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Du sollst nicht töten: Einsamer Protest vor dem Hinrichtungsgefängnis in Indiana.

© Scott Olson/AFP

US-Präsident ordnet Hinrichtungen an: Rückkehr zur Todesstrafe als Wahlkampfhilfe für Trump

Erstmals seit 17 Jahren wird in den USA ein Todesurteil auf Bundesebene vollstreckt. Exekutionen sind sonst eine Domäne der Einzelstaaten.

Seit 17 Jahren hat die US-Bundesregierung keine Todesstrafen mehr vollstrecken lassen. In dieser Woche sollten es gleich drei hintereinander sein.

Am Dienstag wurde der 47-jährige Daniel Lewis Lee im Bundesgefängnis Terre Haute, Indiana, mit einer Giftspritze hingerichtet – nach einer raschen Abfolge von Gerichtsurteilen bis hinauf zum Supreme Court, der die Exekution mit einer 5:4-Entscheidung freigab.

Am Mittwoch wollte die Trump-Regierung Wesley Ira Purkey am selben Ort hinrichten, doch ein Bundesgericht hat den Vollzug zunächst gestoppt, weil der 68-Jährige an Demenz leide und die Gründe der Bestrafung womöglich nicht begreifen könne. Für Freitag ist die Exekution des 52-jährigen Dustin Lee Honken geplant. Auch sie hat ein Gericht vorerst aufgeschoben.

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Warum werden plötzlich drei Hinrichtungen in einer Woche angesetzt – nach 17 Jahren Pause, die in den USA als inoffizielles Moratorium des Vollzugs der Todesstrafe auf Bundesebene verstanden wurde? Dahinter steckt Präsident Donald Trump und möglicherweise ein Kalkül, sich vor der Wahl im November als harter Strafverfolger zu profilieren.

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Trump betreibt die Exekutionen seit einem Jahr

Trump war schon immer ein Befürworter der Todesstrafe. Vor einem Jahr hatte er seinen Justizminister William Barr ankündigen lassen, dass er die Hinrichtungen wiederaufnehmen wolle. Daraus entspann sich ein monatelanger juristischer Streit durch mehrere Instanzen um die Hinrichtungsmethode, um Zweifel an der Schuld der Verurteilten und Gnadengesuche.

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Der juristische Schlagabtausch ist vor Exekutionen inzwischen die Regel. Dabei ging es jedoch seit langem nur um Hinrichtungen in Bundesstaaten. Sie haben zumeist die Zuständigkeit in der Strafverfolgung und Strafjustiz. Fälle auf Bundesebene sind die Ausnahme. Sie betreffen 66 der 2620 Menschen, die mit Todesurteil in Gefängnissen sitzen. Und nur vier der 1520 Exekutionen seit Wiedereinführung der Todesstrafe in den 1970er Jahren hat die Bundesregierung vollstreckt.

Eine Domäne der Bundesstaaten, nicht der Bundesregierung

Der Umgang mit Todesurteilen ist eine Domäne der 50 Bundesstaaten. 22 haben die Todesstrafe abgeschafft, ebenso die Hauptstadt Washington DC. In drei weiteren Staaten haben Gouverneure ein Moratorium verhängt. 25 Staaten halten an der Todesstrafe fest, aber nur eine kleine Zahl vollstreckt regelmäßig, voran republikanisch regierte wie Texas, Tennessee, Florida und Ohio, aber auch demokratisch regierte wie Kalifornien und Pennsylvania. Die Gesamtzahl sinkt: 85 Hinrichtungen im Jahr 2000, 2010: 46, 2019: 22.

In die Praxis der Bundesstaaten kann ein Präsident nicht eingreifen, auf Bundesebene gibt es nur wenig Fälle. Umso markanter wirkt Trumps Wende. Bei den Fällen, wo er hinrichten möchte, fällt auf: Es sind Weiße, denen brutale Verbrechen zur Last gelegt werden. Offenbar möchte er einer Debatte um Rassismus und Diskriminierung in der Strafjustiz ausweichen. Über 40 Prozent der zum Tode Verurteilten sind Afroamerikaner.

Der Präsident hat grausame Verbrechen herausgesucht

Der am Dienstag hingerichtete Daniel Lewis Lee war ein „White Supremacist“ und hat laut Urteil mit einem anderen Täter 1996 die Familie Mueller in Arkansas zuhause überfallen, um an ihre Waffen und ihr Bargeld zu kommen. Sie stülpten Säcke über die Köpfe von Vater, Mutter und der achtjährigen Sarah, beschwerten die Körper mit Gewichten und warfen sie in ein Gewässer. Es gibt wenig Zweifel an Lees Schuld.

Die Einsprüche betrafen andere Fragen: Warum bekam der Mittäter lebenslänglich, Lee die Todesstrafe? Lee hat sich im Gefängnis von den weißen Rassisten losgesagt. Mehrere Blutsverwandte der Opfer baten die Regierung, Lee nicht hinzurichten.

Und: Ist die Giftspritze eine verfassungswidrige Methode, weil sie unnötige Leiden hervorruft? Mit dieser Begründung waren im vergangenen Jahrzehnt diverse Giftcocktails verboten worden, weil sich das Sterben in mehreren Fällen qualvoll hinzog.

Hoffnung, dass die Hinrichtungsmethoden verboten werden

Damals schien es, als würden den Staaten, die hinrichten, die legalen Mittel zur Exekution ausgehen. Lee wurde mit einem neuen Gift hingerichtet. Der Supreme Court hat es genehmigt.

Purkey hat laut Urteil eine 16-Jährige vergewaltigt und ermordet sowie eine 80-Jährige zu Tode geprügelt. Honken hat fünf Menschen, darunter ein sechs- und ein zehnjähriges Mädchen, ermordet, um seine Drogengeschäfte zu schützen. Trump ist im Wahlkampf. Er fragt Joe Biden provozierend, warum der nicht einmal einer Todesstrafe gegen "White Supremacists", die getötet haben, zustimmen wolle.

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