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Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) haben sich noch mal zusammengerauft.

© John MacDougall/AFP

Unionsparteien nach der Regierungskrise: „CSU pur“ oder „reine Augenwischerei“?

Auch nach dem Asylkompromiss sind CDU und CSU nicht glücklich damit. Und: Die Anmaßung der Bayern wird in der CDU so schnell keiner vergessen.

Von Robert Birnbaum

Der Beifall fiel eher mau aus. Am Montagabend hatten Angela Merkel und Horst Seehofer ihren Flüchtlingsstreit beigelegt, am Dienstag früh unterrichten die Parteichefs die Abgeordneten von CDU und CSU. Merkel spricht von einem guten, sachgerechten Kompromiss. Noch bleibe viel Arbeit. Seehofer preist das knappe Einigungspapier als gute fachliche Grundlage und will sich an die Arbeit machen: Zuerst nach Wien, um mit den Österreichern über ein neues Grenzregime zu reden.

Die Fraktion nahm das alles erleichtert zur Kenntnis. Aber enthusiastisch, berichten Teilnehmer, klang der Applaus nicht. Zu viel ist rücksichtslos zerschlagen worden in den vergangenen Wochen. Daheim im Wahlkreis haben sie Abgeordneten oft nur noch den Vogel gezeigt. Dass die älteren Herrschaften da vorn auf dem Podium eine Sachdifferenz nicht routiniert klären konnten, sondern zum Grundsatzkonflikt eskalieren ließen, dass sie erst einlenkten, als die eigene Fraktion ihnen am Montag so dezent wie deutlich mit dem Scherbengericht drohte – „diese Tage werden lange nachwirken“, sagt ein CDU-Mann.

Und obendrein hat die CSU nach Einschätzung derer, die etwas davon verstehen, mit dem Krawall überhaupt nichts erreicht. „Reine Augenwischerei“, urteilt ein CDU-Innenexperte. Denn die von den Christsozialen gefeierten „Transitzentren“ werden, freundlich gesprochen, bestenfalls wirkungsarm. Nur wer in Bayern an einem der drei festen Grenzkontrollposten ankommt, kann so behandelt werden, als wäre er noch nicht im Land. Überall sonst reicht weiter ein Schritt über die Grenzlinie, um als eingereist zu gelten. Sobald sich das unter Schleppern rumspricht, bleiben die „Transitzentren“ leer.

Erst Merkels Ansatz macht Seehofers Plan praktikabel

Halbwegs wirkungsähnlich zu Seehofers direkter Grenzzurückweisung wird das Ganze nur durch Merkels Konzept – ein Umstand, auf den die Kanzlerin in der Fraktion beiläufig hinwies. Denn ihr Vorschlag wirkt bundesweit und erfasst etwa auch Grüne-Grenze-Gänger, die der Schleierfahndung ins Netz gehen. Seehofer hatte diese Lösung im CSU-Vorstand noch in Bausch und Bogen verworfen. Dafür steckt jetzt in der Einigung mehr Merkel als Seehofer.

Die Bayern halten sich mit Sachfragen denn auch lieber gar nicht auf. Alexander Dobrindt beschwört lieber gefühlte Wirklichkeit. „Wir fühlen uns gestärkt“, sagt der Landesgruppenchef. „Wir zeigen, dass wir Recht und Ordnung an unseren Grenzen durchsetzen, das erwarten die Bürger.“ Generalsekretär Markus Blume feiert eine „Asylwende“.

Seehofer versucht derweil seine Wutausbrüche vergessen zu lassen. „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“ – dieser Satz stamme vom Sonntag. Schon richtig, nur hat er ihn eben am Montag für die „Süddeutsche Zeitung“ wiederholt. Auch den simulierten Rücktritt würde der CSU-Chef gerne weglächeln: „Des is scho wieder Geschichte.“

Letzte Mittel mit dem Rücken zur Wand - statt Politik

Das ist es nicht. Er und seine Hintersassen haben wegen einer „Mücke“ (Originalton Seehofer) die Union vor die Existenzfrage gestellt. Darin steckt eine Anmaßung, die bei der CDU so schnell keiner vergisst. Nur deshalb bekam Merkel den Rückhalt ihrer Partei. In der Sache wären viele Seehofer gefolgt. Merkel rettete der Eindruck, dass die CSU die Kanzlerin demütigen, wenn nicht wegputschen, und der CDU einen Anti-Europa-Kurs aufzwingen wollte.

Doch Merkel geht auch nicht ungeschoren aus dem schrillen Streit hervor. Ihr hängt das Bild der Getriebenen nach, die die kleine bayerische Schwester nur mit Mühe am Durchmarsch hindern konnte. Die Kanzlerin droht dem Innenminister mit Rauswurf, der spielt theatralisch mit dem Rücktritt – letzte Mittel mit dem Rücken zur Wand.

Ein anderer spürt die Wand auch schon kalt im Kreuz. Markus Söder soll die Landtagswahl gewinnen. Am Dienstag tagt das Landeskabinett in seiner Heimat Nürnberg. Der CSU-Spitzenkandidat lobt, was er selbst mitverhandelt hat: „Transitzentren sind CSU pur.“ So weit dazu. Aber da wäre noch etwas: „Es ist jetzt auch wichtig, dass wir diesen Prozess nicht automatisch wiederholen.“ Vor zwei Wochen hat er in Berlin den „Endkampf um die Glaubwürdigkeit“ ausgerufen. Jetzt gibt er die Friedfertigkeit in Person. „Wir müssen auch auf die Umgangsformen achten“, doziert Söder. „Wir müssen den Eindruck von Ruhe und Verlässlichkeit ausstrahlen.“ Ein guter Vorsatz. Nur glauben müssen ihm die Wähler den Eindruck des Ausstrahlens noch.

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