zum Hauptinhalt
Eine ukrainische Fregatte und der US-Zerstörer Donald Cook während einer Übung. Der Westen bildet ukrainische Soldaten aus. Und damit auch radikal Gesinnte.

© dpa

Ukraine: Angriff der Nationalisten

Nach den Krawallen mit drei Toten vermutet die Ukraine die Täter im rechtsradikalen Milieu.

Einen Tag nach den gewalttätigen Ausschreitungen vor dem Parlament in Kiew hat die Suche nach den Schuldigen begonnen. Präsident Petro Poroschenko kündigte eine gründliche Untersuchung der Vorfälle an. Die Krawalle haben drei Tote gefordert, 130 Menschen werden derzeit medizinisch versorgt, sechs von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand.

„Ich entschuldige mich bei den Eltern der Toten, weil wir das Leben ihrer Kinder nicht schützen konnten“, twitterte Präsident Poroschenko. Am Vormittag besuchte das Staatsoberhaupt Verletzte im Zentralkrankenhaus in Kiew und legte Blumen an der Stelle vor dem Parlament nieder, wo am Montag das erste Todesopfer zu beklagen war, der 24-jährige Nationalgardist Bogdan Datsjuk.

Offenbar sind die Schuldigen bereits ausgemacht. Ins Visier der Ermittler geraten Vertreter der nationalistischen Swoboda-Partei und Männer des paramilitärischen Rechten Sektors. Parteichef Oleg Tjanibok erhielt eine Vorladung zum Verhör im Innenministerium. „Die Polizei hat Beweise, dass Tjanibok zu den Aufwieglern der Proteste gehörte“, hieß es in einem Bericht des TV-Senders „112“.

Im Internet kursiert ein Video, das Tjanibok bei den Protesten vor dem Parlament zeigt, er liefert sich darin einen heftigen Wortwechsel mit den Nationalgardisten, die das Parlament bewachen. Für Innenminister Arsen Awakow reicht das aus. Auf Facebook schrieb der Minister: „Der Schuldige! Ich beschuldige Oleg Tjanibok und seine ,Swoboda‘-Partei, für die Kriminalität verantwortlich zu sein, die zum Tode von mehreren Menschen und über 100 Verletzten geführt hat.“

Die Rechten machen gegen die Verfassungsänderung mobil

Fest steht, dass am Montag etwa 1000 Mitglieder der Parteien Swoboda und Radikale Partei sowie des Rechten Sektors vor der Rada gegen eine Verfassungsänderung protestierten. Nur wenige Minuten nachdem die Abgeordneten dem Dezentralisierungsgesetz zugestimmt hatten, mit dem unter anderem die Gebiete in der Ostukraine mehr Autonomie bekommen sollen, warf ein Mann aus der Demonstrantenmenge eine Handgranate. Außerdem explodierten Böller und selbst gebaute Geschosse. Als ein Tatverdächtiger wurde Igor Humenjuk, ein Soldat des Freiwilligenverbandes Sitsch, festgenommen, der sich auf Heimaturlaub befand.

Das Bataillon speist sich überwiegend aus Mitgliedern und Anhängern der Swoboda, gilt als der militärische Arm der Partei. Seit Ausbruch der Kämpfe haben fast alle Parteien Freiwilligenbataillone aufgestellt. Mittlerweile wurden viele von ihnen in die reguläre Armee eingegliedert, erhalten bei Militärexperten aus den USA, Großbritannien und Israel eine umfassende Ausbildung. Poroschenko muss diese Entwicklung trotzdem beunruhigen. Auf der einen Seite braucht die Ukraine eine moderne Armee, anderseits werden auch viele Radikale ausgebildet.

Gute Nachrichten gab es aus dem Osten des Landes. Die insgesamt dritte Waffenruhe, die seit dem 1. September gültig ist, wurde bis zum Nachmittag größtenteils eingehalten. In der vergangenen Woche hatte die trilaterale Kontaktgruppe unter Führung der OSZE beschlossen, nach dem 5. September 2014 und dem 15. Februar 2015 einen neuen Versuch zu starten, damit die Waffen schweigen.

In den Separatistengebieten und in der Ukraine war am Dienstag Schulbeginn. Während in Kiew und anderen großen Städten der ukrainische Patriotismus im Vordergrund stand und viele Lehrer und Schüler in den traditionellen Wischiwanjas – bestickten weißen Leinenblusen – zum Unterricht erschienen, stand der erste Schultag im Donbass und auf der Krim ganz im Zeichen der russischen Trikolore. In einer Grundschule in der Stadt Donezk begrüßte Separatistenchef Alexander Sachartschenko die Erstklässler, der das Dezentralisierungsgesetz und die Zugeständnisse des Kiewer Parlaments zuvor als völlig unzureichend kritisiert hatte. In Uniform und mit Orden versicherte der Rebellenanführer: „Kinder, ihr werdet eure Schule in der Volksrepublik beenden.“Nina Jeglinski

Zur Startseite