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SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst beim einzigen TV-Duell

© Oliver Berg/dpa

Update

TV-Duell und neue NRW-Umfrage: Ein weiterer CDU-Sieg könnte Scholz' Ampel erschüttern

In der SPD fürchten sie Schwarz-Grün in NRW. Im einzigen TV-Duell werden Unterschiede sichtbar – und eine neue Umfrage ist für eine Ampel-Partei dramatisch.

Wahlkampf zu machen in diesen Zeiten, das ist kein Vergnügen. Hendrik Wüst konnte es immer wieder erleben: Trillerpfeifen, „Kriegstreiber“-Rufe. So auch im Beisein von CDU-Chef Friedrich Merz in Olpe. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wüst soll für Merz das erreichen, was Daniel Günther in Schleswig-Holstein mit Bravour geschafft hat: Einen CDU-Wahlsieg, um die Ampel im Bund treiben und destabilisieren zu können.

Im einzigen TV-Duell vor der Wahl lieferten sich Wüst und sein SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty am Donnerstagabend einen sachlichen Schlagabtausch – allerdings konnten beide nicht Passagen aus den Wahlprogrammen ihren jeweiligen Parteien zuordnen.

Kutschaty prangerte Krankenhausschließungen an, die SPD dagegen werde auch unrentable Krankenhäuser und Geburtsstationen erhalten, Profitdenken sei hier der falsche Ansatz. Ebenso könne es nicht sein, dass 5000 Lehrerstellen unbesetzt seien, vor allem an Grundschulen. „Deswegen brauchen wir da eine bessere Bezahlung“, sagte Kutschaty.

Wüst punktete mit den Erfolgen bei der inneren Sicherheit und mit dem nun auch von der SPD kopierten Modell der Talentschulen mit mehr Lehrern, kleineren Klassen und besserer Betreuung und Ausstattung in sozial schwierigen Stadtteilen.

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600 Polizisten sind zusätzlich eingestellt worden, aber dennoch gibt es in NRW weiter die geringste Polizeidichte pro Kopf. Wüst und Kutschaty sorgen sich, ob die wichtige Stahlindustrie die Umstellung auf eine Produktion mit Wasserstoff statt fossiler Energie schaffen kann.

Schwarz-Grün könnte möglich werden, FDP droht Debakel

In einem am Donnerstagabend veröffentlichten ZDF-Politbarometer kommt die CDU auf 32 Prozent (2017: 33,0), die SPD auf 29 Prozent (2017: 31,2). Die Grünen könnten deutlich zulegen auf 17 Prozent (2017: 6,4), während der FDP mit sechs Prozent eine Halbierung ihres Ergebnisses von 2017 droht. Damals hatte die FDP 12,6 Prozent geholt.

„Es wird einen wahnsinnigen Druck aus Berlin geben“, sagt ein enger Vertrauter von Wüst im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Denn auch wenn die CDU am Sonntag vor der SPD liegen sollte, will SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty probieren, ein Bündnis gegen die CDU zu schmieden. Sollte es nicht mit den Grünen reichen, bliebe die Ampel als Option.

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Die Wahlkampf-Linie der SPD-Spitze um Lars Klingbeil ist es, dass ein SPD-Ministerpräsident den direkten Draht zum Kanzler hätte. Der Subtext: Er kann eher Geld locker machen, etwa wenn es Arbeitsplätze zu retten gilt. Daher ließ Kutschaty in der Endphase Plakate von sich mit Olaf Scholz plakatieren. Für den Kanzler geht es nicht nur darum, dass das Verhandeln mit dem Bundesrat einfacher werden könnte, sondern auch um die Frage, ob die Geschlossenheit in der SPD hält.

In seiner Partei tun sie sich besonders schwer, weiteren schweren Waffenlieferungen an die Ukraine zuzustimmen – fürchtend, dass Russlands Präsident Wladimir Putin das irgendwann als Kriegseintritt Deutschlands werten könnte.

Seit Wochen liegen dem Bundessicherheitsrat von Scholz und seinen wichtigsten Ministern Anträge auf die Genehmigung einer Lieferung von rund 100 Marder-Panzern und 88 Leopard-Panzern vor, aber eine Entscheidung ist bisher nicht bekannt. Die genehmigte Lieferung von bis zu 50 Gepard-Panzern könnte unterdessen an der fehlenden Munition scheitern. Erste Experten mutmaßen Taktik. „Im Kanzleramt sitzen die Blockierer“, merkt ein Vertreter der Rüstungsbranche an.

Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident Hendrik Wüst will wie Daniel Günther in Schleswig-Holsteinen einen CDU-Sieg einfahren. Das würde auch CDU-Chef Friedrich Merz stärken.
Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident Hendrik Wüst will wie Daniel Günther in Schleswig-Holsteinen einen CDU-Sieg einfahren. Das würde auch CDU-Chef Friedrich Merz stärken.

© Michele Tantussi/REUTERS / Michele Tantussi/REUTERS

Im WDR sagt Scholz: „Die SPD wird den nächsten NRW-Ministerpräsidenten stellen.“ Mit einem gewissen Hang zur Arroganz hat er in den Bund-Länder-Runden den Ministerpräsidenten Wüst wiederholt spüren lassen, was er von ihm hält. Doch intern ist auch anderes zu hören: Da kein Rückenwind aus Berlin zu spüren ist und Wahlforscher auch keine Wechselstimmung sehen, stellen sich einige in der SPD bereits auf eine Niederlage ein.

