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Der Wechsel von Ex-Gesundheitsminister Daniel Bahr in den Vorstand der Allianz sorgte für viel Ärger.

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Übergangsfristen für Politiker: Sperrstunde für die Wirtschaft

Nach zähem Ringen hat sich die Koalition auf eine Karenzzeit geeinigt. Minister und Staatssekretäre müssen nun bis zu 18 Monate mit dem Wechsel in Unternehmen und Verbände, die ihr Fachgebiet tangieren, warten. Experten ist diese Übergangszeit zu kurz.

Von Antje Sirleschtov

Der frühere Gesundheitsminister der FDP, Daniel Bahr, lieferte den letzten Stein des Anstoßes. Aber nicht den größten. Jahrelang war der nordrhein- westfälische Abgeordnete Bahr einer der profiliertesten Gesundheitspolitiker des Bundestages. Über Philipp Rösler, dem späteren FDP-Vorsitzenden, hieß es gar, er habe sich 2009 von der Kanzlerin nur unter der Bedingung zur Übernahme des Bundesgesundheitsministeriums überreden lassen, dass sein Parteifreund Bahr Staatssekretär wird und damit fachliche Expertise in die Ministeretage bringt. Zuletzt führte Bahr das Ministerium dann selbst. Bis zum Herbst 2013. Nun wurde bekannt: Der Mann, der bis vor einigen Monaten noch auf der Seite der Bundesregierung mit den Krankenversicherern verhandelt hat, wird nun selbst Versicherer, nämlich Vorstand beim Allianz-Konzern.

Schaler Beigeschmack

Ronald Pofalla (CDU), Eckehard von Klaeden (CDU), zuletzt der schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner (SPD): Immer wieder wechseln fachlich profilierte Politiker aus Regierungsämtern in Unternehmen oder Verbände. Zum Teil übernehmen sie Managementaufgaben, zum Teil werden sie als Interessenvertreter ihrer neuen Arbeitgeber im Berliner Hauptstadtbetrieb tätig. Und wenn die neuen Arbeitgeber dann auch noch in Fachgebieten tätig sind, die das frühere Arbeitsgebiet der Politiker tangieren, dann bleibt ein schaler Beigeschmack: Interessenverquickung. Man kann es sich einfach nicht vorstellen, dass die ehemaligen Politiker ihr – im Auftrag und bezahlt von der Bundesregierung – erworbenes Wissen und ihre Kontakte nicht im Interesse ihrer neuen, privaten Arbeitgeber einsetzen.

Nun haben sich Union und SPD auf eine Regelung geeinigt, die dem Verdacht auf Interessenverquickung zumindest zeitlich begrenzt einen Riegel vorschieben soll. Mindestens ein Jahr, in Einzelfällen aber auch 18 Monate, sollen „Mitglieder der Bundesregierung“ in Zukunft nicht bei Unternehmen anstellig werden dürfen, in deren Betätigungsbereich sie als Politiker gewirkt haben. Über die Länge der jeweiligen Karenzzeit soll eine Kommission beraten, die endgültige Entscheidung trifft das Kabinett. Betroffen davon sind Minister und Staatssekretäre. Die Fraktionsspitzen von Union und SPD haben sich nach monatelanger Debatte auf feste Regeln für Politikerwechsel in die Wirtschaft geeinigt. Eigentlich sollte die Karenzzeit schon längst in ein Gesetz gegossen worden sein. Auch im Koalitionsvertrag war der Plan verankert. Nun muss die Regierung einen – verfassungsfesten – Gesetzentwurf erarbeiten. Schließlich muss sichergestellt sein, dass später niemand darin ein Berufsverbot erkennt.

Kritiker sprechen von "Minimalkonsens"

Zwölf Monate, zum Teil 18 Monate: Nach Meinung derjenigen, die lange um die Karenzzeit gerungen haben, ist das aber zu wenig. Lobby-Control und Transparency International fordern drei Jahre Karenzzeit, auch der SPD-Abgeordnete Marco Bülow bezeichnet die gefundene Regel als „Minimalkonsens“ und will längere Übergangszeiten. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, betonte: „Union und SPD haben bei den Karenzzeiten lange gezögert, herumlaviert und vertagt.“ Nun solle man erst einmal abwarten, was schließlich im Gesetzentwurf steht.

Regel trifft nicht auf jeden zu

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte dieser Tage noch argumentiert, man könne zwar über die Einführung einer Karenzzeit von zwei Jahren nachdenken. Dann müsse man der Ehrlichkeit halber aber auch über die Frage sprechen, wovon die Betroffenen in der Zwischenzeit leben sollen und die Dauer der Zahlung von Übergangsgeldern verlängern. Die nun gefundene Regelung trifft übrigens nicht für jeden zu. Wer sein politisches Amt abgibt und in einen Bereich wechselt, der mit der früheren Tätigkeit nichts zu tun hat, darf seinen Job sofort antreten.

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