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„Über Monate hinweg ausgetauscht“: Wer steckt hinter der Aktion „Alles dicht machen“?

Mehr als 50 Schauspieler verbreiten Häme über die Corona-Politik der Regierung. Was sie dazu bewogen hat und wie die Reaktionen ausfallen.


Mehr als 50 prominente Film- und Fernsehschauspieler haben mit einer groß angelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen gesorgt.

Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller, Jan Josef Liefers und viele weitere verbreiteten am Donnerstagabend bei Instagram und auf der Videoplattform Youtube gleichzeitig ironisch-satirische Clips mit persönlichen Statements zur Corona-Politik der Bundesregierung und der Verschärfung der Maßnahmen. Die Aufregung am Freitag war groß, manche zogen ihre Videos zurück, aber viele Fragen blieben offen.

Was ist in den Videos zu sehen?

„Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz“, fordert etwa Tukur die Bundesregierung auf. „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.“ Und er fügt hinzu: „Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.“

Richy Müller atmet in seinem Clip abwechselnd in zwei Tüten und kommentiert ironisch: „Wenn jeder die Zwei-Tüten-Atmung benutzen würde, hätten wir schon längst keinen Lockdown mehr.“

„Tatort“-Star Jan Josef Liefers bedankt sich in seinem Clip mit ironischem Unterton „bei allen Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben“.

Zahlreiche prominente Schauspieler beteiligten sich an der Internetaktion #allesdichtmachen auf Youtube.
Zahlreiche prominente Schauspieler beteiligten sich an der Internetaktion #allesdichtmachen auf Youtube.

© -/Internetaktion #allesdichtmachen via Youtube/dpa

Wissenschaftlern, die zu anderen Schlüssen kommen als die beratenden Experten der Bundesregierung, dürfe man keine Bühne geben, betont Liefers in dem Satirevideo. „Schließlich wissen nur ganz wenige Spezialisten, was gut für uns ist“, sagt er weiter.

Wer steckt hinter der Aktion?

Im Impressum der Aktion stehen die Firma „Wunder am Werk“ und ihr Geschäftsführer Bernd K. Wunder. Der Münchner Unternehmer, der in der Filmbranche tätig ist, sagte dem Tagesspiegel jedoch, er sei lediglich einer von vielen Beteiligten, es gebe keinen Drahtzieher hinter der Aktion, aus rechtlichen Gründen habe einer im Impressum stehen müssen. „Wir sind eine Gruppe von Filmschaffenden, die sich über Monate hinweg ausgetauscht hat“, sagte Wunder am Telefon.

Das NDR-Medienmagazin „Zapp“ berichtet, dass die Schauspieler Volker Bruch, Jan Josef Liefers und der Drehbuchautor und Regisseur Dietrich Brüggemann zu den Initiatoren zählten.

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Die Idee sei hingegen „organisch“ entstanden, sagt Wunder, man habe schließlich beschlossen, „Kunst zu machen, um zu zeigen, dass es uns gibt und dass wir auch kritisch sein dürfen“. Dafür habe man „bewusst die Stilmittel der Übertreibung, der Satire, der Ironie und der Zuspitzung gewählt“.

Die Gruppe sei nicht gegen Corona-Maßnahmen, sagte Wunder, und habe „nicht pietätlos gegenüber Corona-Erkrankten“ sein wollen. Man habe lediglich eine ergebnisoffene Diskussion über ihre Angemessenheit anregen wollen. Es handele sich um eine einmalige Sache, weitere Pläne gebe es nicht.

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Die Reaktionen hätten ihn überrascht, sagte Wunder: „Dass der Gegenwind so heftig ist, hätte ich nicht gedacht.“ Dass die Videos in „Querdenker“-Kreisen gefeiert werden, sei „sehr schwierig“, das sei „Applaus aus der falschen Ecke“. Und: „Wir distanzieren uns ganz klar von Pandemieleugnern.“

Auf seinem mittlerweile privaten Instagram-Account verharmloste Wunder die Gefährlichkeit des Virus aber bereits zwischen Mai und August 2020. Seine Aussagen dort erinnern an Parolen der „Querdenken“-Bewegung. In Bezug auf Befürworter von Eindämmungsmaßnahmen sprach er von „Panikmache“ und „Coronazis“ und setzte das Virus mit der Grippe gleich. Heute distanziert er sich von diesen Aussagen.

