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Minister Gabriel hat Abstand genommen von den UN-Verhandlungen über Atomwaffenverbote.

© Reuters

UN-Verhandlungen: Deutschland drückt sich vor einem Atomwaffenverbot

Die UN verhandeln ab diesem Donnerstag über verbindliche Verbote für Atomwaffen, aber ohne Außenminister Gabriel - schließlich stehen in Deutschland weiterhin Atomwaffen. Ein Gastbeitrag.

Ab diesem Donnerstag verhandeln mehr als 130 von 193 UN-Mitgliedstaaten in New York über ein rechtlich verbindliches Atomwaffenverbot. Die Bundesregierung ignoriert die Verhandlungen. Zum ersten Mal weigert sich Deutschland, an multilateralen Abrüstungsverhandlungen teilzunehmen. Und dies, obwohl die Regierung sich in zahlreichen öffentlichen Erklärungen und Reden zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekannt hat.

Friedensorganisationen sehen in den UN-Gesprächen einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt. Laut einem ersten offiziellen Entwurf würden sich die Unterzeichnerstaaten verpflichten, unter keinen Umständen Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, anderweitig zu beschaffen, zu besitzen oder zu lagern. Mit den Verhandlungen in New York vollzieht sich ein Paradigmenwechsel in der globalen Sicherheitspolitik. Die Mehrheit der Weltgemeinschaft erhebt erstmals die Stimme gegen nukleare Abschreckung und damit auch gegen die Atomwaffenmächte, denn die sind ihrer im Atomwaffensperrvertrag verankerten Verpflichtung zur Abschaffung der Atomwaffen bisher nicht nachgekommen.

Außenminister Sigmar Gabriel hält die New Yorker Verhandlungen für den falschen Weg. Zwar sei es gut und richtig, dass die UN eine atomwaffenfreie Welt anstrebten, doch die Verhandlungen würden wenig Sinn machen, weil die Atomwaffenstaaten nicht daran teilnehmen, erklärte er. Dieses Argument überzeugt jedoch nicht. Ein Atomwaffenverbot wirkt auch dann, wenn die Atomwaffenstaaten sich nicht beteiligen. Endlich wären alle Waffen verboten, die unterschiedslos Menschen töten und darauf abzielen, katastrophalen Schaden anzurichten. Atomwaffen würde die Legitimität abgesprochen. Sie stünden auf der gleichen rechtlichen Stufe wie Bio- und Chemiewaffen, die bereits verboten sind.

Deutschland will sich die "nukleare Teilhabe" nicht verbauen

Der Boykott der Verhandlungen spricht eher dafür, dass die Bundesregierung sich die Option der „nuklearen Teilhabe“ aufrechterhalten will. Dies hat Sigmar Gabriel am Wochenende auch zugegeben. Er erklärte, es sei nicht sehr ehrlich, die Verhandlungen der Vereinten Nationen zu begrüßen, selbst aber innerhalb der Nato aus Sorge vor Russlands Atomwaffen das nukleare Gleichgewicht zu befürworten.

Die Luftaufnahme von 2008 zeigt den Fliegerhorst Büchel mit dem angrenzenden Depotgelände, in dem die US-Atomsprengköpfe lagern sollen.
Die Luftaufnahme von 2008 zeigt den Fliegerhorst Büchel mit dem angrenzenden Depotgelände, in dem die US-Atomsprengköpfe lagern sollen.

© picture alliance / dpa

Die US-Atomwaffen vom Luftwaffenstützpunkt Büchel müssten abgezogen werden, bevor Deutschland einen Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen könnte. Statt ihre Atomwaffen abzuziehen, wollen die USA hier eine völlig neue Generation von Atomwaffen stationieren: die B61-12-Atombomben. Die neue Bombe soll von einer „dummen“, frei fallenden Waffe zu einer „smarten“ Lenkwaffe umgebaut werden. Damit sinkt die Hemmschwelle für einen Einsatz.

Die große Mehrheit der Deutschen wünscht sich von der Bundesregierung etwas anderes. Drei von vier angefragten Personen möchten einer neuen repräsentativen Umfrage zufolge, dass sich Deutschland an den internationalen Verhandlungen über ein Verbot der Massenvernichtungswaffen beteiligt. 75 Prozent fordern die Teilnahme an den Verhandlungen, nur zwölf Prozent sind dagegen. Die Bundesregierung handelt also gegen den Willen der Bevölkerung. Die Opposition forderte bereits die Teilnahme der Bundesregierung an den Gesprächen.

Mehrere Nichtregierungsorganisationen haben in einem offenen Brief an Außenminister Gabriel appelliert: „Um der außenpolitischen Verantwortung Deutschlands und dem Ziel einer friedlichen und gerechten Weltordnung nachzukommen, darf die Bundesregierung die Teilnahme an multilateralen Abrüstungsverhandlungen nicht scheuen.“ Durch die Teilnahme an den UN-Verhandlungen könnte Deutschland ein Zeichen gegen die weltweiten nuklearen Aufrüstungstendenzen und das gefährliche geopolitische Konkurrenzgebaren der Großmächte setzen.

Die Autorin ist Abrüstungsexpertin der IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) und Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen).

Xanthe Hall

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