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Rauch steigt vom russischen Militärflughafens in der Nähe von Nowofedoriwka auf der Krim auf.

© via REUTERS

Ukraine-Invasion Tag 168: Angriff auf die Krim – das mysteriöse Raketensystem aus Kiew

Ukrainisches AKW soll Krim mit Strom versorgen, nur noch fünf Panzerhaubitzen 2000 einsatzbereit, Debatte um Visa für Russen. Der Überblick am Abend.

Die Bilder der riesigen Rauchwolken über der von Russland annektierten Halbinsel Krim gingen gestern Abend um die Welt. Sie kamen von einem Militärflughafen auf der Halbinsel, mehrere Explosionen wurden dort gefilmt (mehr hier). Knapp 24 Stunden später ist immer noch weitgehend unklar, wie genau es zu dem Angriff kam, bei dem mindestens zehn russische Kampfflugzeuge zerstört wurden. Ukrainische Spezialkräfte sollen an der Operation beteiligt gewesen sein, hieß es heute aus Kiew. Mehr Informationen gab es nicht.

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Der Flughafen auf der Krim liegt rund 200 Kilometer von der Front entfernt, das macht den Vorgang besonders. Bei der Suche nach den Möglichkeiten der Ukrainer, ein so weit entferntes Ziel anzugreifen, fiel der Blick der Experten schnell auf ein neues Waffensystem, das in der Ukraine entwickelt wird, aber bisher nicht zum Einsatz kam

Seit 2003 arbeitet Kiew an einem Abschusssystem für Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern; der neueste Typ der Waffe ist als Grom-2 bekannt. Das System soll ein Nachfolger für die noch aus der Sowjetzeit stammende Toschka U sein. Den Ukrainern kommt entgegen, dass das Land Jahrzehnte lang ein Zentrum der Raketenproduktion und der dazugehörigen Abschusssysteme war und über entsprechendes Know-How verfügt.

Bisher hieß es, dass Grom-2 frühestens 2022 einsatzbereit sein würde. Und aktuell soll es auch nur einen Prototypen mit zwei Raketen geben (Quelle hier). Der Flughafen auf der Krim wäre durchaus ein lohnendes Ziel.

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • „Dann hängt das Atomkraftwerk von Diesel-Generatoren ab“: Seit Beginn der Invasion ist das AKW Saporischschja von Russen besetzt. Nun soll es an die Krim angeschlossen werden. Mehr hier.
  • In der Ukraine ist nach Angaben des FDP-Verteidigungspolitikers Marcus Faber derzeit nur noch ein Drittel der von Deutschland und den Niederlanden gelieferten Panzerhaubitzen einsatzbereit. Nur fünf der 15 Waffensysteme funktionierten, habe er vom Verteidigungsministerium in Kiew erfahren. Mehr in unserem Newsblog.
  • Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft sind während des russischen Angriffskrieges mindestens 361 Kinder getötet worden. Der Wert hat sich somit seit vier Tagen nicht erhöht. Den unbestätigten Daten zufolge wurden mindestens 705 Kinder körperlich verletzt.
  • Estland hat die Verletzung seines Luftraums durch einen russischen Helikopter gemeldet. Der Hubschrauber des Typs Mi-8 sei am 9. August abends unerlaubt in den Luftraum des baltischen EU- und Nato-Mitglieds eingedrungen, teilten die estnischen Streitkräfte am Mittwoch mit.
  • Die Bundesregierung hat zurückhaltend auf Forderungen reagiert, keine Visa mehr für Russen auszustellen. Man habe dies "zur Kenntnis genommen", sagte ein Regierungssprecher am Mittwoch in Berlin und verwies auf die bevorstehenden Beratungen der EU-Außenminister. Es gebe dazu bisher keine Position der Bundesregierung.
  • Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben durch Raketenbeschuss eine Brücke beim Staudamm von Nowa Kachowka im Süden der Ukraine unbrauchbar gemacht. Von der Besatzungsverwaltung gab es dazu bisher keine Informationen. Am Vortag hatte der russische Sender RT lediglich über regelmäßigen Beschuss der Brücke über den Schiffskanal und den Staudamm selbst berichtet.
  • Die durch ihren Live-Protest gegen den russischen Militäreinsatz in der Ukraine bekannt gewordene Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa ist in Russland erneut festgenommen worden. Gegen Owsjannikowa seien Ermittlungen wegen der "Verbreitung von Falschinformationen" über die russische Armee eingeleitet worden, sagte ihr Anwalt Dmitri Sachwatow.
  • US-Schauspieler Steven Seagal hat russischen Medienberichten zufolge nach dem Tod Dutzender Kriegsgefangener das zerstörte Straflager Oleniwka im prorussischen Separatistengebiet Donezk in der Ostukraine besucht. Der Star zahlreicher Actionfilme gilt als Freund von Kremlchef Wladimir Putin, hat die russische Staatsbürgerschaft und ist Mitglied der Partei Gerechtes Russland.
  • Nach den Explosionen auf dem Militärstützpunkt Saki auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim haben die Behörden den Notstand in dem Landkreis ausgerufen. Der Verwaltungschef der Krim, Sergej Aksjonow, sagte am Mittwoch der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass mindestens 252 Bewohner des benachbarten Kurorts Nowofjodorowka in Notunterkünfte umgesiedelt werden. Die Gasversorgung zweier Ortschaften wurde demnach vorübergehend abgestellt.
  • Nach Einschätzung britischer Geheimdienste soll Russland zur Stärkung seiner Offensive in der Ukraine Freiwillige für ein neues Armeekorps rekrutieren. Den Rekruten - Männern bis zum Alter von 50 und mit mittlerem Schulabschluss - würden lukrative Boni angeboten, hieß es am Mittwoch in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums.
  • Durch nächtlichen Raketenbeschuss sind im ukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk offiziellen Angaben zufolge mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. „Eine tragische Nacht...Im Kreis Nikopol hat die russische Armee 11 Menschen getötet und 13 verletzt“, schrieb der Chef der Militärverwaltung des Gebiets Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal. Die beiden getroffenen Ortschaften liegen dabei dem zuletzt mehrfach beschossenen Atomkraftwerk Saporischschja gegenüber.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Kritik an Amnesty-Bericht reißt nicht ab: Die seltsame Rolle der Chef-Krisenberaterin Donatella Rovera

2. Partisanen, Spezialkräfte und ein neues Raketensystem: Vier bemerkenswerte Vorfälle im Süden der Ukraine und wie sie zusammenhängen

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