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Bei der israelfeindlichen Demonstration im Mai in Neukölln kam es auch zu Angriffen gegen die Polizei.

© dpa

Union und SPD: Keine Einbürgerung für Antisemiten und Rassisten

Union und SPD wollen noch vor der Bundestagswahl das Staatsangehörigkeitsrecht verschärfen. Innenminister lassen Synagogen besser schützen.

Von Frank Jansen

Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD wollen mit einer drastischen Maßnahme den Kampf gegen Antisemitismus ausweiten. Sie verständigten sich darauf, Ausländerinnen und Ausländern die Einbürgerung in Deutschland zu verweigern, wenn eine Verurteilung wegen einer antisemitischen oder rassistischen Straftat vorliegt. Das soll auch schon bei minderschweren Delikten gelten wie bei Beleidigung oder Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Über den Plan von Union und SPD hatte zuerst die „Bild“-Zeitung berichtet.

Mit der Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts „wollen wir die Einbürgerung von Antisemiten und Rassisten besser verhindern“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), dem Tagesspiegel. „Wer zu einer antisemitisch, rassistisch oder fremdenfeindlich motivierten Straftat verurteilt worden ist, darf kein deutscher Staatsbürger werden.“ Das gelte künftig „auch bei geringfügigen Gesetzesverstößen“.

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Bislang ist eine Einbürgerung möglich, auch wenn die Person zu maximal drei Monaten Haft auf Bewährung oder einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Solche Delikte bleiben gemäß Paragraf 12a Staatsangehörigkeitsgesetz „außer Betracht“. Dies soll nach dem Willen von Union und SPD wegfallen.

Die Fraktionen wollen das Staatsangehörigkeitsrecht noch in dieser Legislaturperiode entsprechend ändern. „Das geht kommenden Donnerstag ins Bundestagsplenum und am Freitag in den Bundesrat“, hieß es in der Unionsfraktion.

Damit würde noch in der letzten Sitzungswoche der Verfassungsorgane das Staatsangehörigkeitsrecht verschärft. Middelberg betonte: „Wir ziehen damit auch ganz konkrete Konsequenzen aus den abscheulichen antisemitischen Ausschreitungen im Mai.“

Migrantische Israelfeinde

Palästinensische und andere migrantische Israelfeinde hatten gemeinsam mit deutschen Antisemiten im Berliner Bezirk Neukölln die Vernichtung Israels propagiert und die Polizei angegriffen. In Bonn wurde die Synagoge mit Steinen beworfen, in Münster verbrannten Antisemiten in der Nähe eines jüdischen Gotteshauses eine israelische Fahne. Middelberg sagte: „Wenn die Existenz Israels deutsche Staatsräson ist, muss das in jedem Fall im Einbürgerungsrecht erkennbar sein.“

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Unterdessen vereinbarte die Innenministerkonferenz (IMK) bei ihrer am Freitag beendeten Tagung im badischen Rust, dass israelfeindliche Demonstrationen und Kundgebungen künftig von Synagogen ferngehalten werden sollen. Nach Angaben des IMK-Vorsitzenden Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, wird ein „Mustererlass“ erstellt, der den Versammlungsbehörden in Kommunen helfen soll, rechtssicher Veranstaltungen zu verlegen oder auch zu verbieten.

So sollen bedrohliche Situationen für Jüdinnen und Juden verhindert werden, die an Demonstranten vorbei ins Gotteshaus gelangen wollen.

Berlins Innenstaatssekretär Torsten Akmann begrüßte den Beschluss. Akmann sagte dem Tagesspiegel, er werde zeitnah mit der Polizei als zuständiger Versammlungsbehörde darüber sprechen, wie künftig zu verfahren ist. In Berlin nimmt die Polizei die Anmeldungen für Demonstrationen entgegen und entscheidet über Auflagen.

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Importierter Antisemitismus

Die IMK will zudem die Erfassung antisemitischer Straftaten präzisieren. Die Minister der Union, aber auch Stimmen in SPD und Zivilgesellschaft bezweifeln, dass rund 90 Prozent der Delikte von deutschen Rechtsextremen verübt werden, wie den Statistiken der Polizei zu entnehmen ist. „Wir haben erkennbar importierten Antisemitismus“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der als Gast an der Tagung der IMK teilnahm.

Die Minister wollen zudem bei einer weiteren Form der Menschenfeindlichkeit, der gewaltsamen Hasskriminalität gegen Frauen, mehr Aufklärung. Die Taten sollen als eigenes Delikt in der Polizeilichen Kriminalstatistik ausgewiesen werden. Gefordert wird auch, dass die gezielte Tötung von Frauen, wenn sie ihre Männer verlassen wollen, als Mord und nicht nur als Totschlag bestraft wird.

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