Wie reagiert die „Querdenker“-Szene?

In Telegram-Gruppen, die der „Querdenker“-Szene nahestehen, ist die Aktion seit Donnerstagabend ein großes Thema. Der selbst ernannte Anführer der verschwörungsideologischen „Freedom Parade“, „Captain Future“ alias Michael B., schreibt: „Endlich, Künstler nehmen gekonnt die Maßnahmen auf die Schippe.“ Die Aktion wird in Gruppen und Kanälen der Szene überwiegend als bewusst provokant und mutig bewertet. „Ein Beweis, dass ganz normale Menschen Kritik üben“, schreibt ein Nutzer. In einer anderen Gruppe freut man sich, dass „die Schauspieler (…) aufgestanden“ seien.

Auch aus der rechtsextremen Szene erfährt die Aktion Zuspruch. Der rechtsextreme Verschwörungsideologe Oliver Janich etwa lobte Ulrich Tukurs Auftritt. Tukur sei „einer unserer Besten“. Die rechtsextreme sächsische Kleinstpartei „Freie Sachsen“ findet, Liefers habe „das Establishment ins Herz getroffen“, Brambach liefere eine „brillante Satire“ über „Denunzianten“ ab. Und das rechtsextreme „Compact“-Magazin kommentiert: „Endlich! Deutschlands Schauspieler wachen auf und setzen ein Zeichen gegen die Corona-Diktatur.“

Welche Teilnehmer distanzierten sich am Freitag von der Aktion?

In einem Tweet mehrere Stunden nach der Veröffentlichung distanzierte sich Jan Josef Liefers von Verschwörungstheorien und der „Querdenker“-Bewegung. Der 56-Jährige schreibt: „Es gibt im aktuellen Spektrum des Bundestages auch keine Partei, der ich ferner stehe als der AfD. Weil wir gerade dabei sind, das gilt auch für Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker, Corona-Ignoranten und Aluhüte. Punkt.“

Bei „WDR Aktuell“ erneuerte er am Freitag aber seine Kritik an Medien und Regierung. „Ich hätte gerne eine große Diskussion über die Rolle der Medien in der Pandemie“, sagte er. Und: „Ich möchte einfach, dass diese Regierungsentscheidungen transparenter sind und nicht einfach hinter verschlossenen Türen stattfinden und in Ministerpräsidentenrunden.“

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Heike Makatsch schrieb am Freitagmorgen auf Instagram: „Ich distanziere mich klar und eindeutig von rechtem Gedankengut und rechten Ideologien.“ Ihr Video zog sie zurück. Schauspielerin Meret Becker („Tatort“) und ihr Kollege Ken Duken („Traumfabrik“) übten Selbstkritik. Kunst müsse Fragen stellen können, sagte Becker auf Instagram. „Aber diese Aktion ist nach hinten losgegangen.“

Sie werde das Video runternehmen lassen. „Und ich entschuldige mich dafür, dass das falsch verstanden werden konnte.“ Becker sagte, sie lasse sich impfen, trage Maske, halte Abstand und lasse sich regelmäßig testen. Dass die Aktion instrumentalisiert werde von der rechten Seite, sei das Letzte, was sie gewollt habe.

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Sie kritisierte, in der Pandemie sei immer eine Tür für die Wirtschaft offengehalten worden. Die Theater seien zu, aber die Flieger voll. Menschen müssten zur Arbeit gehen, damit die Industrie weiterlaufe. Es gehe auch darum, dass Menschen allein sterben. „Wir hätten vielleicht mehr das sagen sollen, was eigentlich gemeint ist“, sagte sie. „Jetzt gibt’s auf die Nase.“

[Lesen Sie auch: Die Pandemie schwächt die Rechte von Angehörigen (T+)]

Ken Duken schrieb bei Instagram, er distanziere sich von rechtem Gedankengut. Die Gefahr, die von der Pandemie ausgehe, sei ihm mehr als bewusst. Er habe sich nicht über die Opfer oder ihre Angehörigen lustig machen wollen. „Ich befürworte sinnvolle Maßnahmen und eine Impfstrategie. Diese Aktion ist gründlich in die Hose gegangen. Ich entschuldige mich für jegliche Missverständnisse.“

Wie reagieren andere Schauspieler?

