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Eine Frau mit Kopftuch.

© wolterfoto/imago stock&people

Update

Urteil des Verfassungsgerichts: Rechtsreferendarinnen darf im Gericht das Kopftuch verboten werden

Eine Frau mit Kopftuch auf der Richterbank? Das darf untersagt werden. Ein Kopftuch-Verbot ist aber nicht zwingend.

Rechtsreferendarinnen darf verboten werden, im Gerichtssaal ein Kopftuch zu tragen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht am Donnerstag in Karlsruhe. Ein Gericht müsse sich in weltanschaulich-religiöser Hinsicht neutral verhalten können, hieß es in der Urteilsbegründung. Ein Kopftuch-Verbot ist demnach aber nicht zwingend.

Das Verbot greife zwar in die Glaubensfreiheit der Klägerin ein, entschieden die Richter. Dies sei aber durch andere Verfassungsgüter gerechtfertigt – etwa die Verpflichtung des Staates zu religiöser Neutralität und die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Anders als etwa in der Schule trete der Staat dem Bürger in der Justiz klassisch-hoheitlich gegenüber.

Im dem Fall geht es um die Vorschriften für Rechtsreferendarinnen. Geklagt hat eine in Frankfurt geborene Deutsch-Marokkanerin. Sie hatte im Januar 2017 in Hessen ihren juristischen Vorbereitungsdienst angetreten.

In Hessen können Referendarinnen ihre Ausbildung zwar grundsätzlich mit Kopftuch machen. Sie dürfen damit aber keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie als Repräsentantinnen der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden können.

Das bedeutet zum Beispiel, dass sie Verhandlungen nicht wie die anderen Referendare von der Richterbank verfolgen dürfen, sondern sich in den Zuschauerraum setzen müssen. Sie dürfen auch keine Sitzungen leiten oder Beweise aufnehmen. Dagegen hatte die 1982 geborene Frau erst vergeblich Beschwerde eingelegt und dann vor den Verwaltungsgerichten geklagt.

Ähnliche Regelung auch in Berlin

Einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Berlin haben ähnliche Vorschriften. In anderen Ländern ist die Frage gar nicht geregelt, weil sich das Problem entweder noch nie stellte oder sich im Einzelfall eine einvernehmliche Lösung fand.

Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) bezeichnete die Entscheidung als „wegweisend“ und „wichtiges Signal zugunsten der weltanschaulichen Neutralität staatlicher Institutionen“. Dies gelte gerade in der heutigen Gesellschaft, in der Menschen aus vielen Ländern mit unterschiedlichen kulturellen Biografien zusammenlebten.

Für Verfahrensbeteiligte sei die Neutralität des Staates bei einer Frau mit Kopftuch auf der Richterbank nicht ohne Weiteres zu erkennen, erläuterte die Ministerin. „Auch wenn ich niemandem eine persönliche Befangenheit unterstellen möchte, muss jedenfalls der visuelle Eindruck einer Befangenheit von vorneherein vermieden werden.“ Dies sei nur möglich, „wenn die staatlichen Verfahrensbeteiligten keine religiösen Insignien“ zeigen dürften.

„Während Vielfalt und Weltoffenheit im täglichen Leben wichtige Stützen des gesellschaftlichen Zusammenhalts sind, müssen in einem Gerichtssaal, bei dem der Staat den Bürgern mit großer Beeinträchtigungswirkung gegenübertritt, andere Regeln gelten“, erklärte sie.

Ein Verfassungsrichter war anderer Meinung und wurde überstimmt

Die Entscheidung des Zweiten Senats des Verfassungsgerichts erging mit einer Gegenstimme. Verfassungsrichter Ulrich Maidowski erklärte in einem Sondervotum, dass die Ausbildungssituation der Rechtsreferendarin zu berücksichtigen sei.

Eine Richterin könne sich autonom für ein Amt im Justizdienst entscheiden, das Referendariat müsse dagegen absolviert werden, um das zweite juristische Staatsexamen zu erhalten, argumentierte Maidowski. Deshalb sei das Kopftuchverbot für Referendarinnen ein unverhältnismäßiger Eingriff n die Religions- und Ausbildungsfreiheit

Die Frage, ob ein Kopftuch getragen werden darf, landet häufiger vor Gericht. 2015 hatte das Bundesverfassungsgericht ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen für nichtig erklärt. 2016 weitete das Verfassungsgericht seine Maßstäbe dazu auch auf Kita-Erzieherinnen aus. (Tsp, dpa, AFP, Reuters, KNA)

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