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Sanders und Biden in South Carolina.

© REUTERS/Jonathan Ernst

Twenty/Twenty-Newsletter zur US-Wahl: Sanders hetzt Biden und der Super Tuesday steht bevor

Während die Demokraten um afroamerikanische Wähler werben, könnte das Coronavirus den Wahlkampf infizieren. Der Twenty/Twenty-Newsletter zur US-Wahl.

Herzlich Willkommen zur ersten Ausgabe von „Twenty/Twenty, unserem Tagesspiegel-Newsletter zur US-Präsidentschaftswahl. Wir informieren Sie jetzt jeden Donnerstag über die wichtigsten Ereignisse rund um den Wahlkampf. Heute blicken wir vor allem auf die Vorwahl in South Carolina am Samstag, den Super Tuesday am 3. März und fragen, warum Abtreibung plötzlich wieder ein Thema ist. Haben Sie Fragen, Anregungen oder möchten als Experte mitwirken? Dann schreiben Sie an malte.lehming@tagesspiegel.de. Hier können Sie sich für den Newsletter anmelden.

Juliane Schäuble über ihre Woche in Washington

Gleich zum Auftakt heißt es: Meine Woche in South Carolina. Denn wir US-Korrespondenten folgen in dieser Zeit einem Wanderzirkus, den der eigenwillige Vorwahl-Kalender durchs ganze Land schickt. Vom kalt-windigen Iowa haben wir es über das schneebedeckte New Hampshire und den Wüstenstaat Nevada nun in den ersten der insgesamt 16 Südstaaten geschafft.

South Carolina, ein konservativer Bundesstaat mit einem hohen Anteil an afroamerikanischen Wählern (mehr als 60 Prozent der demokratischen Wählerschaft), ist stolz darauf, „First in the South“ zu sein.

Die demokratischen Bewerber und Bewerberinnen.
Die demokratischen Bewerber und Bewerberinnen.

© Matt Rourke/AP/dpa

In diesem Jahr könnte der „Palmetto State“ auch zum ersten Waterloo für einen großen Favoriten unter den immer noch elf demokratischen Präsidentschaftsbewerbern werden: Joe Biden kämpft die Schlacht seines Lebens. Schafft der ehemalige Stellvertreter des ersten schwarzen Präsidenten am Samstag hier nicht endlich einen Sieg, kann er seine Ambitionen auf das Weiße Haus wohl endgültig begraben.

Zur Mitte der Woche sieht es gar nicht so schlecht aus: Die öffentliche Unterstützungserklärung von James Clyburn, als ranghöchster Afroamerikaner im US-Kongress so etwas wie der Königsmacher in South Carolina, hat Gewicht.

Biden spürt den heißen Atem von Sanders

Dennoch: Biden spürt den heißen Atem von Bernie Sanders im Nacken (oder besser den Lufthauch von dessen rechtem Zeigefinger), der Stück für Stück aufgeholt hat. Am Mittwoch zeigte der linke Senator aus Vermont noch einmal, welche Energie er bei seinen vielen, vor allem jungen Anhängern zu erzeugen vermag: Bei zwei Rallyes in Charleston und Myrtle Beach zählte seine Kampagne (tagsüber!) insgesamt rund 4000 Fans - die Krach für mindestens 8000 machten. Mit dieser Rockkonzert-Atmosphäre können Biden-Events nicht mithalten.

Sanders und Biden während einer Pause der TV-Debatte.
Sanders und Biden während einer Pause der TV-Debatte.

© AFP/Win McNamee

Als Wild Card kann es derweil Michael Bloomberg kaum noch erwarten, den Wahlkampf aufzumischen. Auf dem Wahlzettel steht der Multimilliardär erst am „Super Tuesday“ am 3. März, aber in den letzten beiden TV-Debatten übte er seine Attacken schon mal - mit durchwachsenem Erfolg. Als Stand-up-Comedian, so viel lässt sich feststellen, wäre er wohl nicht so reich geworden.

Infiziert das Coronavirus den Wahlkampf?

