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Thüringen-Politiker Mike Mohring (CDU, links) und Bodo Ramelow (Linke) am Wahlabend.

© Imago/Jacob Schröter

Update

Und sie sprechen doch: Kommt in Thüringen jetzt die ProKo?

Linke und CDU gehen in Thüringen aufeinander zu. Ministerpräsident Ramelow sagt: „Projektorientierte Regierungsarbeit heißt das Zauberwort.“

Von Matthias Meisner

Kurz nach der Grundsatzeinigung auf eine künftige rot-rot-grüne Minderheitsregierung in Thüringen loten Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und CDU-Landesparteichef Mike Mohring mögliche Formen einer losen Kooperation aus. Auf Einladung von Altbundespräsident Joachim Gauck trafen sich beide Politiker am Sonntagabend, wie sie anschließend auf Twitter mitteilten. Ramelow sprach von einem "offenen Gedankenaustausch über Demokratiefragen". Ort und Zeit der Begegnung waren zuvor geheim gehalten worden.

Der Linken-Politiker, der seit 2014 im Amt ist, erläuterte dem Tagesspiegel dazu am Montag: "Projektorientierte Regierungsarbeit heißt das Zauberwort, um neue Wege und neue Formen auszuloten." Einzelheiten müssten die Parteien regeln. "Mein Angebot als Ministerpräsident ist, dass ich im Rahmen von zu definierenden Projekten die Regierungsarbeit gerne auch unter Einbeziehung der CDU und der FDP so organisieren möchte, dass Dinge der Veränderung eine Chance haben und sich die Parteien bei dem Prozess auch wiederfinden."

Was genau an Zusammenarbeit denkbar ist, blieb nach dem Treffen zunächst weitgehend unklar. Seit der Landtagswahl am 27. Oktober hat die bisherige rot-rot-grüne Landesregierung keine Mehrheit mehr. Entsprechend den Vorgaben der Bundes-CDU schließt die Landes-CDU eine formelle Kooperation mit der Linkspartei aus - ebenso wie mit der AfD. Eine formelle Koalition mit der Linken kann sich Mohring offenbar nicht vorstellen, wohl aber eine projektgebundene Verständigung im Rahmen der Debatten im Landtag.

Mohring: "Aushandlungsprozesse nur im Parlament"

Mohring schrieb am Sonntagabend auf Twitter, er und Ramelow hätten auf Einladung des früheren Präsidenten "über die Herausforderungen in unserem Land gesprochen". Er finde es "richtig, wenn der Ministerpräsident zu Gesprächen über wichtige Projekte einlädt, die für Thüringen wichtig sind". Am Montag kündigte Mohring vor einem Treffen von Linke, CDU, SPD, Grünen und FDP an, er wolle eine Ideenliste für mögliche gemeinsame Projekte vorlegen. "Wenn die Einladung steht, komme ich mit einer Ideenliste für Projekte, die für das Land wichtig sind, in das Gespräch", sagte er. Danach müsse man schauen, wie sich die Gespräche entwickeln.

Mohring bezog sich positiv auf die so genannte "Projektregierung", die Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) für Thüringen vorgeschlagen hatte. Es gebe die Chance, auf der Basis der Idee von Althaus ein "Thüringer Modell" zu entwickeln, "das ausschließlich auf die Situation im Freistaat bezogen ist", sagte er dem Tagesspiegel. Er hob hervor, seine Partei sehe dabei das Parlament gestärkt, "weil dort künftig die Aushandlungsprozesse stattfinden". Bei den Sachdebatten müssten die Unterschiedlichkeiten betont werden, die Dinge dürften nicht eingeebnet werden. Sowohl CDU als auch FDP wollten "konstruktiv, unvoreingenommen und gesprächsfähig sein".

