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Seit Beginn der Pandemie verharmlost Russlands Präsident Wladimir Putin das Corona-Virus.

© dpa/Alexei Druzhinin

Übersterblichkeit in Russland: Russlands versteckte Corona-Tote sind ein offenes Geheimnis

Russlands Präsident Putin behauptet weiterhin, dass sein Land gut durch die Krise gekommen sei. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache.

Statistiken der russischen Regierung zufolge starben im vergangenen Jahr in Russland tausende Menschen an der Todesursache „Viruspneumonie, nicht näher bezeichnet“, berichtet die „New York Times.“ Während der Coronavirus-Pandemie seien im vergangenen Jahr außerdem mindestens 300.000 Menschen mehr gestorben, als in den meist zitierten offiziellen Statistiken Russlands angegeben.

Russlands Präsident Putin hingegen behauptet, das Land habe das Virus besser als die meisten anderen bekämpft. Tatsächlich zeigt eine Analyse der Sterblichkeitsdaten der „New York Times“ jedoch, dass die Todesfälle in Russland während der Pandemie im vergangenen Jahr um 28 Prozent höher waren als normal - ein Anstieg, der höher ist als in den USA und den meisten Ländern Europas.

Während sich fast ganz Europa im Winter im Lockdown befand, tat man in Russland so, als sei alles normal. Clubs, Restaurants, Bars und Theater blieben geöffnet.

Als Putin das Jahr 2020 zusammenfassen sollte, fand das Virus kaum Erwähnung. Er betonte vor allem, wie wenig die russische Wirtschaft unter dem Virus gelitten habe. Dabei geht aus einer „New York Times“-Analyse hervor, dass Russland von April bis Dezember einen Anstieg von 360.000 Todesfällen über den Normalwert verzeichnete. Inzwischen liegt er weit über 400.000.

In den Vereinigten Staaten mit mehr als der doppelten Bevölkerung Russlands gab es seit Beginn der Pandemie etwa 574.000 solcher übermäßigen Todesfälle. Danach  tötete die Pandemie etwa einen von 400 Menschen in Russland, verglichen mit einem von 600 in den USA. Ein schlechter entwickeltes Land als Russland sei kaum zu finden, sagte Aleksei Raksha, ein unabhängiger Demograf in Moskau, der „New York Times“. Die Regierung  tue alles, um diese Fakten zu verschleiern.

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Die russische Regierung sagt, dass sie nur Todesfälle zähle, von denen bestätigt wurde, dass sie direkt durch das Coronavirus verursacht wurden. Weitere durch Autopsie bestätigte Fälle seien Teil einer separaten Bilanz. Die Stadt Moskau hatte nach Angaben des nationalen Statistikamts Rosstat 28.233 Todesfälle im Jahr 2020 und meldete 11.209 bestätigte Todesfälle durch Coronaviren.

Die Region Samara, ein relativ wohlhabendes Gebiet, hatte 10.596 Todesfälle. Die Sterblichkeitsrate dort stieg dort im Vergleich zu 2019 um 25 Prozent. Dennoch meldete die Region im vergangenen Jahr nur 606 offizielle Todesfälle durch Coronaviren. „Die veröffentlichten Zahlen sind vertrauenswürdig“, sagte Armen Benyan, Samaras Gesundheitsminister der „New York Times“. Die niedrigen offiziellen Zahlen haben dazu geführt, dass viele Russen die Gefahren durch das Virus nicht ernst nahmen. Das Misstrauen gegenüber jeglichen Nachrichten über die Pandemie wuchs. So ergab eine Umfrage im vergangenen Oktober, dass die meisten Russen den durch die Regierung veröffentlichten Corona-Zahlen nicht glaubten. Die Hälfte derjenigen, die der Bilanz nicht glaubten, hielt sie für zu hoch. Die andere Hälfte hielt sie für zu niedrig.

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Im Februar ergab eine andere Umfrage, dass 60 Prozent der Russen nicht vorhaben, sich mit dem Impfstoff Sputnik V impfen zu lassen. Die meisten von ihnen glaubten, das Coronavirus sei eine biologische Waffe.

In der Region Samara starb unter anderem Inna Pogozhevas Mutter, eine Geburtshelferin und Gynäkologin, im November, nachdem sie mit einer Covid-19-Überweisung ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Dennoch tauchte die Diagnose Covid auf ihrer Sterbeurkunde nicht auf. Ihre Tochter sagte, dass sie nicht wisse, was sie über die Pandemie denken solle. Sie habe auf keinen Fall Fall vor, sich impfen zu lassen. Dabei dürfte die Pandemie in der Region Samara laut der Statistik zur Übersterblichkeit bis zu einem von 250 Menschen das Leben gekostet haben.

Viktor Dolonko, Herausgeber einer Kulturzeitung in der Stadt Samara, sagt, dass etwa 50 Menschen, die er kannte - viele von ihnen Teil der florierenden Kunstszene der Region - während der Pandemie ihr Leben verloren haben. Er glaubt jedoch nicht, dass Samara seine Theater hätte schließen sollen um die Ausbreitung der Krankheit zu verlangsamen.

Die Todesfälle während der Pandemie seien zwar tragisch gewesen, er glaube aber, dass sie hauptsächlich bei Menschen aufgetreten seien, die in einem sehr fortgeschrittenen Alter waren oder andere gesundheitliche Probleme hatten. Er trage an überfüllten Orten eine Maske und wasche sich häufig die Hände. Regelmäßig zu Galerieeröffnungen und Shows gehe der 62-Jährige weiterhin.(tsp)

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