Abseits der Bühne gelingt dem 78-Jährigen aber immer häufiger ein Treffer: Während der US-Präsident noch um eine angemessene Reaktion auf die drohende Coronavirus-Epidemie rang (am liebsten würde Donald Trump auch diese als gegen ihn gerichtete Medieninszenierung abtun), schaltete der ehemalige New Yorker Bürgermeister bereits flächendeckend Fernsehspots, die ihn als erfolgreichen Krisenmanager nach 9/11 zeigen. Ein Medienprofi will zeigen, wie Trump zu schlagen ist.

Am Mittwochabend reagierte der Präsident dann doch und lud die in Washington verbliebene Hauptstadtpresse in den James S. Brady Briefing Room - eine Veranstaltung mit extremem Seltenheitswert, zieht Trump es in der Regel doch vor, Journalisten kurz vor dem Einstieg in seinen Hubschrauber zu „briefen“.

Merke: Das um die Welt reisende Coronavirus hat das Potenzial, auch den amerikanischen Wahlkampf zu infizieren.

Herzliche Grüße, Ihre Juliane Schäuble, USA-Korrespondentin  

Was wird wichtig?

Ganz klar: Der Super Tuesday. Am Dienstag gibt es in 14 Staaten und amerikanisch Samoa im südlichen Pazifik Vorwahlen. 34 Prozent aller Delegierten, die später zum Parteitag der Demokratischen Partei geschickt werden, können hier gewonnen werden. Auf die Delegierten kommt es an – und nicht etwa auf die Gesamtzahl der Stimmen, die abgegeben werden.

Und noch eine Wählergruppe wird an diesem Tag wichtig: Die US-Amerikaner im Ausland, etwa neun Millionen, davon sieben Millionen Wahlberechtigte – eine nicht zu unterschätzende Größe. Die Democrats Abroad entsenden 13 Delegierte – und damit genauso viele wie der Bundesstaat Wyoming (14). Sie halten ihre Vorwahlen vom 3. bis zum 10. März ab. Bei den 22.694 in Berlin lebenden Amerikanern sind noch keine klaren Präferenzen erkennbar. „Die Stimmung für die verschiedenen Kandidaten ist sehr vielfältig in Berlin“, sagt Diego Rivas, der mit seinem Team die Vorwahlen organisiert.  Trump aus dem Amt zu befördern, sei ein großer Motivationsfaktor. „Viele Mitglieder wollen sich engagieren, auch wenn sie im Ausland wohnen, um ihn zu besiegen.“

Die Umfrage

Seit Wochen steigt seine Popularität. Donald Trump füllt die Hallen und elektrisiert seine Anhänger. Aktuell sind rund 46 Prozent der Amerikaner -im Durchschnitt aller Umfragen - mit der Arbeit des US-Präsidenten zufrieden. Das ist der höchste Wert seit dessen Amtsantritt.

Donald Trump elektrisiert seine Anhänger.
Donald Trump elektrisiert seine Anhänger.

© Patrick Semansky/AP/dpa

Der „Economist“ hat errechnet, dass Trumps Gegenkandidat bei der Wahl am 3. November mit einem Abstand von rund 2,5 Prozent aller abgegebenen Stimmen vor dem Amtsinhaber liegen muss, um auf eine Mehrheit der Wahlmänner zu kommen. Und allein die zählen.

Die Tagesspiegel-Datenredaktion hat eine umfassende interaktive Bilanz der Amtszeit von Donald Trump erstellt. Von Arbeitslosigkeit bis Verschuldung: Was hat sich für Amerikaner bisher geändert? Wie sind die Chancen seiner Wiederwahl? Drei Jahre in 15 Grafiken. Hier geht’s zum Text

Im Fokus

Der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, wird geschäftsführender Geheimdienstkoordinator im Weißen Haus, jedenfalls vorübergehend. Seinen Job in Berlin behält er, der Senat wird gar nicht erst um eine Bestätigung der Personalie gebeten. In den USA verfügen 17 verschiedene Geheimdienste über ein jährliches Budget von 60 Milliarden Dollar.

Richard Grenell, US-Botschafter.
Richard Grenell, US-Botschafter.

