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Waren Sie am Sonntag in der Kirche? Die Frage von Sandra Maischberger überraschte Angela Merkel und Martin Schulz.

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TV-Duell Merkel gegen Schulz: "Wie hast du's mit der Religion?"

Waren Sie am Sonntag in der Kirche? Das wollte Sandra Maischberger im TV-Duell von Angela Merkel und Martin Schulz wissen. Es folgte ein seltsamer Dialog.

Es war die Gretchenfrage, „Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?“, und sie traf die Kontrahenten sichtlich unvorbereitet. Sandra Maischberger, eine der vier Moderatoren des TV-Duells, wollte von Angela Merkel und Martin Schulz wissen, ob sie am Sonntag in der Kirche waren. Bei Gretchen geht die Frage an Faust so weiter: „Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“

Merkel entgegnete kurz: „Ich war heute nicht in der Kirche.“ Dabei wirkte die Pfarrerstochter und Vorsitzende der großen christlichen Volkspartei CDU, als sei sie bei einem Vergehen ertappt worden, das sie beichten müsse. SPD-Herausforderer Schulz konnte immerhin mit einer Friedhofskapelle in Sacrow bei Potsdam aufwarten. Dort habe er das Grab seines Freundes, des vor drei Jahren verstorbenen Publizisten Frank Schirrmacher, besucht. Rasch legte Merkel nach. Einen Tag zuvor sei sie, zum Todestag ihres Vaters, in jener kleinen Kirche gewesen, die dieser aufgebaut hätte. Darauf wieder Schulz: Im stillen Kämmerlein hätten sie also beide gebetet.

Es war ein seltsamer Dialog. Ist Religion nicht ohnehin Privatsache? Auch in den sozialen Medien überwog das Unbehagen. „Wen interessiert das?“, fragte einer auf Twitter. Und der Satiriker Jan Böhmermann schrieb: „Ich bin jetzt gerade in einer Kirche, innerlich. In einer sehr kalten, langweiligen, entweihten, dunklen Kirche.“

Viele Kabinettsmitglieder stehen der Kirche nahe

Deutschland ist ein Land geworden, in dem das Reden über Glaube, Spiritualität und Frömmigkeit eine Art Fremdschämen verursacht, zumal bei Politikern. Ein beträchtlicher Teil des Kabinetts – Angela Merkel, Wolfgang Schäuble, Thomas de Maizière, Hermann Gröhe, Ursula von der Leyen, Andrea Nahles – steht der christlichen Kirche zwar sehr nahe, aber diese Nähe wird tunlichst nicht thematisiert.

Ist das ein Tribut an den Zeitgeist? Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörten mehr als 90 Prozent der Deutschen einer christlichen Konfession an, heute sind es rund 56 Prozent. Die Gruppe der Konfessionslosen, die sich selbst gelegentlich „konfessionsfrei“ nennen, wächst stetig. Gerhard Schröder war der erste Bundeskanzler, der 1998 auf die Beteuerung „So wahr mir Gott helfe!“ in seinem Amtseid verzichtete.

Der Gottesdienst-Besuch am Sonntag gerät vor diesem Hintergrund zu einer exotischen Erfahrung, zu einer Reise in die Vergangenheit. Merkel und Schulz können darauf verzichten, aber offenbar nicht auf das Bekenntnis, der Kirche weder fremd zu sein noch ihr fremd sein zu wollen. Ihre Haltung ließe sich als defensive Frömmigkeit bezeichnen.

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