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Gegen Verkehrsminister Andreas Scheuer läuft eine Anzeige. Das könnte dem Pkw-Maut-Untersuchungsausschuss die Arbeit erschweren.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Unfreiwillige Hilfe für Verkehrsminister?: Anzeige von Linken-Politikern gegen Scheuer geht nach hinten los

Eine Strafanzeige von zwei Linken-Politikern gegen Scheuer könnte sich als Fehler entpuppen. Denn sie könnte dem U-Ausschuss zur Pkw-Maut die Arbeit erschweren.

Am Donnerstag wird die erste Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Pkw-Maut eröffnet. Die Abgeordneten werden einen groben Zeitplan für die Aufklärungsarbeit vereinbaren und beschließen, welche Ministerien und Behörden Akten vorlegen müssen. Neben den Ministerien für Verkehr, Wirtschaft, Finanzen und Justiz werden das Kanzleramt, der Bundesrechnungshof, das Kraftfahrt-Bundesamt und das Unternehmen Toll Collect liefern müssen. Das ergibt sich aus den Briefings der zuständigen Bundestagsabgeordneten von SPD, FDP, Linken und Grünen am Dienstag.

Die Obleute der Fraktionen in dem Ausschuss und Udo Schiefner (SPD), der Vorsitzende des Ausschusses, machten deutlich, dass sie unter Zeitdruck stehen. Bis Sommer 2020 müssen die Zeugenbefragungen abgeschlossen werden. Dann könnte nämlich das Schiedsverfahren zwischen dem Bundesverkehrsministerium und den beiden eigentlich geplanten Betreiberfirmen für die Pkw-Maut, Kapsch Trafficcom und CTS Eventim, beginnen.

Das Verfahren soll drei bis fünf Jahre dauern. Sobald es begonnen hat, könnten mehr Akten unter Verschluss gehalten werden und Zeugen die Aussage verweigern. „Das Verfahren wird die Arbeit erschweren“, sagte der Grünen-Obmann Stephan Kühn. Sein FDP-Amtskollege Christian Jung wies aber darauf hin, das Schiedsverfahren sei „kein Grund, Akten geheimzuhalten“.

Schiefner sagte, Probleme durch dieses Verfahren seien „nicht auszuschließen“. Das gelte auch für die Strafanzeige gegen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Im November hatten die beiden Linken-Abgeordneten Fabio De Masi und Victor Perli Scheuer bei der Staatsanwaltschaft Berlin angezeigt. Sie werfen ihm im Zusammenhang mit dem Abschluss der Verträge zu Betrieb und Kontrolle der Pkw-Maut Untreue vor.

Durch dieses Strafverfahren könnte Scheuer die Aussage im U-Ausschuss verweigern, mit der Begründung, er müsse sich ja nicht im Strafverfahren selbst belasten. Selbst in der Linken-Fraktion sind nicht alle überzeugt davon, dass die Anzeige klug war.

FDP, Linke und Grüne fordern Scheuers Rücktritt

Unabhängig davon, wie auskunftsfreudig Scheuer bei seiner Vernehmung sein wird – klar ist schon jetzt, dass er gegen Ende der Zeugenbefragungen vorgeladen wird. Die Abgeordneten wollen sich von der Arbeitsebene – auch im Verkehrsministerium – zu den politisch Verantwortlichen hocharbeiten. Außerdem berichtete der FDP-Mann Jung, die CSU habe darum gebeten, ihren Minister erst nach den bayrischen Kommunalwahlen am 15. März zu vernehmen.

Oliver Luksic, der verkehrspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, erzählte süffisant: „Bei der Union rollen sie die Augen über Scheuer. Seine Zukunft hängt an CSU-Chef Markus Söder. Und der hat sich auf dem Parteitag sehr zweideutig über Scheuer geäußert.“

Für FDP, Linke und Grüne ist schon jetzt klar, dass der Minister zurücktreten muss. Schiefner sagte zwar auch, es stünden „schwerwiegende Vorwürfe“ im Raum. Wenn er als Ausschussvorsitzender aber schon jetzt Scheuers Rücktritt fordern würde, hätte der ganze U-Ausschuss keinen Sinn. Der Grünen-Abgeordnete Kühn sagte dagegen: „Ein Minister mit Anstand wäre schon längst zurückgetreten. Aber in Zeiten von Trump & Co. tritt man ja nicht mehr zurück.“

Scheuer weist Rücktritts-Forderungen zurück

Scheuer wies Forderungen der Opposition nach einem Rücktritt zurück. Es gehe längst nicht mehr um die Sache, sondern um den Kopf. Die Forderungen „prasselten“ aber nicht an ihm ab. Der Minister wies Vorwürfe entschieden zurück. Nichts werde unter den Teppich gekehrt.

Stattdessen geht er kurz vor dem Beginn des Maut-Untersuchungsausschusses in die Offensive. Das Ministerium sei erfolgreich und werde weiter erfolgreich sein, sagte Scheuer am Mittwoch in Berlin. Er verwies auf höhere Investitionen in die Bahn, den Radverkehr oder in den Breitbandausbau. „Es geht mir um das Wohl der Menschen.“ Er wolle ab dem ersten Tag 2021 durchstarten. Deutschland brauche einen Modernisierungs- und Beschleunigungsschub.

Vorwurf: Scheuer habe EU-, Haushalts- und Vergaberecht gebrochen

Die Oppositionsparteien werfen Scheuer vor, dass er EU-Recht sowie Haushalts- und Vergaberecht gebrochen habe. Die Pkw-Maut war diskriminierend, weil sie ausländische Autofahrer einseitig belasten sollte, was ja folgerichtig vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) unterbunden wurde. Haushaltsrecht soll Scheuer gebrochen haben, weil er sich nicht im Haushaltsausschuss des Bundestages rückversichert hat, als die Zahl der Unternehmen, die sich um den Auftrag bewarben, von vier auf zwei gesunken ist.

Der Verstoß gegen Vergaberecht: Wenn man eine Vergabe maßgeblich ändert, wie es Scheuer getan hat, muss man das Verfahren neu starten. Wenn andere Unternehmen gewusst hätten, dass es wesentliche Änderungen gibt, hätten sie mitgeboten. Scheuer hatte auch während des Vergabeprozesses Geheimgespräche mit Kapsch und Eventim geführt, über die kein offizielles Protokoll angefertigt worden war. FDP-Mann Jung sagte: „Wenn ein kleiner Beamter das gemacht hätte, wäre er vom Hof gejagt worden.“

Der entscheidende Grund für einen Rücktritt werden voraussichtlich nicht die rund 500 Millionen Euro, die das Maut-Debakel den Steuerzahler kosten wird, sondern die Tatsache, dass der Minister nach Auffassung der Opposition den Bundestag belogen hat. Auf Nachfrage bestritt er, dass die beiden Betreiberfirmen angeboten hatten, den Vertrag erst nach dem EuGH-Urteil vom 18. Juni 2019 zu unterzeichnen. Das stellen die Unternehmen anders dar. Dazu werden sie demnächst im U-Ausschuss ausführlich befragt werden. (mit dpa)

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