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Das Brandenburger Tor wurde kürzlich in den Farben der ukrainischen Flagge angestrahlt.

© dpa/Christophe Gateau

Ukrainische Abgeordnete in Berlin: „Deutschland verschwendet Zeit und findet alle möglichen Ausreden“

Abgeordnete aus Kiew fordern von der Bundesregierung die schnellere Lieferung von Waffen – und eine europäische Perspektive für ihr Land.

Hanna Hopko hat eine Frage an die Deutschen. „Helft ihr uns zu gewinnen, oder helft ihr uns nur, nicht zusammenzubrechen?“ Die ukrainische Politikerin und Aktivistin ist gemeinsam mit einer Gruppe von Abgeordneten aus ihrem Land und mehreren EU-Staaten nach Berlin gekommen, um angesichts des russischen Angriffskriegs für mehr Unterstützung der Ukraine zu werben. „Wir brauchen mehr Waffen und schnellere Lieferungen.“

Wenn Deutschland und Frankreich aus der Europäischen Union wirklich einen geopolitischen Player machen wollten, dann sei es in ihrem Interesse, der Ukraine zu helfen, den Krieg zu gewinnen.

Im politischen Berlin ist Hopko keine Unbekannte. Sie gehörte zu den Führungsfiguren der Revolution auf dem Maidan 2013 und 2014. Die Proteste waren dadurch ausgelöst worden, dass der damalige Präsident Viktor Janukowitsch sich geweigert hatte, ein fertig verhandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen. Nach dem Machtwechsel in Kiew 2014 machte Hopko gemeinsam mit anderen Vertretern der Zivilgesellschaft Druck auf die neue Regierung, damit die nötigen Reformen rasch umgesetzt werden.

Später ging sie selbst in die Politik, wurde in das ukrainische Parlament, die Rada, gewählt und übernahm den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses in Kiew. Heute sitzt sie zwar nicht mehr im Parlament, ist aber auf die internationale Bühne zurückgekehrt, um auf diese Weise für ihr Land zu kämpfen.

Netzwerk von Abgeordneten aus mehreren Ländern setzt sich für die Ukraine ein

Mit dabei sind in Berlin mehrere Abgeordnete aus der Ukraine, aber auch der frühere Regierungschef Litauens, Andrius Kubilius, der tschechische Senator Pavel Fischer sowie die deutschen Europa-Abgeordneten Sergey Lagodinsky (Grüne) und Michael Gahler (CDU). Sie haben sich in dem Netzwerk „United for Ukraine“ zusammengeschlossen und wollen nun in mehreren europäischen Hauptstädten erklären, wie dringlich aus Ihrer Sicht die Hilfe für die Ukraine ist.

„Die Zukunft Europas und die Sicherheit Europas entscheiden sich heute in der Ukraine“, sagt Fischer, der im tschechischen Senat den Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung leitet. In Berlin hatte die Gruppe Termine im Kanzleramt, im Auswärtigen Amt und mit Bundestagsabgeordneten.

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Die ehemalige Vize-Regierungschefin in Kiew, Ivanna Klympush, lobt das Votum des Bundestages, die Ukraine auch mit schweren Waffen zu unterstützen. „Aber drei Wochen später gibt es noch keine Lieferung schwerer Waffen aus Deutschland.“ Jede Stunde Verzögerung koste Menschenleben.

Klympush, die in der Rada den Ausschuss für europäische Integration leitet, verweist darauf, dass Länder wie Tschechien, Litauen, Großbritannien und die USA bereits schwere Waffen in die Ukraine geschickt hätten. „Deutschland verschwendet leider Zeit und findet alle möglichen Ausreden“, warum beispielsweise Marder-Schützenpanzer nicht geliefert werden könnten.

Auch Litauens Ex-Premier Kubilius sieht die Rolle der Bundesregierung kritisch: „Deutschland bleibt immer noch hinter dem zurück, was gebraucht wird.“ Die Gefahr sei, „dass man so lange wartet, bis man gar nichts mehr tun muss“, sagt der ukrainische Abgeordnete Dmytro Natalukha. Deutschland und Frankreich sollten zudem keinen Druck auf die Ukraine ausüben, einem schnellen Waffenstillstand zuzustimmen.

Deutschland will erste schwere Waffen im Juli liefern

Mitte Juli soll die Ukraine die ersten 15 Gepard-Flugabwehrpanzer erhalten, die aus Beständen der deutschen Industrie kommen. Allerdings stehen bisher nur 59.000 Schuss Munition zur Verfügung, was angesichts der Tatsache, dass der Gepard bis zu 1100 Schuss pro Minute abfeuern kann, sehr wenig ist.

Bereits zugesagt hat die Ampel-Regierung außerdem, dass die Bundeswehr der Ukraine sieben Panzerhaubitzen 2000 zur Verfügung stellt. Derzeit werden ukrainische Soldaten in Deutschland an den Haubitzen ausgebildet.

Neben dem Thema Waffenlieferungen hat die internationale Delegation noch ein Anliegen mit nach Berlin gebracht: „Es ist wichtig, dass die Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten bekommt“, sagt Hopko. Dies müsse noch während der französischen Ratspräsidentschaft, also bis Ende Juni, passieren. Für die Ukraine hat dieser Schritt eine große symbolische Bedeutung. 93 Prozent der Ukrainer befürworteten die europäische Integration ihres Landes, sagt Klympush.

Wichtig sei, dass der Ukraine nicht „irgendein Ersatz“ angeboten würde, betont sie mit Blick auf Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, wonach eine neue Konstruktion, eine „europäische politische Gemeinschaft“, für die Ukraine und andere Staaten geschaffen werden könne. „Wir wissen, dass wir noch viele Reformen vor uns haben“, sagt die Abgeordnete. „Aber wir brauchen einen Hoffnungsschimmer.“

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