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Ein Adler sieht scharf. Am Hauptsitz des Bundesnachrichtendiensts BND in Berlin.

© imago images/Future Image

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: Wie der Bundesnachrichtendienst einen mutmaßlichen Reichsbürger loswurde

Johannes N. war ein Musterbeamter im Geheimdienst – bis er sich „Königreich Bayern“ als Geburtsort in einen Staatsangehörigkeitsausweis eintragen lassen wollte.

Dass in Sicherheitsbehörden und Bundeswehr leider öfter als nur vereinzelt Fälle von Rechtsextremismus vorkommen, ist bekannt. Selten passiert es beim Bundesnachrichtendienst (BND), der für die Auslandsaufklärung zuständig ist und als besonders geheimer Geheimdienst sein Personal scharf durchleuchtet. Und doch gibt es so einen Fall, er wurde vor zwei Jahren öffentlich und blieb der bisher einzige. Am Donnerstag hat ihn der BND nun per Disziplinarurteil des Bundesverwaltungsgerichts erledigen können. Der Mann wurde aus dem Dienstverhältnis entfernt.

Das war gar nicht so einfach. Johannes N., Regierungsobersekretär im mittleren Dienst, gibt das Bild eines Musterbeamten ab. Er kam aus der bayerischen Verwaltung in die Spionagebehörde und wurde unter anderem in der BND-Residentur in Bukarest eingesetzt. Für seinen Job erhielt er eine Prämie, die Vorgesetzen bestätigten dem Mittdreißiger herausragende Leistungen.

Der blassgelbe Schein war mal wichtig, um Beamter zu werden

Sein Weg nach unten begann im Jahr 2015. Da beantragte er beim Landratsamt Starnberg einen so genannten Staatsangehörigkeitsausweis. Der blassgelbe Schein war früher häufiger nötig, um in Deutschland Beamter zu werden; heute wird das meist durch Personalausweis oder Pass ersetzt.

Begehrt ist das in der breiten Öffentlichkeit nahezu unbekannte Dokument in anderen Kreisen, der Reichsbürgerszene. Sie wird zusammengehalten von der Überzeugung, das Deutsche Reich bestehe in seinen alten Grenzen fort und die Bundesrepublik werde nur als eine Firma geführt, sei jedoch kein Staat. In das mitunter rechtsextremistische und oft geschichtsrevisionistische Weltbild fügt sich, dass Rechtsakte bestritten und Gerichtsurteile nicht anerkannt werden.

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Der „gelbe Schein“ gilt, im Gegensatz zu Pass und „Perso“, als zulässiges Dokument. Reichsbürgertypisch ist, den Ausweis unter Berufung auf das „Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz“ (RuStAG) von 1913 zu beantragen und als Geburtsort „Königreich Bayern“ oder „Königreich Preußen“ anzugeben. Mitunter gelingt es offenbar, die zuständigen Behörden derart hinter die Fichte zu führen. Ausweise mit solchen Einträgen kursieren in der Szene als Beleg, das alles stimmt, was die Schwurbler behaupten, und die Bundesrepublik nicht mal auf Papier existiert.

Das Ganze sei ein „Witz“ gewesen, behauptet Johannes N.

So hat es auch Johannes N. versucht, doch im Landratsamt reagierte man aufgeweckt und wies das Ansinnen zurück. Dem BND-Mann wurde der Ausweis ohne RuStAG und Königreich Bayern ausgestellt. Die Beamten meldeten einen Verdacht, der über das Polizeipräsidium Unterfranken zum BND nach Berlin gelangte. Gegen N. wurde ein Disziplinarverfahren eröffnet. Man durchsuchte seine Rechner, und er wurde wohl, wie er behauptet und wie es der BND in der Verhandlung nicht bestritt, mit nachrichtendienstlichen Mitteln bespitzelt.

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Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verteidigte sich der Geheimdienstler nun damit, das Unterfangen sei für ihn eine Art „Witz“ gewesen. Er habe Ahnenforschung betrieben, sei im Netz auf eine Ausfüllanleitung für den Staatsangehörigkeitsausweis gestoßen, die offenbar „komische Typen“ dort hineingestellt hätten. „Ich war neugierig. Ich wollte sehen, ob das durchkommt“. Von Reichsbürgern will er damals noch nichts gewusst haben. Die Szene sei erst mit dem Polizistenmord im fränkischen Georgensmünd im Jahr 2016 in sein Bewusstsein getreten. Sein Anwalt spricht von einer „Dummheit“, die seinem Mandanten geschehen sei.

Hinweise auf Reichsbürger-Ideologie haben sich keine gefunden

Hinweise auf Reichsbürger-Ideologie haben sich bei N. keine gefunden. Er hatte auf dem Computer das knapp 50 Jahre alte Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Grundlagenvertrag über die Beziehungen zwischen Deutschland und der DDR abgespeichert, das in der Szene passagenweise missdeutet und als Argumentationshilfe für die abstrusen Ansichten herangezogen wird. Das war es dann. Keine verdächtigen Kontakte, keine verräterischen Schriften.

So tat sich der Zweite Senat des Gerichts erkennbar schwer mit der Konsequenz seines Urteils. Ein Richter bot N. sogar eine andere Geschichte an: Ob er da im Wissen, dass es sich um reichsbürgertypisches Vorgehen handele, nicht einer ihn faszinierenden „Sogwirkung“ erlegen sei? Es klang, als könne man auch des Nervenkitzels wegen einen Ausweis mit „Königreich Bayern“ als Geburtsort beantragen. Aber N. blieb bei seiner Version, damals nichts Näheres über die Szene gewusst zu haben.

Der Beamte habe die Existenz der Bundesrepublik geleugnet, meinen die Richter

Dafür hatten die Richter dann wenig Verständnis: Mit den falschen Angaben im Landratsamt habe der Beamte die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt und damit die freiheitlich demokratische Grundordnung abgelehnt, hieß es bei Verkündung des Urteils. Dadurch verletzte er seine im Bundesbeamtengesetz festgeschriebene Verfassungstreuepflicht in schwerwiegender Weise. „Als Beamter weiß er um die Bedeutung eines so formulierten Antrags“, hieß es. Zugleich sei sein Verhalten zumindest typisch für die Reichsbürger-Szene.

Zwar habe N. sich von der Szene distanziert. Er habe aber „nicht plausibel erklären können“, weshalb er die falschen Angaben gemacht habe. Auch die „für ihn sprechenden Umstände“ hätten ihn deshalb nicht vor der Entlassung bewahren können. Der BND ist damit seinen einzigen mutmaßlichen Rechtsextremisten los – und ebenso mutmaßlich war es möglicherweise keiner.

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