© REUTERS/Denis Balibouse/File Photo

Grenells Nominierung stieß auf ein geteiltes Echo. Jim Talent, der mit Grenell im Jahr 2012 für Mitt Romney gearbeitet hatte, freut sich über die „starke Wahl“, Grenell habe internationale Erfahrung und finde sich schnell in neue Rollen ein. David Andelman, ehemaliger Auslandskorrespondent der „New York Times“, spricht dagegen vom „falschen Mann zur falschen Zeit“. Grenell polarisiere, reiße Brücken ein, statt welche zu bauen, und er werde dem Präsidenten womöglich keine objektiven Informationen liefern. Außerdem kursieren Berichte, wonach Grenell für eine dubiose ungarische Stiftung sowie für einen osteuropäischen Oligarchen tätig gewesen sein soll, der jetzt auf der Flucht ist.

Die Debatte

In dieser Woche war die Debatte um Abtreibung erneut Thema in den USA. Gleich zwei Anti-Abtreibungsgesetze setzte Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, am vergangenen Dienstag auf die Tagesordnung: Das erste Gesetz hätte Spätabtreibungen nach der 20. Woche fast unmöglich gemacht. Das andere soll nach Aussage von Abtreibungsgegnern Babys schützen, die bei einer versuchten Spätabtreibung lebend zur Welt kommen. Sachverständige sagen, das komme so gut wie nie vor.

Dass beide Gesetze die nötigen 60 Stimmen verfehlen würden, war klar. Die Republikaner bringen sie trotzdem jedes Jahr wieder ein und scheitern (auch weil einige Republikanerinnen bei dieser Abstimmung die Seiten wechseln). Denn die Debatte um Abtreibungen hat in diesem Wahlkampfjahr einen besonderen Resonanzboden.

Der Kampf gegen Abtreibungen ist für viele konservative religiöse Wähler extrem wichtig. Neue Hoffnung haben sie geschöpft, als Donald Trump den Konservativen am Verfassungsgericht mit den von ihm ernannten Richtern Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh zu einer Mehrheit verholfen hat.

Religiöse in den USA sehen eine neue Dynamik und hoffen, das Gericht könne „Roe v. Wade“ kippen, jenes Urteil von 1973, das Abtreibungen erlaubt. Donald Trump hingegen hat sich auf die Seite der Abtreibungsgegner gestellt und spricht diese Gruppe immer wieder gezielt an. Erst im Januar trat er als erster Präsident bei einem „March for Life“ auf, einer Großdemonstration von Abtreibungsgegnern in Washington D.C., und erklärte: „Ungeborene Kinder hatten niemals einen stärkeren Vertreter im Weißen Haus.“ Die Gesetzesinitiative im Senat in dieser Woche hat das unterstrichen, bringt Gegner und Befürworter auf die Barrikaden und solche Demokraten in Schwierigkeiten, die in religiös geprägten Bundesstaaten antreten.

Was läuft auf Social Media?

Ist Sanders ein „Kommunist“, wie manche behaupten? Eine Krankenversicherung für alle, wie er sie fordert, taugt dafür nicht als Beleg. Aber am vergangenen Montag sagte er in einem CNN-Interview in Bezug auf Kuba: „Es ist unfair zu behaupten, dass alles schlecht ist.“ Fidel Castro etwa habe nach seinem Amtsantritt ein umfassendes Alphabetisierungsprogramm aufgelegt. Unter dem Hashtag #Bernieisacommunist wurde Sanders daraufhin vorgeworfen, das Regime eines gewalttätigen Diktators zu relativieren. Der Senator aus Vermont wurde gar mit Stalin und Trotzki verglichen.

