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Ein prorussischer Separatist an der Absturzstelle von MH-17

© Reuters

Ukraine-Konflikt: Der Abschuss von MH17 - eine neue Dimension

Die Flugzeugkatastrophe in der Ukraine hat den Konflikt noch einmal verschärft. Kiew reagiert verhalten auf Lösungsvorschläge – die Regierung setzt auf die USA.

Nach dem mutmaßlichen Abschuss der Passagiermaschine MH17 der Malaysia Airlines mit 298 Toten wird die internationale Gemeinschaft immer stärker in den Konflikt in der Ostukraine involviert. Intensiv wird über Möglichkeiten diskutiert, wie die Absturzursache geklärt und die Krise zwischen Russland und der Ukraine beigelegt werden kann. Aus Deutschland kam am Samstag der Vorschlag, UN-Blauhelmtruppen zu entsenden, aus den USA werden Stimmen lauter, die einen robusten Militäreinsatz fordern.
Die Führung der Ukraine will über all diese Vorschläge erst einmal nachdenken. Die Kiewer Regierung ist sich nicht einig, welcher Weg eingeschlagen werden soll. Vor allem der neue Außenminister Pawel Klimkin ist derzeit noch gegen den Einsatz ausländischer Truppen. Im Moment sei diese Frage nicht aktuell, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Interfax. Regierungschef Arsenij Jazenjuk wünscht sich eine stärkere Rolle der USA in dem Konflikt. US-Senator John McCain sagte dem Sender NBC: „Putin hat persönliche Schuld an der Katastrophe der Boeing 777 der Malaysia Airlines.“ Der russische Präsident Wladimir Putin unterstütze die Separatisten seit Monaten mit Militärhilfe, der Abschuss eines Zivilflugzeuges sei nun die Quittung für alle, die dem tatenlos zusähen. Der EU warf der Republikaner vor, nicht die dritte Stufe der Wirtschaftssanktionen gegen Russland in Kraft zu setzen. McCain wiederholte seine Forderung, wonach die USA Waffen jeder Gattung an die ukrainische Regierung liefern solle, „um einen besseren Kampf gegen die Separatisten zu beginnen“. Es könne nicht sein, „dass wir uns weigern, den Ukrainern zu ihrem eigenen Schutz taugliche Waffen in die Hände zu geben, Putin aber zur gleichen Zeit die pro-russischen Separatisten mit modernster Kriegstechnik ausstattet“, so der Senator und Vietnam-Veteran. McCain sprach von „Feigheit“, die die amerikanischen Entscheidungsträger hemme. Dem 77-Jährigen werden gute Beziehungen zum ukrainischen Ministerpräsidenten nachgesagt.

Kiew erhofft sich weitere Hilfe der USA

Als engster amerikanischer Vertrauter des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko gilt Joe Biden, Vizepräsident der USA. In einem langen Telefonat tauschten sich die beiden am späten Freitagabend erneut aus. Biden sagte Poroschenko jede Unterstützung zur Untersuchung des Abschusses der Passagiermaschine zu. Die USA hätten eindeutige Beweise, dass das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen worden sei. Poroschenko bat um weitere Hilfe der USA, vor allem auch im UN-Sicherheitsrat. Offenbar hat sich Poroschenko noch auf keine eindeutige Linie festgelegt, wie er weiter gegen die Separatisten vorgehen will.

Trauer und Anteilnahme. Blumen vor der Botschaft von Malaysia in Kiew
Trauer und Anteilnahme. Blumen vor der Botschaft von Malaysia in Kiew

© dpa

Die ukrainische Öffentlichkeit hofft auf eine baldige Lösung der Krise, obwohl jedem klar ist, dass ein Gegner wie Putin einmal erbeutetes Land nicht freiwillig wieder abgeben wird. „Russland hat noch nie etwas verschenkt“, schreibt die Internetzeitung „Lewej Bereg“ und bereitet ihre Leser auf eine lange Auseinandersetzung mit dem mächtigen Nachbarn vor. Ohne die Unterstützung der westlichen Partner sei der Ausgang für die Ukraine äußerst düster, heißt es dort.

Separatisten: Wir sind nirgendwo auf dem Rückzug

Der Flugzeugabschuss hatte in den vergangenen Tagen die Kampfhandlungen im Osten des Landes in den Hintergrund treten lassen. Weder die ukrainischen Streitkräfte noch die Separatisten haben bisher das Feuer eingestellt, obwohl die internationale Gemeinschaft bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden der Katastrophe eine sofortige Waffenruhe gefordert hat. Der selbsternannte „Volksgouverneur“ von Donezk, Pawel Gubarew, sagte bei einem Treffen mit Bewohnern in Donezk, dass die Separatisten „nirgendwo auf dem Rückzug sind“. Für diese Äußerung erntete Gubarew jedoch massive Kritik der umstehenden Bürger. „Wir müssen aus der Heimat fliehen, warum schützt ihr uns nicht?“, rief ein alter Mann. Gubarew antwortete, die Einwohner sollten ihre Stadt besser nicht aufgeben, weil sie sonst Gefahr laufen, dass „Wohnungen und Häuser von Faschisten aus der Westukraine okkupiert werden“. Der 31-Jährige war bis vor wenigen Jahren Mitglied der russischen Neonazi-Organisation Russische Nationale Einheit.

Nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte ist der Flughafen in Luhansk unter Kontrolle der Armee, auch die Kämpfe um den Airport in Donezk verliefen erfolgreich, hieß es. In der Vergangenheit hatte die Nationalgarde die Flughäfen jedoch immer nur für wenige Tage zurückerobert. Der Flughafen in Donezk wurde am 26.Mai bei Angriffen aus der Luft sehr stark beschädigt. Neuere Bilder zeigen, dass auch die Landebahnen in Mitleidenschaft gezogen sind. Der Großflughafen – in Donezk sollte ein internationales Logistikzentrum entstehen – wurde erst im Mai 2012 fertiggestellt und hat nach Schätzungen 400 Millionen Euro gekostet. Russland verhängte ein Einreiseverbot gegen zwölf US-Militärs. Die Maßnahmen gelten führenden Verantwortlichen des US-Gefangenenlagers Guantanamo auf Kuba und des früher von den USA im Irak betriebenen Gefängnisses Abu Ghraib. Die Sanktionen sind offenbar eine Vergeltungsmaßnahme für US-Sanktionen, die Mitte der Woche wegen der Ukraine-Krise von Washington verhängt worden waren.

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