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Moderatorin Anne Will.

© dpa

TV-Duell zwischen Merkel und Steinbrück: Anne Will: „Der Ball liegt bei Merkel und Steinbrück – nicht bei uns“

Zusammen mit ihren Kollegen Maybrit Illner, Peter Kloeppel und Stefan Raab versucht Anne Will am Sonntagabend den Kanzlerkandidaten im TV-Duell auf den Zahn zu fühlen. Im Tagesspiegel-Interview spricht die Moderatorin über Klamauk und Ernst beim TV-Duell und gestrandete Pottwale an der Küste.

Frau Will, it’s showtime, das „Duell“ steht vor der Tür. Schon aufgeregt? Was lachen Sie, es geht doch um eine ernste Sache!
Aufgeregt würde ich nicht sagen. Konzentriert trifft’s eher.

Was für eine langweilige Antwort.
Was für eine langweilige erste Frage, mal ehrlich!

O. k., dann eben anders. Haben Sie ein Faible für Schwererziehbare?
Hab’ ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht. Warum fragen Sie?

Müssen Sie haben, wenn Sie freiwillig mit Stefan Raab ein Team bilden.
Ich empfinde Stefan Raab nicht als schwer erziehbar. Der Mann ist ganz normal. Jedenfalls ist mir nichts Gegenteiliges aufgefallen.

Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Beim letzten Duell waren ARD und ProSiebenSat1 auch schon ein Team, und jetzt ist es eben wieder so. Nichts Sensationelles.

Wir wären aufgeregt, wenn wir in einer so wichtigen, hochpolitischen Sendung (Bundestagswahl!) ausgerechnet neben Stefan Raab stünden. Man weiß doch nie, was diesem Mann …
… überhaupt nicht. Was haben Sie denn für einen Eindruck von Stefan Raab? Wir haben uns im Vorfeld ein paar Mal getroffen, wir telefonieren regelmäßig, das läuft alles professionell. Im Übrigen halte ich es da mit der Bundeskanzlerin und mische mich nicht in die Personalvorschläge anderer Sender ein. Ich nehme es, wie es ist. Und freu’ mich drauf!

Wenn Sie es selbst hätten bestimmen können, wen hätten Sie zum Mann an Ihrer Seite gemacht?
Darüber habe ich nie nachgedacht. Denn so oder so müssen sich vier Leute, die in dieser Form noch nie zusammengearbeitet haben – es sind ja auch noch Maybrit Illner und Peter Kloeppel dabei –, gemeinsam auf eine einzige Sendung vorbereiten. Und die sollte so gelingen, dass so etwas wie eine gemeinsame Idee erkennbar wird. Und das alles ohne Proben.

Sie gehen aufs Spielfeld ohne trainiert zu haben. Das kann ja nur schiefgehen.
Na, so schlimm wird es schon nicht werden.

Was, wenn Stefan Raab mit einem Apfel wirft?
Kann er nicht. Wir dürfen nichts mit ins Studio nehmen, keinen Apfel, gar nichts.

Auch keinen Wok?
Auch den nicht. Das wird eine ganz ernsthafte Veranstaltung.

Zum Einschlafen.
Finde ich nicht. Ich glaube, die Zuschauer wollen sehr wohl etwas erfahren, nämlich, worin genau sich die Kandidaten in ihren Haltungen unterscheiden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Unsere Aufgabe ist es, das herauszuarbeiten. Ohne Klamauk. Das klingt jetzt vielleicht spießig staatsbürgerlich, aber Politik ist nun mal eine ernste Sache, und die Wähler sollen wissen, was sie politisch erwartet. Besonders all diejenigen, die noch unentschieden sind.

Ein bisschen Spaß muss aber doch erlaubt sein!
Klar. Nur liegt der Ball vor allem bei Merkel und Steinbrück. Nicht bei uns. Die beiden müssen überzeugen. Und je knackiger und wortgewaltiger sie das machen, umso besser.

Frau Merkel gilt vielen als unbefragbar. Wie wollen Sie diese Frau knacken?
Na ja, befragen kann man sie schon. Wir würden uns vor allem wünschen, dass sie und Steinbrück direkt aufeinander eingehen, es also ein wirkliches Duell gibt.

Es sollte also scharf geschossen werden.
Schön wär’s. Bisher hat die Kanzlerin Peer Steinbrück bei ihren Wahlkampfauftritten ja völlig ignoriert, so als gäbe es ihn gar nicht.

Warten wir also auf die Hammerfrage, die uns aus den Sesseln heben wird.
Genau das eben nicht. Ich habe schon jede Menge E-Mails bekommen, in denen mir irgendwer vorschlägt, welche Frage ich aber unbedingt stellen sollte. Sie glauben gar nicht, was da so alles kommt.

