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Erst prosten, dann starten? Alkohol am Steuer wird im Extremfall zur Entschuldigung.

© imago images/Ralph Peters

Unfall im Vollrausch: Und die Justiz drückt ihre Augen zu

Wer betrunken andere Menschen totfährt, kann vor Gericht auf Milde hoffen. Diese gnädige deutsche Rechtsprechung gehört dringend geändert. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Barbara John

Schuldunfähig bei Totschlag und Mord durch Vollrausch? Gibt’s das überhaupt? In Deutschland schon. Zwar juristisch immer wieder kontrovers diskutiert, aber mit Beschluss des Bundesgerichtshofs vom Juli 2017 (GSSt 317) letztlich doch als Ermessen zugelassen.

Zur Veranschaulichung ein aktueller Fall: Im Oktober 2019 verurteilt das Amtsgericht Würzburg einen 21-jährigen Angeklagten wegen „fahrlässigen Vollrauschs“ zu einer Geldstrafe von 5000 Euro und einem weiteren Jahr Führerscheinentzug. Er stand vor Gericht, weil er, gerade 18-jährig, auf einer Ortsstraße eine 20-jährige Frau mit solcher Wucht erfasst hatte, dass sie 13 Meter weit in ein Feld geschleudert wurde und an den Verletzungen starb. Doch dafür wurde der Angeklagte nicht verurteilt.

Mit seinen 2,9 Promille Alkohol im Blut galt er für die Tötung als schuldunfähig, begründet durch ein psychiatrisches Gutachten. Bestraft wurde lediglich der Rausch, verursacht durch hohen Alkoholkonsum (Paragraph 323a Strafgesetzbuch). Muss man sich da wundern, wenn betroffene Kraftfahrer dann und wann im Internet abfragen, ab welchem Pegelstand, Unzurechnungsfähigkeit gerichtlich attestiert wird?

In den USA ist Alkohol strafverschärfend

Es liegt auf der Hand, dass dieses und ähnliche Urteile empören und nicht zu verstehen sind; das gilt übrigens auch für Justizkreise. In den USA wirkt Alkohol am Steuer bei Unfällen immer strafverschärfend. Der Rauschzustand gilt als vorsätzlich herbeigeführt. Bei uns herrscht dagegen grundsätzlich eine Gleichsetzung von geisteskranken Menschen mit Volltrunkenen oder Junkies, wenn es um Schuldunfähigkeit geht. Doch wie kommt es, dass ein total unzurechnungsfähiger Volltrunkener sein Auto finden, es öffnen, starten und losfahren kann, im zitierten Fall später einem Sanitäter eine Ausrede auftischt für eine eigene Verletzung?

Bis heute sieht das Bundesministerium für Justiz keinen Grund, bei „selbstverschuldeten Bewusstseinsstörungen“ die Schuldunfähigkeit generell auszuschließen, wie es vor zwei Monaten im Bundesrat mitteilte. In wessen Namen? Im Namen des Volkes sicher nicht.

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