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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) kommt zur Sitzung des Untersuchungsausschusses zum Bilanzskandal Wirecard.

© dpa/Michele Tantussi

Update

Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal: Viel Wirbel um Mails von Scholz' Privataccount

Finanzminister Olaf Scholz hat im Wirecard-Untersuchungsausschuss jede Schuld von sich gewiesen. Die Union fordert, dass er Verantwortung übernehmen soll.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat eine Mitschuld für den milliardenschweren Wirecard-Skandal weit von sich gewiesen. Gegen das frühere Top-Management des Zahlungsabwicklers werde ermittelt. „In dem Unternehmen wurde offenbar mit hoher krimineller Energie gehandelt“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Donnerstag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Finanzskandal.

Der Wirtschaftsprüfer EY habe elf Jahre lang nicht die Fehler in den Büchern gefunden und die Bilanzen stets testiert. EY sei zu lange Glauben geschenkt worden. „Die Verantwortung für diesen hochkriminell angelegten Betrug trägt nicht die Bundesregierung.“

Scholz ergänzte, es sei schnell gehandelt und die richtigen Konsequenzen gezogen worden. „All das habe ich zügig auf den Weg gebracht.“ Die Finanzaufsichtsbehörde BaFin werde neu aufgestellt. Außerdem sollten die Wirtschaftsprüfer enger an die Leine genommen werden. Ziel sei es, das Vertrauen wiederherzustellen.

Im Wirecard-Untersuchungsausschuss hat es zudem Wirbel um E-Mails des Finanzministers gegeben. Vor allem die Union warf Scholz vor, dem Ausschuss relevante E-Mails vorzuenthalten. Dabei geht es um Kommunikation, die der Finanzminister persönlich über einen privaten Account zum Thema Wirecard geführt hat, wie Unions-Obmann Matthias Hauer am Donnerstag sagte. Der Ausschuss-Vorsitzende Kay Gottschalk (AfD) sagte nach einer Beratungssitzung: „Es irritiert uns.“

Scholz wurde im Untersuchungsausschuss als Zeuge befragt. Hauer legte ihm zwei Mails zum Thema Wirecard vor, die Scholz nicht von seinem dienstlichen Account geschrieben hatte und merkte an, es könne davon ja noch mehr geben, von denen man nicht wisse. Zuvor hatte Scholz angegeben, dienstliche und private Kommunikation eigentlich konsequent zu trennen. Er räumte dann aber ein, manchmal leite er etwa Zeitungsartikel von der anderen Adresse weiter, weil dies einfacher sei.

Der Ausschuss forderte Scholz auf, relevante Kommunikation nachzuliefern. Der Minister sagte, er könne nichts weiteres vorlegen als das, was der Ausschuss habe.

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Hauer sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Finanzminister Olaf Scholz hat dem Untersuchungsausschuss relevante E-Mail-Kommunikation vorenthalten, die er persönlich zum Thema Wirecard geführt hat. Während er auf meine Fragen zunächst behauptete, seine Kommunikation zu Wirecard ausschließlich über die dienstliche Adresse zu führen, musste er nach Vorlage konkreter Beweis-Mails das Gegenteil einräumen.“

Entscheidender Unterschied sei, dass die E-Mails von seinem privaten Account nicht „veraktet“ und dem Ausschuss daher nicht vorgelegt worden seien, obwohl auch dies vom Beweisbeschluss umfasst sei. Das Ministerium habe dem Ausschuss auch vorher Informationen verspätet oder gar nicht vorgelegt, sagte Hauer. „Aber das Vorenthalten persönlicher Kommunikation des Ministers ist eine neue negative Qualität. Herr Scholz steht bei der Aufklärung von Anfang an auf der Bremse und sucht Fehler nur dort, wo er nicht beteiligt ist. Das ist nicht hinnehmbar.“

Dax-Konzern Wirecard geht im Juni 2020 pleite

Auch im Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Pkw-Maut spielten E-Mails eines Ministers eine Rolle, und zwar von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Die Opposition vermutete, dass Scheuer E-Mails über sein Abgeordnetenpostfach nicht vollständig vorgelegt habe und etwas verheimliche.

Der frühere Dax-Konzern Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Vorstände von Wirecard sitzen in Untersuchungshaft oder sind auf der Flucht. Der BaFin und damit auch dem Finanzministerium werden dabei weitgehendes Versagen in dem Fall vorgeworfen.

