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Oppositionspolitiker Gergely Karacsony (44) ist der neue Bürgermeister von Budapest.

© Darko Vojinovic,pa,AP Photo

Ungarns Opposition: "Orban kann nicht mehr alleine den Ton angeben"

Bei den Kommunalwahlen in Budapest hat die Opposition ein Bündnis geschmiedet. Mit Erfolg: Gewählt wurde ihr Kandidat Gergely Karacsony.

Der grün-liberale ungarische Politiker Gergely Karacsony hat der Partei von Ministerpräsident Viktor Orban die erste empfindliche Niederlage seit langer Zeit beigefügt. Anfang November wurde Karacsony zum Bürgermeister der Hauptstadt Budapest gewählt. Das "Geheimnis" des Erfolgs: Er trat als gemeinsamer Kandidat aller Oppositionsparteien gegen die regierenden Rechtspopulisten an.

Herr Karacsony, Sie haben als Oppositionspolitiker im Oktober eines der wichtigsten politischen Mandate im Ungarn errungen und sind nun Bürgermeister von Budapest. Irgendwie müssen Sie jetzt auch mit der Orban-Regierung kooperieren, um Ihre Ziele zu erreichen. Wird das schwer?

Ich freue mich, dass das Wahlergebnis die Regierungspartei Fidesz zur Änderung ihrer Strategie zwingt. Sie kann nicht mehr alleine den Ton angeben und musste den Weg zu einer Kooperation zwischen Regierung und Hauptstadt öffnen. Ich möchte mich darum bemühen, dass wir eine für beide Seiten gute Zusammenarbeit entwickeln. Es gibt Investitionen der Regierung in die Hauptstadt, die wir unterstützen und bei denen wir uns sogar fachlich näher stehen, als der vorherige Bürgermeister. Problematisch sehe ich dagegen den öffentlichen Nahverkehr. Hier hat die Regierung eine Gesetzesänderung angekündigt und wir befürchten, dass sie die gesamte finanzielle Unterstützung für den Nahverkehr aus der Hauptstadt abziehen will.  

Welche Unterstützung erwarten Sie von der EU für die Umsetzung Ihrer Politik?

Wir erwarten, dass die Europäische Union ihre Finanzmechanismen überdenkt. Es sind doch die Kommunen, die die Ziele der EU am besten umsetzen können. Sehen Sie: Ungarn wird schwer kritisiert für die Veruntreuung von EU-Geldern und es läuft ein Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn. Die Gefahr besteht, dass die Vergabe von Geldern nach Ungarn ausgesetzt werden kann. Wir wollen aber nicht, dass ein ganzes Land für die Politik seiner Regierung bestraft wird. Stattdessen schlagen wir vor, dass die EU die Möglichkeiten für Kommunen vergrößert, direkt Anträge für EU-Gelder zu schreiben, egal ob die Bürgermeister der Regierungspartei oder der Opposition angehören.  Momentan gibt es leider nur sehr wenige direkte Finanzierungsquellen für Kommunen im Bereich Infrastruktur und Stadtentwicklung. Zum Beispiel  beim Klimaschutz wäre die Erweiterung der direkten Finanzierungsmechanismen eine wichtige Reform. Diese Gelder könnte Budapest in die Verbesserung der Luftqualität, in die Energieeffizienz und nachhaltigeren öffentlichen Nahverkehr investieren.

Als eine Ihrer ersten Amtshandlungen haben sie den Klimanotstand in Budapest ausgerufen. Was bedeutet das?

Zuerst ist es eine symbolische Entscheidung. Prognosen zeigen, dass der Klimawandel Budapest und Ungarn besonders stark treffen wird. Die Erderwärmung wird die Höchsttemperaturen in Budapest dauerhaft über die kritische Schwelle von 35 Grad bringen. Das bedeutet besonders für die ältere Bevölkerung riesige gesundheitliche Probleme. Auch die Kanalisation ist nicht für die großen plötzlichen Regenfälle ausgelegt, die wir in den letzten Jahren häufig in Budapest hatten. Deshalb ist eine durchdachte Klimapolitik besonders wichtig. Wir wollen mehr erneuerbare Energien nutzen und eine gute grüne Infrastruktur zur Anpassung an die heißen Temperaturen in der Stadt ausbauen.

Sie wurden dafür gelobt, weil Sie zum Besuch nach Berlin zum 30. Jahrestag des Mauerfalls mit dem Nachtzug angereist sind. Kann Berlin noch etwas von Budapest lernen?

Zur Zeit sehe ich eher das, was wir von Berlin lernen können. Der Berliner Senat hat sehr korrekte und mutige Schritte gegen die Wohnungskrise unternommen, die viele europäische Großstädte trifft. Auch die Verbindung von S-Bahn und U-Bahn haben für uns Modellcharakter in der Planung des öffentlichen Nahverkehrs.

Wie kann die deutsche Regierung Demokratie und Pluralismus in Ungarn unterstützen?

Deutschland ist in einem ambivalenten Verhältnis in seiner Beurteilung des Orbán-Regimes. Während die Regierung und Zivilgesellschaft kritisieren kritisiert, dass in Ungarn die Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verletzt werden, schafft die Regierung Orban für große deutsche Unternehmen ein ausgezeichnetes Wirtschaftsfeld. Deutsche Investoren bekommen besondere Steuervorteile. Das bringt die deutsche Politik in einen Zwiespalt. Ich würde mich freuen, wenn die deutsche Politik sich nicht den wirtschaftlichen Interessen sondern den politischen Werten verpflichtet fühlen würde.

Besonders deutsche Autobauer investieren in Ungarn. Bei denen scheint die Wirtschaftspolitik der Regierung besonders gut anzukommen. Und in den Städten mit Autowerken ist die Fidesz beliebt...

Kurzfristig bringt das den Städten natürlich gute Löhne für ungarische Verhältnisse. Aber langfristig ist es für Ungarn unvorteilhaft. Wir brauchen Investoren, die nicht wegen niedriger Löhne sondern wegen der guten Ausbildung nach Ungarn kommen. Auch für Europa ist diese internationale Arbeitsteilung zwischen den Zentrum- und Peripherie-Ländern der EU nicht vorteilhaft. Ich sehe die ungarischen Interessen nicht in einem Europa der Nationalstaaten, sondern in einem, das auf einheitlichen und solidarischen Säulen aufbaut. Das würde den Ländern in der Peripherie, wie Ungarn, ein größeres und diverses Wirtschaftswachstum sichern.

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