Schwarz-Grün wäre ein großes Problem - für SPD und FDP

Zur Schlüsselfrage dürfte werden, ob es danach für eine Zweier-Koalition reichen wird. Die bisherige CDU- FDP-Regierung wird wohl keine Mehrheit mehr erreichen – wenn es dann für Schwarz-Grün reichte, würde das Fliehkräfte vor allem in der SPD, aber auch in der FDP entfalten, die anders als die Grünen bisher nicht von der Ampel-Koalition im Bund profitiert.

Und eine neue CDU-Annäherung der Grünen könnte zu einer dritten Fliehkraft für das Bündnis werden. Koalitionäre berichten schon von zunehmenden Eifersüchteleien zwischen Christian Lindner (FDP) und dem medial omnipräsenten Vizekanzler Robert Habeck (Grüne).

Der Wirtschaftsminister nervt den Finanzminister und FDP-Chef Lindner mit immer neuen Ideen und Forderungen. Auch in Schleswig-Holstein ist Schwarz-Grün denkbar – und sollte die Ampel im Bund unter Druck geraten, könnte die CDU versuchen, FDP und Grüne auch ohne Neuwahl in ein Jamaika-Bündnis zu locken. Besonders stabil wirkt die Koalition bisher nicht; viele halbgare Gesetzesentwürfe zeugen von handwerklichen Problemen.

Kanzler Olaf Scholz will sich von Friedrich Merz nicht treiben lassen.
Kanzler Olaf Scholz will sich von Friedrich Merz nicht treiben lassen.

© Odd Andersen/AFP

Das Wunsch-Szenario für die SPD wäre es, wenn es für Rot-Grün reichen würde, das würde Kutschaty am ehesten den Weg zur Macht ebnen. Eine Ampel wäre weitaus schwieriger, weil die FDP bisher gut mit der CDU regiert und Wüst, vor allem wenn er auf Platz eins liegen und zwei Partner brauchen sollte, die Regierungsbildung über ein Jamaika-Bündnis für sich reklamieren würde. Viel wird von den Abständen am Wahlabend abhängen.

Wüst macht Habeck Avancen

In der SPD registrieren sie genau, wie Wüst in der Endphase die Grünen umgarnt. „Ich unterstütze Robert Habeck beim Ausbau der Erneuerbaren“, flötet er bei n-tv. Beim Wahlkampf in Köln betont er, man müsse rasch raus aus der „vermaledeiten Abhängigkeit“ von russischem Gas, dürfe aber den Menschen „nicht zu nah auf die Pelle rücken“. Zu den Abstandsregelungen zwischen Windrädern und Wohnhäusern sagt er: „Wenn vor Ort gewünscht, können die 1000 Meter auf bis zu 720 Meter unterschritten werden.“

Und es gebe in Nordrhein-Westfalen noch große ungenutzte Flächen: „Eine ganz prominente ist zum Beispiel der ehemalige britische Militärflughafen Elmpt am Niederrhein. Da sind einst die Senkrechtstarter aufgestiegen und gelandet, jetzt startet und landet dort die Feldlerche. Das wäre ein Ort, um einen Windpark zu bauen, und ich unterstütze Robert Habeck, der ja gesagt hat, er will eine neue Balance zwischen Ausbau der Erneuerbaren und dem Artenschutz“, stichelt Wüst.

Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat der SPD, gibt im Wahlkampf den Zuhörer und Kümmerer.
Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat der SPD, gibt im Wahlkampf den Zuhörer und Kümmerer.

© Henning Kaiser/dpa

Wüst (46) und Kutschaty (53) gehören einer pragmatischen Politikergeneration an. Der eine kommt aus Westfalen, der andere aus dem Ruhrgebiet, beide sind Volljuristen, beide Parteichefs.

Wüst versteht sich als Erbe der liberalen Politik seines Vorgängers Armin Laschet. Man sollte dennoch nicht vergessen, dass er 2004 in der „Bild“-Zeitung auch schon mal vorschlug, Arbeitslose als Räumkommando für Unappetitliches zwangszuverpflichten: „Warum sollen Arbeitslose nicht Spielplätze sauber halten, die häufig mit Hundekot, Glasscherben und Drogenspritzen verschmutzt sind?“

Der eine setzt auf den Kanzler, der andere auf Herbert Reul

Er wirbt vor allem mit den Erfolgen der CDU: 400.000 neue Arbeitsplätze, tausende Lehrer und Polizisten eingestellt, hartes Vorgehen gegen kriminelle Clan-Strukturen. Während Kutschaty auf den Kanzler setzt, setzt Wüst als Zugpferd auf seinen Innenminister Herbert Reul (CDU).

Kutschaty kämpft auch gegen die Vergangenheit: Viele haben die rot-grünen Regierung in schlechter Erinnerung, vor allem was den Bildungsbereich, marode Verkehrsinfrastruktur und innere Sicherheit betrifft. Kutschaty war immerhin sieben Jahre Justizminister unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Heute redet er nicht so gerne über das Gestern: „Für Euch gewinnen wir das Morgen“, lautet sein Motto.

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