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Außen Präsident, innen Entertainer. Donald Trump bewegt mehr als seine Wachsfigur vermuten lässt.

© Reuters

Twitter-Entertainment für Millionen: Donald Trump, die Nummer 1 der Unterhaltungsbranche

Alles dreht sich gerade um: Talkshows werden seriöse Demokratieveranstaltungen, Präsident Trump besetzt dagegen das Unterhaltungsfach, meint unsere Kolumnistin.

Von Caroline Fetscher

Amerika erlebt eine Verkehrung. Traditionell waren Hollywood, Fernsehserien und sogar teilweise die News für Entertainment zuständig, das Weiße Haus für die harte Welt der Politik. Hier die Fiktion, dort die Fakten. Mit Donald Trump, einer Figur aus der Unterhaltungsindustrie der TV-Shows und dem Bastelkasten des Präsidenten-Einflüsterers Steve Bannon, dreht sich dieses Verhältnis derzeit um. Äußerlich zumindest.

Die Twitterfabrik des Weißen Hauses sorgt für die tägliche Fütterung der Öffentlichkeit mit fiktiven, teils grotesken, aber meist unterhaltsamen Happen. Es gebe schon eine Art Suchtfaktor der Öffentlichkeit nach dem jeweils neuen, skandaloiden Miniatur-Zeichensalat, dem aktuellen Trumptweet der Stunde. Auf die Tea-Party folgt die T-Party, mit T wie Trump, wie Twitter. Oscar-Verleihungen, Fernsehberichte und Talkrunden hingegen werden zu seriösen, politischen Veranstaltungen mit demokratischer Mission, zum Korrektiv, das Faktizität beansprucht.

Donald Trump und Team, seine Bannons, Spicers, Kellyannes sind für die Unterhaltung zuständig. Sie sind sogar Comedians und Satirikern meist mindestens einen Schritt voraus. Eine der jüngsten Erfindungen ist die Behauptung des amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten per Twitter, der vorherige Präsident, ein „bad guy“, habe ihn vor seinem Amtsantritt abhören lassen. So also die Unterhaltung, die strukturell mehr an Werbung als an Hollywood erinnert.

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Auf die Welt der Werbung war meist Verlass, wenn es um Tabubrüche ging. Reklame, die ein Produkt am Markt durchsetzen will, muss klingeln, leuchten, rasseln und trompeten. Sie muss Aufmerksamkeit wecken überraschen, verblüffen, binnen Sekunden Sorgen und Sorgenbefreiung zugleich versprechen. Auf die Weise gelangte zum Beispiel Miederware – unerhört! – aus den Schränken an die Plakatwände.

Trumps kleines Wirtschaftswunder

Fraglos müssen auch Politikgestalter ihr Produkt, also ihre Pläne, Haltungen, Ideen, bewerben. Sich gut darstellen, die politischen Rivalen schlecht aussehen lassen, das gehörte schon lange zum Geschäft. Das war aufwändig, teuer. Werbevideos, Poster, Programme, Recherchen, Pressekonferenzen, das kostet Zeit und Geld. Trump verspricht ein Wirtschaftswunder – eines hat er schon ganz allein geschafft: millionenfache Gratiswerbung. 26 042 800 Follower soll der Trump-Account im Moment haben, 34 572 Tweets hatte er bis Dienstagnachmittag abgesetzt.

Tweets kosten so gut wie nix, Null Komma eins Cent, keine Viertelminute Tastentippen, und: Peng! Schon drehen sich tausend Riesenkarusselle aus Rede und Gegenrede, Dementis und Anrudern gegen die Ungeheuerlichkeit einer Einlassung, einer Auslassung.

Teuer wird es für die Gegenseite. Sie braucht Zeit und Geld, um die pure Fabrikation, das reine Ausderluftgreifen von Irgendetwas, das ablenken und verwirren soll, wieder gerade zu rücken. Doch bis sie halbwegs soweit sind, versprüht sich bereits millionenfach der nächste Tweet. Im US-Fernsehen treten jetzt FBI-Beamte auf, die schwören und versichern, die Behauptung im Trumptweet über Obamas Wanzen im Trump-Tower sei abstrus, der Vorgang unmöglich, eine Abhöranweisung dieser Art nicht erlaubt, undenkbar, ungesetzlich.

Was auch passiert - der Trumptweet macht das Rennen

Sie können noch so viel reden, sie hecheln hinterher. Aber sie müssen reden, sie sind dazu aufgerufen, sie müssen richtigstellen, klären, geradebiegen. Allein, der Unterhaltungswert der skandalösen Tweets überschattet die Fakten wie die Argumente, die die Fakten verbreiten sollen. Eine Hollywood-Legende wie Meryl Streep kann noch so klar die von Trump Attackierten verteidigen, der Trumptweet, wonach sie „eine der überschätztesten“ Schauspielerinnen sei macht das Rennen. Tausendfach ist diese Verwendung von „überschätzt“ in Satiren und Alltagsplaudereien eingewandert. Die jeweils neuen Gerüche aus der Gerüchteküche wegzuwedeln, kostet mehr Energie, als den Kochtopf einmal aufzuheizen.

Inzwischen wird das Patentrezept aus der Trump-Bannon-Billig-Manufaktur von Betriebsspionen ausprobiert, die die Sache nachmachen wollen, wofür sie etwa einen Fake Trump Tweet Generator anbieten, der zum Selberbasteln einlädt. Die große Washingtoner Verkehrung bleibt, das ist zu hoffen, ein Interim, ein Zwischenspiel in der US- und Weltpolitik. Wie viele Zeilen im Geschichtsbuch die Ära Trump eines Tages haben wird, und ob überhaupt von einer Ära die Rede sein wird, das wird sich zeigen. Eventuell ist das dann nicht länger als ein Tweet.

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