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Russische Fallschirmjäger machen sich für den Einsatz in Kasachstan bereit.

© AFP

Unruhen in Kasachstan: Der Gewinner heißt Putin

Mit seinem Hilferuf nach Moskau hat der kasachische Präsident sein Land in die völlige Abhängigkeit von Russland manöviert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Herold

Wenn vom Weltraumbahnhof Baikonur ein russisches Raumschiff ins All startet, wird vielleicht mal erwähnt, dass der Ort in der kasachischen Steppe liegt, der Name des riesigen zentralasiatischen Landes selbst fällt dagegen so gut wie nie.

Kasachstan erfährt in der Regel nicht die Aufmerksamkeit, die angesichts seiner geostrategischen Lage angebracht ist. Es ist die wichtigste Brückennation zwischen Europa und Asien. In seinem rohstoffreichen Gebiet zwischen Russland und China kreuzen sich die Interessen aller Wirtschaftsmächte, weil es reichlich Öl und Gas besitzt und die Seltenen Erden für die Digitalindustrie liefert.

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Die Unruhen, die nach einer Erhöhung der Spritpreise ausgebrochen sind, haben deshalb eine weltpolitische Dimension. Präsident Kissim-Jomart Tokajew hat gegen die Demonstranten erst die eigenen Sicherheitskräfte aufmarschieren lassen und dann nach Hilfe gerufen. Präsident Wladimir Putin hat den Ruf sofort erhört. Es kamen russische Fallschirmjäger.

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Neben Belarus ist Kasachstan der loyalste Verbündete des Kreml. Das Eingreifen Moskaus wird zum einen von postkolonialen Phantomschmerzen getrieben. Putin sieht die Nachbarstaaten nach eigenem Bekunden als großzügige Geschenke, die das russische Volk anderen Nationen gemacht hat. Und da dort bis heute viele ethnische Russen leben, leitet er daraus auch ein grundsätzliches Recht zum Eingreifen ab.

Zugleich sieht der russische Präsident jeden Protest der Massen gegen die Autokraten in den Nachbarländern als Teil eines Komplotts und einer Einkreisungsstrategie des Westens gegen Russland. In seinen Augen darf Kasachstan nicht die nächste Ukraine werden und einen Wunsch nach Aufnahme in die Nato äußern. Während Putin die Annäherung des westlichen Bündnisses an Russlands Grenzen geißelt, stehen seine Truppen – reguläre wie irreguläre – in immer mehr Ländern. Darunter sind nicht nur ehemalige Sowjetrepubliken, sondern auch Syrien, Libyen, Venezuela, Zentralafrika, Mali oder Mosambik. Putin geht es nicht nur um ein Einspruchsrecht zur Nato-Erweiterung, er will nach imperialer Manier eine Aufteilung der Welt in Einflusssphären erzwingen, über die Köpfe der kleineren Nationen hinweg.

China kann ruhig zuschauen

Der Westen sucht bislang vergeblich nach einem wirksamen Hebel zur Eindämmung der daraus entstehenden Gefahren. Gleiches mit Gleichem zu erwidern, mit einer Eskalation militärischer Spannungen und einem damit wachsenden Kriegsrisiko, kommt nicht in Frage. Alle wirtschaftlichen Sanktionen haben aber bisher nicht die erhoffte Wirkung.

In Zentralasien muss Russland jedoch mit einer anderen Macht rechnen: China. Für dessen Präsidenten Xi Jinping spielt Kasachstan eine zentrale Rolle in seinem Jahrhundertprojekt einer neuen Seidenstraße. Kasachstan ist die Landverbindung Chinas zu den Märkten Europas. Wenn Putin dort für Ruhe sorgt, soll es Xi recht sein. Wenn es jedoch um die Frage geht, wer die Routen kontrolliert, könnte es zu Konflikten kommen. Derzeit betonen Russland und China demonstrativ ihre strategische Allianz. Russland ist darin der klar schwächere Partner, und die Asymmetrie zwischen beiden wächst rasch. Deshalb kann Xi den weiteren Fortgang der Ereignisse in Kasachstan vorerst erst einmal ruhig beobachten.

Die USA wiederum haben nach dem Abzug aus Afghanistan das Interesse an Zentralasien weitgehend verloren. Ausnahme Kasachstan, das weiter als wichtiger Partner in der Region gilt. Bis vor kurzem erwiderten die Machthaber Kasachstans das amerikanische Interesse. Die Flirts mit Washington erlaubten es ihr, ein Gegengewicht zu den oft übergriffigen Gesten Moskaus und Pekings herzustellen. Das ist nun vorbei. Mit dem Hilferuf an Moskau hat Tokajew sein Land in eine Abhängigkeit von Russland geführt. Egal, ob russische Truppen ihm die Macht retten oder einen Nachfolger installieren: Jeder Präsident Kasachstans ist Putin künftig einiges schuldig.

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