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Bodo Ramelow bei der Vereidigung im Thüringer Landtag.

© REUTERS

Ungeklärte Verhältnisse: Wie viel Ramelow steckt in der Linkspartei?

Bodo Ramelow hätte Rückenwind der Bundespartei gebrauchen können. Doch immer gibt es Schlagzeilen, die Zweifel an der Regierungsfähigkeit der Linken schüren. 

Es ist ein Video von enormer Sprengkraft. Gerade mal gut 50 Sekunden lang zeigt es eine Szene von der Strategiekonferenz der Linkspartei am Wochenende in Kassel. Eine Genossin aus Berlin schwadroniert über das Erschießen von Reichen. Parteichef Bernd Riexinger, zu diesem Zeitpunkt auf dem Podium, kommentiert: „Wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.“ Applaus, vereinzelt Gelächter.

Anfang der Woche publik geworden, kam das Video für Bodo Ramelow zur Unzeit. Über Wochen hatte sich der Linken-Politiker bemüht, einzelne Abgeordnete bei CDU und FDP davon zu überzeugen, ihm bei der Ministerpräsidentenwahl im Erfurter Landtag die Stimme zu geben. Ramelow gilt als linker Pragmatiker. Auch Ministerpräsidenten anderer Parteien stellen ihm ein gutes Zeugnis aus. Doch das Video schien nun all jenen Recht zu geben, die schon immer der Meinung waren, mit der Linkspartei könne man einfach nicht zusammenarbeiten.

Problematische Ansichten zur Außenpolitik

Immer wieder machen Linken-Abgeordnete mit Aktionen und Aussagen Schlagzeilen, die selbst bei wohlgesonnenen SPDlern und Grünen Zweifel an der Koalitionsfähigkeit der Linken vor allem auf Bundesebene aufkommen lassen. Denn neben pragmatischen Realpolitikern, die zu Kompromissen bereit sind, gibt es zahlreiche Dogmatiker, die nicht bereit sind, von ihren problematischen Ansichten etwa in der Außenpolitik abzuweichen. Davon hat die Debatte um den linken Vorzeige-Ministerpräsidenten lediglich abgelenkt.

Erst vergangene Woche stellten acht Linken-Bundestagsabgeordnete Strafanzeige gegen Kanzlerin Angela Merkel und andere Mitglieder der Bundesregierung. Der Vorwurf: „Beihilfe durch Unterlassen zum Mord“ wegen der Tötung des iranischen Generals Qassem Suleimani. Das zentrale Argument: Der „völkerrechtswidrige Drohnenangriff“ sei über den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz gesteuert worden. Juristisch und politisch galt das Vorgehen der acht Abgeordneten in den Reihen der Linken als „Wahnsinn“. Die Parlamentarier mussten sich am Dienstag in einer Sitzung der Bundestagsfraktion dafür entschuldigen, dass sie die Fraktionsspitze nicht vorab über ihre Pläne informiert hatten. 

Beim Europaparteitag der Linken 2019 erklommen zwei Dutzend Genossen die Bühne, unter anderem die stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Heike Hänsel, sowie die Bundestagsabgeordneten Diether Dehm und Alexander Neu. Sie trugen Venezuela-Fahne und Transparente. Darauf unter anderem die Forderung: „Hände weg von Venezuela - vorwärts zum Sozialismus“. Die Solidaritätsaktion für die diktatorische Maduro-Regierung sorgte für großen Ärger in der Partei.

Solidarität mit Autokraten

Auf dem Parteitag 2018 wurde ein Passus in den Leitantrag aufgenommen, der sich unkritisch auf die gewaltsame Oktoberrevolution bezieht. „Die Oktoberrevolution war die erste siegreiche Revolution mit sozialistischer Orientierung, eine Alternative zum kapitalistischen System“, hieß es da. Der Parteivorstand stimmte gegen die Ergänzung, wurde aber überstimmt.

Die Politiker in den Reihen der Linkspartei, die Solidarität mit Autokraten einfordern oder mit Boykottforderungen gegenüber Israel provozieren, sind in der Minderheit. Doch sie sorgen regelmäßig für Ärger. Und sie sind auch nicht ganz ohne Einfluss. So wurde vor kurzem der Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt, der in den vergangenen Jahren etliche umstrittene außenpolitische Initiativen gestartet hat.

