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Alleingelassen. Viele Kinder kamen mit dem Homescooling in der Coronakrise nicht klar.

© Julian Stratenschulte/dpa

Umfrage unter Ärzten in der Coronakrise: Eltern bitten häufiger um Psycho-Medikamente für ihre Kinder

Pillen fürs Homeschooling? Jeder achte Kinderarzt berichtet, dass Eltern seit der Coronakrise öfter um Medikamente gegen Verhaltensauffälligkeiten bitten.

Die Probleme mit privater Betreuung und Homeschooling in der Coronakrise haben offenbar auch zu einer höheren Nachfrage nach ruhigstellenden Arzneimitteln für Kinder geführt. Einer aktuellen Umfrage unter Kinderärzten zufolge berichtete jeder achte Pädiater, dass Eltern seither häufiger von sich aus um Medikamente für ihre Kinder zur Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Problemen bäten.

Besonders Praxen in sozial schwächeren Gebieten registrierten solche Anfragen. Für die Studie „Homeschooling und Gesundheit 2020“ der pronova BKK wurden 150 niedergelassene Kinderärzte befragt wurden.

Das größte Problem für Familien in der Coronakrise war aus ihrer Sicht die Überforderung der Eltern in Folge der Doppelbelastung durch Arbeit und Betreuung. Und die Kinder hätten stark unter Kontaktbeschränkungen, dem Fehlen von Strukturen und mangelndem körperlichen Ausgleich gelitten, so das Resümee. 85 Prozent der Kinderärzte sagten, ihre jungen Patienten hätten vor allem ihre Freunde vermisst.

80 Prozent stellten fest, dass den Kindern feste Gruppen wie in Kita, Klasse oder Sportverein fehlten. 60 Prozent der Pädiater bemängelten, dass der Nachwuchs während des Lockdowns zu wenig Sport gemacht habe.

„Kinder wurden zu häufig allein gelassen“

Auch die Probleme, die während der Schul- und Kitaschließungen beim Homeschooling auftraten, erreichten die Kinderarztpraxen. Neun von zehn Ärzten berichteten von überforderten Eltern, die monatelang neben ihrer Arbeit ihre Kinder betreuen und bei Schulaufgaben unterstützen mussten. Sieben von zehn Ärzte sahen die Schwierigkeit, mehreren Kindern gerecht zu werden, als Teil dieser Überforderung. Und ebenso viele Mediziner beschrieben den fehlenden Kontakt ihrer Schützlinge zu Lehrkräften als Problem. 

„Kinder wurden zu häufig allein gelassen“, bilanzierte Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. „Eltern konnten die schulischen Umstellungen nicht immer auffangen, selbst wenn sie es versucht haben.“ Und die Kinder hätten ihre Lerngruppen ebenso vermisst wie den Kontakt zu Mitschülern. Infolgedessen hätten sie zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbracht und sich auch zu wenig bewegt, stellte mehr als die Hälfte der Mediziner fest.

Der wichtigste Ratschlag der Ärzte an die Eltern, um im Homeschooling zu bestehen, lautet: Alltagsstrukturen schaffen. Das sagen drei Viertel der Pädiater.

In Homeschooling-Phasen könne etwa ein Familien-Stundenplan helfen. „Dann sehen die Kinder, wann gearbeitet, gegessen oder gespielt wird“, so Fischbach. Eine wichtige Rolle spielten zudem klare Regeln bei der Mediennutzung. „Zu wenig regulierter Medienkonsum war aus kinderärztlicher Sicht schon vor der Corona-Krise ein Problem. Das hat sich im Shutdown nicht entschärft, im Gegenteil.“ 

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