zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump steigt in die Präsidentenmaschine.

© dpa/AP/Carolyn Kaster

US-Präsident: Trump muss weg - aber nicht zu früh!

Soll Donald Trump seines Amtes enthoben werden? Dann wäre seine Regentschaft nur eine kurze Episode, ein Alptraum, etwas, das schnell wieder verdrängt wird. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wirre Tweets, Geheimnisverrat, Realitätsverleugnung, Patronage, bizarre Interviews: Es bedarf keiner weiteren Belege, um festzustellen, dass Donald Trump ungeeignet ist, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu sein. Auch er selbst ist ausanalysiert. Seine erratischen, situativen Gefühlsausbrüche ebenso wie seine Gedanken- und Planlosigkeit. Diese in einer sehr mächtigen Person gebündelte Melange bedroht Amerika und den Rest der Welt. Böse Menschen sind oft berechenbar. Einer wie Trump dagegen hämmert durch seine Unberechenbarkeit auf die ohnehin recht dünnen und wackeligen Säulen der globalen Ordnung ein. Je eher dieser Spuk vorbei ist, desto besser.

Nun bahnt sich mit der jüngsten Entwicklung – Trump soll Ex-FBI-Chef James Comey gedrängt haben, die Ermittlungen gegen Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen – zum ersten Mal die Möglichkeit an, dass der Präsident sich strafbar gemacht hat. Das würde ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn begründen. Allerdings muss das im Konjunktiv formuliert und mit vielen Fragezeichen versehen werden.

Bei Trump und Comey steht Aussage gegen Aussage, für das mutmaßliche Delikt des Versuchs einer Behinderung der Justiz gibt es keine Zeugen. Und ob die Republikaner, die in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit haben, einer Amtsenthebung zustimmen würden, ist ungewiss. Noch verfügt Trump trotz sinkender Popularitätswerte über eine große Klientel, die wild entschlossen ist, jedem widerständigen Republikaner bei der nächsten Kongresswahl die Quittung zu präsentieren.

Historische Analogien sind immer falsch, manchmal erhellend

So drängt sich ein bitterböser Einfall auf. Vielleicht ist es aus volkspädagogischer Sicht – mit dem Adjektiv muss man allerdings vorsichtig sein – für eine Amtsenthebung Trumps zu früh. Dieser Polit-Clown ist ja nicht einmal vier Monate im Amt. Würde er jetzt gehen müssen, wäre seine Regentschaft nur eine kurze Episode, ein Alptraum, etwas, das schnell wieder verdrängt wird. Die „checks and balances“ hätten funktioniert, die diversen Bereiche der Zivilgesellschaft ihren Belastungstest bestanden. Allgemeine Zufriedenheit schlüge rasch in Selbstzufriedenheit um.

In Vergessenheit geriete, dass Trump demokratisch gewählt worden war. Der Schock über das offenbar höchst desolate Immunsystem vieler Amerikaner gegenüber der Verführbarkeit durch populistische Parolen wäre abgemildert. Keiner würde über die Notwendigkeit einer „Ent-Trumpifizierung“ gewisser Teile der Gesellschaft nachdenken.

Historische Analogien sind immer falsch, manchmal erhellend. Napoleon III. wurde im Dezember 1848 zum Präsidenten Frankreichs gewählt. Er hatte eine Modernisierung der Infrastruktur versprochen, wirtschaftliche Erfolge und die Wiederbelebung der nationalen Größe seines Landes. Drei Jahre später gelang ihm ein Staatsstreich, er ließ das Volk über neue diktatorische Vollmachten abstimmen und sich schließlich zum Kaiser krönen.

Karl Marx schrieb darüber seinen Essay „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“. In der Vorrede dazu heißt es, zeitgeistig bedingt etwas frauenfeindlich: „Es genügt nicht zu sagen, wie die Franzosen tun, dass ihre Nation überrascht worden sei. Einer Nation und einer Frau wird die unbewachte Stunde nicht verziehen, worin der erste beste Abenteurer ihnen Gewalt antun konnte.“

Wie konnte das passieren? Die Frage steht weiter ohne befriedigende Antwort im Raum. Das Getöse, das Trump entfacht, übertönt die Stimmen, die auch selbstkritisch seinen Wahlsieg zu erklären versuchen. War es die Abneigung gegen Hillary Clinton, die Wut auf das Establishment, welche Rolle spielten „fake news“ und andere Formen der Manipulation? Tatsache ist, dass ungefähr die Hälfte der Wähler ihr Kreuz bei Trump gemacht hat. Wer sie nicht für politisch unmündig erklärt, muss ihnen zugestehen: Sie wussten, was sie taten. Falls Trump aus dem Amt gejagt wird, dürfen Amerikaner und der Rest der Welt zu Recht erleichtert aufatmen. Die Wiederholungsgefahr ist damit nicht gebannt.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zur Startseite