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Reformen nach Gutdünken: PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski bei einer Pressekonferenz in Warschau.

© Reuters/Agencja Gazeta/Slawomir Kaminski

Umbau der Justiz: Polen geht Europa verloren

Die PiS-Regierung in Polen baut das Justizsystem um, mit neuen Gesetzen schafft sie den Rechtsstaat ab. Und die EU? Sieht zu. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ronja Ringelstein

Das Entsetzen schwingt in jeder Zeile mit. Fünf ehemalige Präsidenten des polnischen Verfassungsgerichts veröffentlichten am Donnerstag einen Beitrag auf Verfassungsblog.de, der die düstere Zukunft Polens beschreibt, nun da die PiS-Regierung im Begriff sei, die gesamte Justiz unter ihre Kontrolle zu bringen: „Ohne eine unabhängige Justiz kann kein Rechtsstaat existieren.“

In den Augen der ehemals hohen Richter scheint Polen für den Rechtsstaat verloren. Was bedeutet: Dann ist Polen für die EU verloren. Es mischen sich Empörung mit Hilflosigkeit angesichts dieser Abkehr von den „Grundwerten Europas“, von den Grundsätzen, auf denen die EU-Mitgliedschaft fußt.

Eine Rückkehr zum Recht scheint immer unmöglicher

Polen entfernt sich nicht erst seit Kurzem von Europa, doch die jetzt geplanten Umformungen der Justiz sind so ungeheuerlich, dass eine Rückkehr ins rechte Maß inzwischen unmöglich erscheint. Die von Jaroslaw Kaczynski geführte Partei „Recht und Gerechtigkeit“ PiS, die im Parlament die absolute Mehrheit hat, nimmt sich nach Gleichschaltung der Geheimdienste und des Verfassungsgerichts nun die restlichen Gerichte im Land vor.

Am Mittwoch wurde im Sejm ein Gesetz verabschiedet, mit dem das Parlament – praktisch also die PiS – über die Besetzung von Richterposten entscheiden kann. Das Gesetz muss noch durch den Senat. Doch auch hier hat die PiS die Mehrheit. Auch das Oberste Gericht soll einer Reform zum Opfer fallen. In seiner Kompetenz liegt die Überprüfung von Wahlergebnissen. Sollte dieses Gesetz auch verabschiedet werden, dürften die Richter dort sofort entlassen werden – die neuen ernennt dann direkt der Justizminister. Die Opposition tobt, spricht von einem Weg in die Diktatur.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), twitterte, die polnische Regierung habe „die rote Linie der Rechtsstaatlichkeit übertreten“ und fordert EU-Kommission und EU-Staaten auf, zu reagieren. Doch was tun? Es gäbe Möglichkeiten. Aber die verlangen Einigkeit.

Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

Nach der Aushebelung des Verfassungsgerichts hatte die EU den Dialog mit Warschau begonnen und ein „Rechtsstaatsverfahren“ eingeleitet, das sogar die Möglichkeit vorsieht, Stimmrechte im Europäischen Rat zu entziehen. Derzeit ist es ein zahnloser Tiger: Die hierfür nötige Einstimmigkeit würde am angekündigten Veto Ungarns scheitern. Es bleiben öffentliche Rügen, Empfehlungen wegen „eindeutiger Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte“, vielleicht sogar Geldstrafen. Doch all das kann nicht darüber hinwegtäuschen: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg.

Polen, der Nachbar, war seit EU-Gründung vielleicht nie so weit weg wie jetzt.

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