Und, was Schönes dabei?
Bisher noch nicht. Mir geht es ohnehin nicht um den Brüller, um den mich noch meine Enkel beneiden werden. Mir geht es darum, in diesen 90 Minuten möglichst viele Themen zu beackern. Ganz unspektakulär.

Diese Bescheidenheit, diese Zurückhaltung! Vollkommen unglaubwürdig!
Ich glaube tatsächlich, dass es für uns Journalisten darum geht, möglichst uneitel an die Sache heranzugehen. Ich bin da eine unter vieren. Provokationen helfen nicht richtig weiter. Und Blumentöpfe gewinnt man sowieso woanders.

Was darf auf keinen Fall passieren?
Ich würde mich ungern versprechen und einen dieser fiesen Youtube-Momente produzieren, die man nie wieder loswird. Das wär’ schon blöd. Besonders doof sind übrigens echte Versprecher, solche, die einem selbst überhaupt nicht auffallen, so dass man sie auch nicht mehr korrigieren kann.

Ist Ihnen das schon mal passiert?
Ja, und dann auch noch ausgerechnet bei den „Tagesthemen“. Ich kann Ihnen aber leider nicht sagen, was es genau war. Hab’ ich wahrscheinlich total verdrängt.

„Nur wer Spaß hat, kann einen guten Job machen“, Zitat Anne Will.

„Nur wer Spaß hat, kann einen guten Job machen“, Zitat Anne Will. Super Satz. Werden wir viel Spaß haben mit Ihnen und Raab und den beiden anderen?
Ich werde garantiert Spaß haben. Mir macht die Konzentration auf so etwas riesigen Spaß. Aber wenn Sie auf ein Feuerwerk an Gags hoffen sollten – das verspreche ich jetzt lieber mal nicht.

Auch nichts Persönliches?
Doch, da und dort schon. Aber wenn Sie Spitzenpolitikern ohne Sinn und Verstand plötzlich persönlich kommen oder mit Polemik, dann kommen Sie in der Regel nicht weit. Nach der zweiten, spätestens nach der dritten Frage dieser Art bekommen Sie garantiert zu hören, schön und gut, aber können wir jetzt bitte endlich zu den Inhalten kommen. Also halte ich es für effektiver, gleich über die Inhalte zu gehen.

Sie sind Journalistin. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie den Kandidaten mächtig auf die Nerven gehen.
Das dürfen Sie auch. Die Frage ist aber doch, wie. Ich fände es zum Beispiel albern, Peer Steinbrück zu sagen, dieses oder jenes habe er im Wahlkampf schon 25 Mal genau so gesagt, er möge sich doch mal was Neues einfallen lassen. Oder: Frau Merkel, Sie nerven mich mit Ihrer Sprache aber so was von. Das bringt nichts.

Warum nicht?
Weil es nur Geplänkel ist.

Wie viel ist vorher abgesprochen, mit den Politikern, mit den Beratern der Politiker, mit den Beratern der Berater, mit …?
Nichts. Gar nichts. Bis auf die Themenfelder, die wir behandeln werden. Und wer die erste Frage gestellt bekommt und wer das letzte Wort haben wird. Aber keine einzige Frage und auch sonst nichts.

Werden Sie das Duell eröffnen?
Nein, das werden Maybrit Illner oder Peter Kloeppel machen. Und dann bleiben für jeden von uns circa 20 Fragen.

Die Sie sich alle selbst ausgedacht haben?
Klar, gemeinsam mit Andreas Schneider, meinem Redaktionsleiter bei „Anne Will“, mit dem ich auch schon lange beim RBB zusammen moderiert habe. Beim Joggen habe ich über Fragen nachgedacht, beim Spazierengehen, eigentlich überall und immer mal. Und dann haben wir diskutiert und uns mit den anderen Redaktionen abgestimmt.

Aber glänzen wollen Sie schon?
Es geht nicht um mich, es geht um die beiden Kandidaten. Die stehen im Mittelpunkt. Wir stellen nur die Fragen. Und zwar als Mannschaftssport.

Wie ehrgeizig sind Sie?
Natürlich möchte ich die Aufgabe ordentlich lösen. Das heißt aber nicht, dass ich die brillanteste Frage aller Zeiten gestellt haben muss. Gut zuzuhören, darum wird es vor allem gehen. Konzentrationsleistung statt Glanzleistung.