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Leseempfehlungen

Das Pew Research Center, eines der wichtigsten Umfrage- und Sozialforschungsinstitute in den USA, hat untersucht, welche Themen Demokraten und Republikaner wichtig finden. Vor allem, aber nicht nur beim Umweltschutz fällt die Bewertung weit auseinander. Yannik Achternbosch aus dem Tagesspiegel Innovation Lab hat die Daten grafisch aufbereitet. Das können Sie sich hier anschauen

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Die Demokraten kannibalisieren sich mit ihren vielen Kandidaten selbst, fürchten Kommentatoren. Gebt auf, flehen sie. Unsere Auflistung der Top-Platzierten nach Delegierten, Geld, Unterstützern, Narrativ und Wählbarkeit im Vergleich zu Trump macht deutlich, warum noch niemand aufgibt. Lesen Sie hier den Text.

Alle gegen Bernie – so kann man das jüngste TV-Duell der Demokraten in South Carolina zusammenfassen. Alle anderen Kandidaten gingen Sanders hart an, hat Juliane Schäuble beobachtet. Aber dem gelang es, die Debatte auf andere Themen zu lenken. „Am ehesten verfing noch der Vorwurf, Sanders verschrecke mit seinen Vorschlägen moderate Wähler und habe deswegen bei der Präsidentschaftswahl im November keine Chance gegen Trump.“ Mehr lesen Sie hier.

Die Demokraten sind in Panik, Bernie Sanders spaltet mit seinem „demokratischen Sozialismus“ die Partei. Der 78-Jährige begeistert dabei vor allem junge Leute, und Malte Lehming fragt: Kann so einer Präsident werden? Ja, durchaus, denn Sanders wirke authentisch und sein Programm sei zwar teuer, aber stringent. „Sanders ist anti-militaristisch, anti-elitär, anti-kapitalistisch.“ Die Sehnsucht nach einem solchen Politiker sei bei einem Teil der Wähler groß – und damit auch der Wille nach einem Wandel. Lesen Sie hier den Text.

Was sagt Obama zu den Vorwahlen?
Was sagt Obama zu den Vorwahlen?

© Ashlee Rezin/Chicago Sun-Times/AP/dpa

Was meint Barack Obama zu den Vorwahlen der Demokraten? Für welchen Kandidaten schlägt sein Herz? Obamas Wort hat Gewicht und könnte den Ausschlag geben, zumal für das Votum vieler schwarzen Wähler. Aber Obama hält sich bedeckt. Er verhalte sich „neutral und passiv“, heißt es in einem Psychogramm des Ex-Präsidenten im „New York Magazine“. Der Grund: Sollte es bis zum Parteitag im Juli in Milwaukee keinen klaren Sieger geben, brauche die Partei einen „ehrlichen Makler“, der die zerstrittenen Lager versöhnt. Hier geht es zum Artikel

Apropos Milwaukee - und abgesehen von dem jüngsten Amoklauf dort: Es sei gut möglich, dass die Einwohner dieser Stadt, die von deutschen Einwanderern geprägt wurde, bei der Präsidentschaftswahl den Ausschlag geben, analysiert das Magazin „New Yorker“. In den Vororten leben überwiegend weiße WOW-Wähler aus Waukesha, Ozaukee und Washington, und um die Stimmen der schwarzen Einwohner, die mit knapp vierzig Prozent stark vertreten sind, wirbt der BLOC – Black Leaders Organizing for Communities. In den Staaten Wisconsin, Michigan und Pennsylvania dürfte sich die Wahl entscheiden. Hier geht es zum Artikel  

Eine Frage an Josef Joffe

Trump (73), Sanders (78), Bloomberg (78), Biden (77), Warren (70): Sind die USA auf dem Weg in die Gerontokratie?

Im Durchschnitt sind sie 75, und das ist gut so. Endlich wieder Respekt für das Alter – für Erfahrung und Lebensweisheit. Es ist auch gerecht, weil die Bevölkerung immer älter wird. Ronald Reagan, einer der Größten, war zum Schluss 78 und hat nie einen Krieg angefangen. Adenauer, der bedeutendste Kanzler, war 87, als er aufhörte. De Gaulle, ein Gigant, war 79.

Hand aufs Herz: Wollen wir von Kevin Kühnert (30) regiert werden? Leider ist Trump ein 73 Jahre alter Teenie. (Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit". Im Tagesspiegel erscheint wöchentlich seine Kolumne "Was macht die Welt?")

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