2015 reiste der Abgeordnete etwa in die Ost-Ukraine. Pro-russische Separatisten nutzten ihn dort für Propaganda, Hunko posierte mit ihnen. Die Botschaft der Ukraine kritisierte hinterher, „bei einer angeblich humanitären Aktion“ sei „Unterstützung für die Terroristen geäußert“ worden.

Dass Hunko so weit kommen konnte, liegt auch an den ungeklärten Kräfteverhältnissen in der Partei, die sich auch in der Bundestagsfraktion widerspiegeln. Dort haben sich der linke Flügel um Sahra Wagenknecht und die Ost-Reformer um Dietmar Bartsch zum „Hufeisen“-Bündnis zusammengeschlossen, um sich eine knappe Mehrheit gegen das dritte Lager, angeführt von Parteichefin Katja Kipping, zu sichern.

Abzug eines Brückenbauer

Manch einer hatte gehofft, dass die Dauerfehde zwischen Wagenknecht und Kipping mit dem Rückzug Wagenknechts von der Fraktionsspitze beendet sein würde. Doch die Gräben sind nach wie vor da, friedlicher geht es seitdem in der Bundestagsfraktion nicht wirklich zu.

Seit Jahren streitet die Linke außerdem darüber, ob die Partei Regierungsbeteiligungen anstreben oder sich stärker als Partner von sozialen Bewegungen auf der Straße verstehen sollte.  Die Kompromisse, die das Mitregieren im Bund erfordern würde, werden von einigen in der Partei als Verrat an den eigenen Idealen diskreditiert. Vor allem die Außenpolitik gilt als schwieriges Themenfeld. Vor kurzem kündigte ausgerechnet der Außenpolitiker Stefan Liebich seinen Rückzug aus dem Bundestag an, der in den vergangenen Jahren versucht hatte, den antiwestlichen und antiimperialistischen Tönen einiger Fraktionskollegen etwas entgegen zu setzen.

In den Reihen von SPD und Grünen beobachtet man deshalb Liebichs geplanten Abschied aus dem Bundestag mit gemischten Gefühlen - galt er doch als Brückenbauer, auf den die Befürworter eines Linksbündnisses bei SPD und Grünen setzten. Damit dieses im Bund überhaupt denkbar werden könne, brauche es aber in den Reihen der Linkspartei jemanden, der dies unbedingt wolle und auch gegen innerparteiliche Widerstände durchsetze, heißt es etwa bei den Grünen. Sowohl Fraktionschef Bartsch als auch seinem Vorgänger Gregor Gysi fehle aber dieser unbedingte Willen zum Regieren.

„Politisch eine Vollkatastrophe“

Besonders im Osten ist auch die DDR-Vergangenheit der Linkspartei immer wieder Thema. Die CDU begründet ihre Ablehnung einer Zusammenarbeit auch damit, dass die Linke die Nachfolgerin der SED sei und damit auch verantwortlich für das Unrecht in der DDR-Diktatur. Die Linke hat eine Historische Kommission eingesetzt, in der sie sich kritisch mit der DDR-Vergangenheit auseinandersetzt. Ob die DDR aber als „Unrechtsstaat“ zu bezeichnen ist, ist in der Partei höchst umstritten. Bodo Ramelow weigert sich etwa, ihn so zu bezeichnen, genauso wie übrigens die Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin der SPD in Mecklenburg-Vorpommern.

Bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen könnte letztlich auch das umstrittene Video mit der Erschießungs-Aussage den Druck auf die CDU-Abgeordneten nochmals erhöht haben, nicht für Ramelow zu stimmen. In der Partei dürfte es noch ein Nachspiel haben. Riexinger hat bisher offen gehalten, ob er auf dem Bundesparteitag im Juni in Erfurt erneut für das Amt des Parteichefs kandidiert. Er gibt zu, sich in seiner Reaktion auf die Wortmeldung in Kassel „zu flapsig“ ausgedrückt zu haben. Andere Parteifreunde formulieren schärfer: „Politisch eine Vollkatastrophe“, kommentiert etwa der linke Berliner Kultur-Senator Klaus Lederer. Die Reaktion seines Parteichefs hält er für „suboptimal“.

Bodo Ramelow bleibt auch nach einem Telefonat mit Riexinger bei seiner scharfen Kritik: „Auch unwidersprochene Ironie mit der Aussage, man wolle ,das eine Prozent‘ erschießen, ist für mich nicht akzeptabel!“ Kein Wunder, dass Riexinger eine geplante Fahrt zur Ministerpräsidentenwahl nach Thüringen kurzfristig absagte.

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