Mit der Teilnahme am „Duell“ haben Sie es endgültig in den Fernseholymp geschafft. Ist das der Ritterschlag, von dem Sie immer geträumt haben? Sind Sie jetzt ganz oben?
Weiß nicht, ob ich das so nennen würde. Aber es ist definitiv eine große Sache.

Nehmen wir nur zum Spaß an, ich wäre Angela Merkel. Ihre erste Frage, bitte!
Ich weiß, das hätten Sie jetzt gerne. Aber die Frage, die ich im Kopf habe, werde ich Ihnen natürlich nicht verraten.

Dann die zweite Frage. Oder die erste Frage an Peer Steinbrück.
Tut mir leid. Sie beißen auf Granit.

Muss so viel Geheimniskrämerei wirklich sein?
Allerdings. Wenn die Fragen bekannt sind, können wir es eigentlich auch gleich lassen.

Unausgesprochen liegt bei Veranstaltungen wie dem „Duell“ die Vermutung in der Luft, dass sowieso alles irgendwie abgesprochen sei. Dass sich der Klüngel schon nicht gegenseitig auf die Füße treten wird. Haben Sie keine Angst, dass das auch auf Sie zurückfallen könnte? Sie haben einen Ruf zu verlieren!
Na, wer etwas von dem versteht, was ich mache, der merkt doch sofort, dass in den Interviews und Gesprächen, die ich führe, sich vieles spontan entwickelt, trotz der Karteikarten, die ich in meinen Händen zusammenrolle. Dennoch werde ich immer wieder gefragt, sag mal, das ist doch alles abgesprochen, was du da machst, oder? Anscheinend gibt es ein weit verbreitetes Misstrauen gegenüber allem, was im Fernsehen passiert. Dabei müsste doch jeder, der genau hinsieht, nach drei Sekunden merken, dass Nachfragen zum Beispiel spontan gestellt sein müssen.

Gehören Sie nun zum Klüngel oder nicht?
Sie werden mich auf beinahe keiner dieser üblichen Partys oder Empfänge finden, ich bin nicht Teil des Polit-Zirkusses. Arm in Arm mit der Kanzlerin an der Theke, das gibt’s mit mir nicht. Aber mit ihr vermutlich auch nicht.

Kennen Sie Frau Merkel?
Ich bin ihr ein paar Mal beruflich begegnet. Aber ich kenne sie nicht.

Wie könnte man das Vertrauen in das Fernsehen wiederherstellen?
Ich weiß es nicht. Nehmen wir meine Sendung „Anne Will“. Wir schneiden nichts, die Zuschauer im Studio können uns ganz direkt bei unserer Arbeit zuschauen. Aber vielleicht hat das Misstrauen gar nicht ausschließlich mit dem Fernsehen zu tun, vielleicht kommt es auch woanders her.

Woher denn?
Vielleicht überträgt sich da etwas aus der Politik auf uns. Das Misstrauen in die Politik ist groß, viele glauben gar nichts mehr. Warum sollten sie also glauben, im Fernsehen wäre alles anders? Das ist sicher ein Problem, mit dem wir auch zu kämpfen haben.

Warum das Duell ohne Privates auskommen muss

Werden wir heute auch wieder diesen schönen Knopf in Ihrem schönen Ohr sehen? Ihre direkte Verbindung zur Chefredaktion, die Ihnen sagt, was Sie fragen sollen?
Ja, ich werde einen Knopf im Ohr haben. Wie wir alle. Nein, der Chefredakteur wird mir nicht sagen, was ich zu fragen habe. Ja, er wird mir etwas sagen. Aber nur, wie viel Zeit mir noch für meine Fragen bleibt.

Frau Will, vom Politischen zum Privaten: Was werden Sie anziehen? Einen Ihrer eleganten Anzüge?
Der wird’s wohl werden. Ich werde mich sicher kurzfristig mit Maybrit Illner abstimmen. Wir beide im selben Trikot, das wäre nicht so gut.

Müssen Sie nicht Rücksicht auf die Kanzlerin nehmen? Die kommt doch auch gerne in Jacke und Hose.
Stimmt, aber keine Ahnung, ob wir dann noch die Zeit haben, uns umzuziehen. Ansonsten gilt: weder Rot noch Grün noch Gelb noch Schwarz. Beim letzten „Duell“ kam Frau Merkel in Schwarz.

Die Politik hat kurz vor der Wahl die politische Kraft des Privaten entdeckt. Die Kanzlerin in kurzen Hosen beim Campen, außerdem gesteht sie, bei Männern auf schöne Augen zu achten, Horst Seehofer lässt sich von seiner Frau Weißwürste servieren, Peer Steinbrück lässt sich von seiner Frau zum Weinen bringen, Helmut Kohls Leibgericht war …
… Saumagen!

