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Im April stellte der Bundestag die Corona-Ampel mit der Bundesnotbremse auf Rot.

© Christoph Soeder/dpa

Überschätzen sollte man ihre Wirkung nicht: Die Bundesnotbremse war nicht nötig - eine Reaktivierung auch nicht

Die Notbremse ist ausgelaufen. Sollte sich eine neue Welle andeuten, könnte die Debatte über die Regelungen schnell zurückkehren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Nun ist also Schluss mit Notbremse. An Mittwoch sind die seit dem 23. April geltenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz ausgelaufen, die gemeinhin als „Bundesnotbremse“ bekannt geworden sind. Also all jene Maßnahmen, die bundesweit einheitlich gelten, wenn in einem Stadt- oder Landkreis der Inzidenzwert an drei aufeinander folgenden Tagen über die Marke von 100 geklettert ist.

Die Notbremse wurde bis zum 30. Juni befristet – auch weil sie so umstritten war. Und das nicht nur wegen der Ausgangssperre.

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Dass sie endet, ohne dass viel Aufhebens gemacht würde, liegt natürlich schlicht daran, dass die 100er-Marke weit entfernt ist. Und dass in den Sommerferien keine Partei als Spaßbremse auftreten will. Aber der Sommer hat gerade erst begonnen, ebenso der Wahlkampf, und die Delta-Saison möglicherweise auch.

Was die neue Virus-Mutante über die nächsten Wochen bei uns anrichten wird, ist noch ungewiss, ahnen lässt sich einiges. Deutet sich, wie im März, eine neue Welle an, wird die Debatte schnell zurück sein, ob die Bundesnotbremse wieder nötig ist.

Überschätzen sollte man ihre Wirkung nicht

Aber was hat sie denn gebracht? Überschätzen sollte man ihre Wirkung nicht. Der Anlass für die Entscheidung war der Beginn der dritten Welle, die nun schon wieder überwunden ist – ohne dass sie die Dramatik bekommen hätte, die manche Befürworter einer harten Corona-Politik im Frühjahr befürchtet oder an die Wand gemalt haben. Zum Stoppen der Welle hat sie vielleicht beigetragen, aber wenn, dann eher durch die Debatte über die Gesetzesergänzungen als durch das Gesetz selbst.

Es trat in Kraft, als die ohnehin möglichen Maßnahmen durch die Länder zum Teil schon umgesetzt waren. Denn die Notbremse basierte auf Beschlüssen in der Ministerpräsidentenkonferenz von Anfang März. Schon von daher war ja gefragt worden, ob sie überhaupt nötig sei.

Sie war es nicht. Und eine Reaktivierung ist ebenfalls nicht nötig. Die Notbremse ist Ausdruck einer Politikauffassung, zu deren Kerngedanken gehört, man müsse die Leute per Gesetz zu Verhaltensänderungen zwingen. Dieser Weg kann schon mal der richtige sein. In der Corona-Pandemie war das aber in allen drei Wellen nicht so. Freie Gesellschaften reagieren meist einigermaßen vernünftig auf Not- und Krisensituationen. Nicht immer so zügig, wie es sein könnte, aber doch so zügig, dass es reicht, um Schlimmstes zu verhindern.

Es zählt vor allem eines: Selbstschutz

Das war im Frühjahr und auch im Herbst 2020 so – mit der Einschränkung, dass die zweite Welle unterschätzt wurde, weshalb dann der Schreckeffekt noch in der dritten Welle jene Maßnahme beschleunigte, die in keinem Notbremsengesetz steht: der durch Vorsicht und auch Rücksicht gebotene und von gar nicht so wenigen instinktiv praktizierte Selbstschutz.

Nicht alle können sich zwar so zurückziehen, wie sie möchten. Aber kollektiv wirkt es schon, wenn Millionen Bürger sich entscheiden, keine Ansteckung zu riskieren.
Wenn nun demnächst die Zahlen wieder steigen, wird das auch so sein. Dann wird allerdings auch der Impffortschritt helfen, dass die nächste Welle mutmaßlich weniger hoch ausfällt. Eine neuerliche Notbremsenregelung wird daher nicht nötig sein. Man kann regional und lokal handeln, wie es geboten ist.

Das Instrumentarium dazu ist vorhanden. Hinzu kommt, dass der aktuelle Bundestag zwar nicht aufgelöst, aber eben ein Parlament in Ablösung ist, und die Bundesregierung nach der Wahl nur noch eine amtierende sein wird. Die Legitimation einer neuen Bundesnotbremse wäre dadurch eingeschränkt. Und es gälte ja, was auf dieser Webseite schon vor Wochen kritisiert worden ist: Das Gesetz hat einen bedenklichen Automatismus des Handelns eingeführt, der umso bedenklicher wird, je länger wir mit Corona leben. Wir lernen in der Krise weiter hinzu und brauchen dafür erst recht jene Flexibilität im Umgang mit dem Virus, die von zu starren (und eventuell zu strengen) Einheitsregeln verhindert wird.

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