[Mehr zum Thema: Was hat der Wirecard-Ausschuss erreicht? (T+)]. 

Neben Finanzminister Scholz wird diese Woche als vorläufiger Höhepunkt eine weitere hochrangige Zeugin befragt – am Freitag folgt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl ist das Wirecard-Sondergremium damit zunehmend parteipolitisch geprägt, mit teils hitzigen Wortgefechten auch innerhalb der großen Koalition.

„Die politische Verantwortung trägt Olaf Scholz“, sagte der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer. Das zeige die interne Unruhe in seinem Ministerium. „Da brennt die Hütte.“ Auch CSU-Wirtschaftspolitiker Hans Michelbach warf Scholz vor der Befragung vor, dem Ausschuss lange wichtige Akten vorenthalten zu haben. Scholz müsse persönlich Verantwortung übernehmen. „Ich erwarte zumindest eine klare Entschuldigung.“ Zu erwarten sei aber die „Neu-Inszenierung des Stücks: nichts gesehen, nichts gehört, nichts gewusst“.

Scholz´ engster wird Mitarbeiter neun Stunden befragt

Am Mittwoch hatte der Untersuchungsausschuss schon Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies, einen der engsten Scholz-Mitarbeiter, neun Stunden lang bis tief in die Nacht befragt. Scholz sagte, er vertraue seinen Staatssekretären, die er sehr sorgfältig ausgewählt habe. „Das sind gute Leute.“ Kukies – ein früherer Top-Investmentbanker – hatte gesagt, in dem Fall seien alle getäuscht worden, die Regierung ziehe aber die richtigen Schlüsse.

Finanz-Staatssekretär Joerg Kukies beim Wirecard-Untersuchungsausschuss
Finanz-Staatssekretär Joerg Kukies beim Wirecard-Untersuchungsausschuss

© REUTERS/Bernd von Jutrczenka

„Wir haben es beim Fall Wirecard mit einem Fall von Bandenkriminalität zu tun“, so Scholz. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.“ Die Bonner BaFin sei durchaus gegen Wirecard vorgegangen und habe den Stein ins Rollen gebracht. Es sei nicht die schützende Hand über den Konzern gehalten worden. „Sie hat im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gehandelt. Aber mit dem Wissen von heute ist klar, dass Aufsicht- und Kontrollgefüge für einen solch erheblichen kriminellen Angriff nicht gut genug gerüstet sind.“ Das werde mit dem Wirecard-Gesetz FISG verbessert. Dieses wird momentan im Bundestag beraten, Änderungen nicht ausgeschlossen.

Eine umstrittene Maßnahme der Bafin hält Scholz im Nachhinein für fragwürdig. Inzwischen sei bekannt, dass Informationen der Staatsanwaltschaft nicht tragfähig seien, die beim Leerverkaufsverbot eine wichtige Rolle spielten, sagte der Vizekanzler. Damit falle die Begründung für die Maßnahme in sich zusammen.

Die Finanzaufsicht Bafin hatte Anlegern zeitweise Spekulationen auf fallende Kurse von Wirecard verboten. Bei vielen Aktionären nährte das die Annahme, bei dem Skandalkonzern sei trotz kritischer Medienberichte alles in Ordnung und Wirecard nur Opfer einer gezielten Attacke.

Finanzminister bekommt Rückendeckung von der SPD

Rückendeckung bekam Scholz erwartungsgemäß von seiner Partei: „Die BaFin ist auf einem guten Weg“, sagte Jens Zimmermann, der für die SPD im U-Ausschuss sitzt. Es sei mit Mark Branson ein starker neuer Chef gefunden worden. Scholz könne kein konkretes Versäumnis vorgeworfen werden.

Die Opposition und die Union halten die Bilanzkontrolle der BaFin zusammen mit der privatwirtschaftlichen DPR für ineffektiv. Danyal Bayaz von den Grünen bezeichnete zudem das sogenannte Leerverkaufsverbot als fatal. Damit hatte die BaFin im Februar 2019 – als es bereits Hinweise in Medien und von Investoren auf Ungereimtheiten bei Wirecard gab – alle Wetten auf Kursverluste mit Wirecard-Aktien untersagt.

„Das Leerverkaufsverbot ist ein besonderer Fehler.“ Die BaFin habe sich damit auf die Seite von Kriminellen gestellt. CDU-Politiker Hauer sagte, Scholz sei darüber früh informiert worden: „Er hat nicht die Notbremse gezogen.“ (Reuters, dpa)

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