Leider falsch: Spaghetti Carbonara. Aktuell erleben wir, wie das ganz Private als Mittel der Politik eingesetzt wird. Wie finden Sie das?
Überhaupt nicht neu. Und auch nicht besonders sensationell. Wenn die Kanzlerin der „Brigitte“ ein paar Nettigkeiten erzählt, dann sehe ich darin noch keinen Strategiewechsel. Im Übrigen hat Angela Merkel selbst dazu gesagt, dass sie gar nicht verstehe, dass alle Welt nun so verblüfft sei. Sie habe der Fotografin Herlinde Koelbl doch schon vor Jahren sehr offen auf viele Fragen geantwortet, und zwar derart offen, dass sie sich heute noch wundere. Lassen wir also dem Horst seine Weißwürste und der Kanzlerin ihre kurzen Hosen. Das ist vermutlich nicht wahlentscheidend.

Das „Duell“ wird also ohne Privates auskommen müssen. Schade.
Sie wären doch die Ersten, die sagen würden, die Will hat wohl einen Sockenschuss, wenn ich Angela Merkel fragen würde, was sie gerne zu Mittag isst!

Könnte die Kandidaten aber auch aus dem Konzept bringen. Und uns würde so was brennend interessieren!
Ich finde die Frage „Was essen Sie zu Mittag?“ keine gute Frage. Fragen müssen irgendwohin führen, sonst sind sie sinnlos. Und diese Frage führt eher nirgendwo hin.

Da haben wir etwas für Sie: Fragen, die uns präzise zu Ihnen führen: Was bringt Sie zum Weinen, kochen Sie und wenn ja, was? Ihre Jugendfotos können Sie uns ja noch später zeigen.
Was mich zum Weinen bringt? Herzzerreißende Abschiedsszenen oder Happy Ends im Fernsehen oder die Nachricht in der „Tagesschau“, dass zehn Pottwale an einer Küste gestrandet und verendet sind. Koche ich? Achtung, Sensation: ja! Seit Neuestem, das habe ich vorher nie gemacht. Was? Nudeln mit Gemüse, Reis mit Gemüse, Reis mit Fisch. Ich nenne das Kochen, wie andere das nennen, weiß ich nicht.

Warum haben Sie denn jetzt auf die Frage nach diesen privaten Dingen geantwortet? Hätten Sie nicht gemusst. Und haben wir eigentlich auch nicht erwartet, dass Sie es tun würden.
Vielleicht, weil ich nicht glaube, dass ich Ihnen mit diesen Details irgendetwas Wichtiges über mich verraten hätte.

Warum wollen Sie nicht, dass bekannt wird, was für Sie wichtig ist?
Das, was mir in meinem Beruf wichtig ist, das erfahren Sie ja, oder Sie sehen es an meiner Arbeit. Was mir sonst wichtig ist, hat da nichts zu suchen.

Wir nennen Sie unter uns klammheimlich „Die Auster“. Weil Sie so verschwiegen sind. Warum öffnen Sie uns und allen anderen nicht einfach mal Ihr Herz? Dann wären Sie für alle Zeit alle Sorgen los – und alle Fragen.
Na, Sie als erfahrene Medienmänner wissen sehr genau: Dann gehen die Sorgen erst richtig los.

Ihr ganzes Berufsleben besteht aus Fragen, immer nur Fragen! Der tollste Job der Welt?
Definitiv einer der schönsten. Besonders nett daran: Man braucht überhaupt kein Equipment. Es reicht, den eigenen Kopf mitzubringen.

Was ist schwieriger: fragen? Oder antworten?
Für mich: antworten.

Was kommt nach dem „Duell“? Business as usual – oder bereiten Sie sich langsam auf größere Aufgaben vor?
Da widme ich mich wieder mit Volldampf meiner wöchentlichen Sendung. Ganz große Aufgabe.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

Anne Will, 47, startete beim RBB und beim Sport. Sie präsentierte als erste Frau die „Sportschau“ im Ersten. Von 2001 bis 2007 moderierte sie die „Tagesthemen“, ehe sie in der Nachfolge von Sabine Christiansen den Talkplatz am Sonntag im Ersten übernahm. Nach vier erfolgreichen Jahren wechselte sie mit ihrer Sendung „Anne Will“ nach Mittwoch. Mit ihrer Firma Will Media GmbH produziert sie die eigene Talkshow in Berlin-Adlershof. Will lebt in Berlin. Ihre Lebensgefährtin ist die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel.

Wir begleiten das TV-Duell am Sonntagabend ab 20.15 Uhr in einem Liveblog auf www.tagesspiegel.de.

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