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Samantha Power, UN-Botschafterin der USA, wählte am Mittwoch deutliche Worte gegen Syrien und Russland.

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Update

UN-Sondersitzung zu Syrien: "Können Sie wirklich keine Scham fühlen?"

Harsche Worte und ein bizarrer Auftritt des syrischen Botschafters mit einem gefälschten Foto: Die Sondersitzung des Sicherheitsrates zu Aleppo geriet zum Schlagabtausch der Weltmächte.

Es war ein denkwürdiges Schauspiel, das sich am Dienstagabend im New Yorker Hauptquartier der Vereinten Nationen zutrug. Vor den Augen der Welt diskutierten in New York die Mitglieder des Sicherheitsrates über das, was gerade 9000 Kilometer weiter östlich, in der syrischen Stadt Aleppo geschah. Um was es genau ging, fasst der britische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Matthew Rycroft, zusammen: "Das Regime von Assad hat auf ein neues, mit der Hilfe von Russland und Iran, den Horror neu definiert", sagte er.

Die Regimekräfte seien von der bloßen Belagerung Aleppos mittlerweile zur "Schlachtung" der Menschen dort übergegangen: "Den UN liegen Berichte vor, wonach Regierungstruppen in Aleppo von Tür zu Tür laufen und wahllos Menschen hinrichten. 82 Menschen wurden bislang getötet, 13 davon waren Frauen, elf Kinder und keiner davon ein Terrorist. Wir haben Berichte von Frauen gehört, die lieber den Freitod gewählt haben, als sich vergewaltigen zu lassen. Wir haben Berichte über Menschen gehört, die lebendig verbrannt wurden. Wir haben Berichte gehört, wonach hunderte Männer verschwunden sind - vom Regime entführt."

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Ebenso deutlich wurde die amerikanische Vertreterin bei den UN, Samantha Powers: Syrien und seine Verbündeten Russland und Iran seien für einen „kompletten Kollaps der Menschlichkeit“ in Aleppo verantwortlich. Die drei Länder stünden hinter „der Eroberung und dem Blutbad in Aleppo“ und seien für die in der Stadt verübten Gräueltaten verantwortlich, mahnte Powers. Zudem zeigten sie keinerlei Gnade für die Zivilisten.

"Können sie wirklich keine Scham fühlen? Gibt es wirklich nichts, was sie beschämt?“, fragte Power. „Gibt es keinen barbarischen Akt, keine Hinrichtung eines Kindes, die unter Ihre Haut geht, die Sie auch nur ein bisschen gruselt? Gibt es nichts, worüber Sie nicht lügen oder das sie nicht rechtfertigen?“

Die russische Entgegnung folgte auf dem Fuß - und fiel sarkastisch aus. Vitaly Churkin, Powers russischer Kollege, sagte, sie solle sich nicht aufführen wie "Mutter Teresa". Stattdessen solle sie darüber nachdenken, welches Land sie repräsentiere und nicht aus einer Position der "moralischen Überlegenheit" argumentieren, giftete Churkin.

Mindestens ebenso giftig fiel dann auch die Entgegnung des syrischen UN-Vertreters Bashar Jaafari aus. "Wenn ich die Botschafterin der Vereinigten Staaten richtig verstanden habe, ist die syrische Regierung schuld an einem Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Zumindest in ihren Augen. Entschuldigung, aber wenn das so ist, dann müssen die USA ähnliche Verbrechen in Palästina, Irak, Libyen, Vietnam, Ruanda, Nicaragua, Venezuela oder dem früheren Jugoslawien begangen haben. Meine Regierung ist unschuldig, was diese Verbrechen angeht.

Von Leo Tolstoi stamme der Satz, dass, wer über andere urteilen wolle, zunächst über sich selbst urteilen solle, sagte Jaafari. "Das passt gut auf die Situation heute, denke ich." Dieser Ausflug in die russische Literaturgeschichte blieb nicht der einzige bizarre Moment seines Auftritts. Nachdem Jaafari den UN vorgeworfen hatte, die Vorwürfe gegen sein Land basierten auf falschen Informationen, legte er seinerseits vermeintlich "richtige Informationen" über die aktuellen Geschehnisse vor Ort vor. Diese allerdings waren in der Tat falsch, wie sich kurz darauf belegen ließ. Das Bild eines angeblichen Regimesoldaten etwa, der einer Frau seinen Rücken als Treppenstufe anbietet und für Jaafari ein Beleg der Humanität des syrischen Vorgehens sein sollte, stammt gar nicht aus Aleppo, sondern aus dem Irak. "Ich habe noch eine Menge anderer Fotos dieser Art, aber ich weiß, dass die Zeit eilt", sagte Jaafari. Was die syrische Armee in Aleppo mache, sei letztlich nichts anderes als das, was die Sicherheitskräfte nach den Terroranschlägen von Paris, London oder in Boston getan hätten. Einen Bericht zu dem angeblichen Beweis-Foto lesen Sie hier.

Syriens UN-Vertreter Bashar Jaafari zeigt ein Foto irakischer Milizen aus Falludscha als angeblichen Beleg für die Humanität der syrischen Armee in Aleppo.
Syriens UN-Vertreter Bashar Jaafari zeigt ein Foto irakischer Milizen aus Falludscha als angeblichen Beleg für die Humanität der syrischen Armee in Aleppo.

© Youtube

Immerhin, zumindest aus Peking mussten weder Russen noch Syrer Vorwürfe fürchten. Zwar zeigte sich auch Chinas Botschafter Liu Jieyi über die Geschehnisse im Nahen Osten besorgt. Seine Kritik wusste er indes gut in endlosen, floskelgespickten Sätzen zu verstecken. Beispiel: "Wie sich die Dinge in Hinsicht auf Syrien entwickelt haben, hängt von einem Wechselspiel verschiedener Faktoren ab, die ihrerseits multiple Dimension besitzen. Die internationale Gemeinschaft muss ernsthaft über die Gründe nachdenken, die der aktuellen Situation zugrunde liegen - und anschließend integrierende Maßnahmen ergreifen, um eine umfassende, faire und geeignete Lösung zu finden."

Letztendlich sollte es dabei am Dienstagabend allerdings bleiben - bei einigen kritischen Anmerkungen aus Washington und London sowie Rechtfertigungsversuchen aus Moskau und Damaskus. Ein Beschluss fiel an diesem Abend nicht. Und dementsprechend selbstkritisch zeigte sich letztlich dann auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. „Wir alle haben die Menschen in Syrien bislang kollektiv hängenlassen“, sagte er.

Spricht von einem Versagen der UN: Generalsekretär Ban Ki-moon.
Spricht von einem Versagen der UN: Generalsekretär Ban Ki-moon.

© imago/Xinhua

Russe Churkin sah das indes anders. Als er sich direkt im Anschluss an die Sitzung den Fragen der Presse stellte, war er überzeugt: "Der Frieden in Aleppo ist nun wieder hergestellt."

In einer früheren Version des Textes war noch nicht bekannt, dass Syriens UN-Botschafter mit einem falschen Foto argumentierte. Der Artikel wurde entsprechend aktualisiert.

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