Noch in der Nacht auf Freitag starteten diverse Schauspielerinnen und Schauspieler unter dem Twitter-Hashtags #allesschlichtmachen und #nichtganzdicht eine Gegenaktion. „Tatort“-Darstellerin Nora Tschirner erwiderte mit ihrem Instagram-Profil: „Echt ja, Leude? Was’ los da? ,Make cynicism great again‘? (…) Kann halt sein, dass man sich ein büschn schämen wird in nen paar Jahren (Wochen). Unfuckingfassbar.“

Ihr „Tatort“-Kollege Christian Ulmen schrieb auf Instagram: „Heute bisschen für Kollegen schämen. #allesschlichtmachen.“ Elyas M’Barek („Fack ju Göhte“) kommentierte das Video von Volker Bruch („Babylon Berlin“): „Come on, das ist doch Blödsinn. Was unterstellst du denn da unserer Regierung? (…) Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.“ Bruch hatte darin die Bundesregierung ironisch aufgefordert, den Bürgern doch bitte mehr Angst zu machen.

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Die Schauspielerinnen Alexandra Maria Lara, Sandra Hüller und Laura Tonke wandten sich ebenfalls gegen die #allesdichtmachen-Aktion. Der Schauspieler Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“) erklärt in einem Video auf Instagram, dass er auch für die Aktion angefragt worden sei. Er habe aber abgelehnt, weil er sich von den Machern nicht richtig über die Ziele aufgeklärt gefühlt habe.

Was sagen die TV-Sender zu der Aktion?

Die betroffenen ARD-Sender hatten ihre Reaktionen abgesprochen. RBB-Sprecher Justus Demme sagte dem Tagesspiegel: „Wir treten im RBB für Meinungsvielfalt ein. Die beteiligten Künstlerinnen und Künstler sprechen für sich selbst und auf einer eigenen Plattform. Das respektieren wir und kommentieren es deshalb auch nicht.“

[Lesen Sie auch: So leben Berliner in der Grauzone der Corona-Vorschriften (T+)]

Für den RBB arbeitet Meret Becker als „Tatort“-Kommissarin. Nicht anders fielen die Reaktionen von MDR (Martin Brambach/„Tatort“ Dresden) und SWR (Felix Klare und Richy Müller/beide „Tatort“ Stuttgart) aus.

Das ZDF wollte die Aktion gar nicht kommentieren. Garrelt Duin, Ex-SPD-Politiker und Mitglied im WDR-Rundfunkrat, forderte in einem Tweet, der WDR möge die Zusammenarbeit mit Liefers „schnellstens beenden“. Den löschte er wieder, nachdem ein Shitstorm über ihn hereingebrochen war, und twitterte dann: „Der Tweet heute Morgen war Mist. Inhaltlich überzogen und meiner Rolle als Mitglied im Rundfunkrat nicht angemessen.“.

Was sagt die Politik zu der Aktion?

„Auch mir blutet das Herz wegen der Schließungen im Kulturbereich“, sagt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Sie habe großes Verständnis dafür, dass Betroffene darauf hinweisen. Aber: „Ich hätte mir von den Schauspielerinnen und Schauspielern deutlich mehr Empathie für die Menschen gewünscht, die vom Coronavirus betroffen sind oder im Gesundheitssystem harte Arbeit leisten.“

Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sagte, er teile manche Kritik „an der Pauschalität der sogenannten Notbremse, die uns Wege verschließt, zu lernen, wie unter Pandemiebedingungen kulturelles Leben ermöglicht werden kann“. Gleichzeitig sagte er: „Wenig Verständnis habe ich für Ignoranz gegenüber den massiven Gefahren und den Folgen, die Covid für unsere Gesellschaft bedeutet. Zynismus und Hohn sind unangebracht."

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