiagnose einen krankhaften Narzissmus. Andere spekulieren über Demenz. Trumps Anhänger wiederum werden als steuerbar, willenlos, eindimensional, frustriert, abgehängt, ungebildet und wütend charakterisiert. Das ist nicht minder verletzend – und soll es auch sein.

Wer in dieser aufgeheizten Atmosphäre – als Reaktion auf die Anschlagsversuche – den Bogen überspannt, riskiert viel. Bislang gibt es weder einen Verdächtigen noch einen Täter noch ein Bekennerschreiben. Manchmal bedarf es großer Geduld, um die richtigen Lehren aus einem Ereignis ziehen zu können.

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