Außerhalb des parlamentarischen Raums bedürfe es keiner weiteren institutionellen Zusammenkünfte, betonte Mohring. Das deutet darauf hin, dass sich der thüringische CDU-Chef nicht vorhalten lassen will, dass er quasi als Pilotprojekt den Weg zu einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei ebnet. Klar sei auch: "Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir einer abgewählten rot-rot-grünen Landesregierung nicht zu einer Mehrheit verhelfen. Das gilt auch danach. Wir sind angetreten, um Rot-Rot-Grün als großes ideologisches Projekt zu beenden."

Linke: Grundlage ist die Minderheitsregierung

Die Landesvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sagte am Montag dem Tagesspiegel: "Bodo Ramelow versucht auf der Grundlage einer Minderheitsregierung von Rot-Rot-Grün für stabile Verhältnisse mit den anderen demokratischen Parteien zu sorgen. Gespräche dazu sind also klug und richtig." Es sei jetzt an der CDU und an ihrem Partei- und Fraktionschef Mohring, sich "über die Rolle, die sie in Thüringen wahrnehmen wollen, klar zu werden".

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In der Landes-CDU gibt es große Uneinigkeit über das Verhältnis zu einer von der Linkspartei geführten rot-rot-grünen Minderheitsregierung. Mehrere thüringische CDU-Kommunalpolitiker hatten auch Gespräche mit der AfD über eine Regierungsbildung gefordert. Andere - beispielsweise der Landrat des Eichsfeldkreises, Werner Henning - hatten für eine Kooperation von CDU und Linkspartei plädiert. "Ob Koalition oder Tolerierung – wichtig scheint mir eine möglichst feste inhaltliche Vereinbarung", sagte er kurz vor Weihnachten. Das Eichsfeld ist eine CDU-Hochburg im Freistaat.

Am Montag ergänzte Henning auf Tagesspiegel-Anfrage, er freue sich über die "guten Töne", die bisher von beiden Seiten - also CDU und Linkspartei - zu vernehmen gewesen seien. "Das Land braucht verlässliche Rahmenbedingungen, die geeignet sind, die Verantwortung der gesamten Landesebene gegenüber Thüringen messbar ins Werk zu setzen." Der CDU-Politiker warb für einen solchen "unkonventionellen Umgang", der "einen großen Beitrag hin zu mehr Offenheit und Freiheit darstellen" könne.

Warnungen aus dem ultrarechten Flügel der CDU

Die aus Thüringen stammende frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld hingegen sprach vor wenigen Tagen von einer "kernkonservativen Mehrheit" aus AfD, CDU und FDP in Thüringen. Die ehemalige Politikerin, die inzwischen im rechtspopulistischen Milieu unterwegs ist, schrieb in ihrem Blog: "Eine Tolerierung eines von der Linkspartei geführten Connewitz-Linksblocks in Thüringen gegen die klare Wahlentscheidung der Thüringer Bürgerschaft wäre der letzte verzweifelte Versuch an der längst abgelaufenen Merkel-Ära festzuhalten und wäre schlecht für Thüringen und verheerend für die Union."

Auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, der sich inzwischen für die "Werte-Union" am rechten Rand der Union engagiert, warnte davor, dass die CDU der "sozialistischen Regierung" von Ramelow die Steigbügel hält.

Die Vermittlerrolle von Gauck bei der schwierigen Regierungsbildung hatte Thüringens Ex-Ministerpräsident Althaus (CDU) angeregt. Er hatte vergangene Woche die "Projektregierung" ins Gespräch gebracht. Eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit von Linken und CDU wäre auf Landesebene ein Novum - es ist zu vermuten, dass sie im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin kritisch beäugt würde. Beide Parteien trennt traditionell ein tiefer programmatischer Graben. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer erinnerte ihre Thüringer Parteifreunde am Montag daran, dass sie eine Abweichung von der Haltung der Bundespartei nicht hinnehmen möchte. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte sie: "Wir haben einen ganz klaren Parteitagsbeschluss, der gilt. Den kennen auch die Thüringer."

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