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Bernie Sanders nutzte nicht jede Gelegenheit zum Angriff gegen seine Konkurrentin Hillary Clinton.

© AFP

TV-Debatte der Demokraten: Hillary Clinton offensiv gegen Bernie Sanders

Idealist gegen Macherin: Bei der letzten TV-Debatte der demokratischen Kandidaten vor den Vorwahlen lieferten sich Hillary Clinton und Bernie Sanders heftige, aber faire Wortgefechte.

Gemessen am Hauen und Stechen bei den Republikanern war die letzte Fernsehdebatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber vor Beginn der Vorwahlen geradezu zivil. Auf der Bühne in Charleston, South Carolina, schlug Hillary Clintons schärfster Rivale Bernie Sanders die Einladung der Moderatoren zu persönlichen Angriffen aus.

Auf die Frage, ob die Frauen-Affären des früheren Präsidenten Bill Clinton bis hin zu erneut aufkommenden Vergewaltigungsvorwürfen ihrer Kandidatur schaden würden, sagte der 74-jährige Vertreter des linken Parteiflügels: „Ich diskutiere Politik, nicht sein Verhalten.“ Das Publikum belohnte ihn mit Beifall.

Clinton war offensiver

Kräftig aneinander gerieten die frühere First Lady und der Senator aus Vermont, der sich selbst einen Sozialisten nennt, dennoch immer wieder. Empörte Wortwechsel mit erhobenen Stimmen entfalteten sich vor allem bei drei Themen: Krankenversicherung, Umgang mit Banken-Lobbyisten und Waffenrecht.

Doch es war zumeist ein Duell mit vertauschten Rollen. In der Regel attackiert der Herausforderer den Favoriten in dieser Wahlkampfphase. Diesmal war es umgekehrt. Hillary Clinton, die in den landesweiten Umfragen führt, war die Offensivere, stellte sich als die pragmatische Macherin im Politikbetrieb dar und wies Sanders die Rolle des idealistischen Träumers zu, der zudem nicht immer die selbst gesetzten hohen Maßstäbe einhalte.

Sie sieht sich unter Druck. In den frühen Vorwahlstaaten – Iowa stimmt am 1. Februar ab, wer Präsidentschaftskandidat werden soll, New Hampshire am 9. Februar – hat Sanders mächtig aufgeholt oder sie gar überholt. Diese Dynamik muss Clinton stoppen, um nicht größere Zweifel an ihrer Eignung zu wecken. In der Altersgruppe unter 45 Jahre liegt Sanders unter demokratischen Stammwählern im Verhältnis zwei zu eins vorn.

Streitpunkt Waffenrecht

Rasch brachte Clinton eine der Schwachstellen Sanders‘ zur Sprache: sein Abstimmungsverhalten beim Waffenrecht. Mehrfach hat er Versuche zu dessen Verschärfung nicht mitgetragen, sie zählte die Daten, die zum Teil zwei Jahrzehnte zurückliegen, einzeln auf. Er verteidigte sich überraschend lahm. Die Organisation der Waffenlobby NRA gebe ihm die Note mangelhaft, er sei alles andere als ein Waffennarr. Die naheliegende Erklärung, dass er damals im Sinne seiner Wähler gestimmt habe – er stammt aus einem Staat, wo die Jagd und das Gewehr zuhause zum Alltag gehören – und dass die eine oder andere Stimmabgabe aus heutiger Sicht womöglich ein Fehler war, kam ihm nicht über die Lippen.

Mehr Temperament zeigte Sanders im Schlagabtausch über das Gesundheitswesen. Er strebt eine weiter gehende Reform der Krankenversicherung an als die unter Präsident Obama durchgesetzte und fordert ein allgemeines öffentliches System für alle Bürger wie in Europa. Clinton wirft ihm vor, damit unterstütze er die Republikaner. Auch deren Ziel sei es, Obamas Reform rückgängig zu machen. „Was für ein Unsinn!“ wies Sanders das zornig zurück. Er wolle nicht zurück, sondern weiter nach vorn. Er kämpfe für ein System, in dem jeder versichert sei. Trotz Obamas Reform seien immer noch 29 Millionen Amerikaner unversichert.

Clinton versuchte Sanders Pläne als Träumerei abzutun, ohne Chance im politischen System. „Sprechen wir hier über den Plan, den du schon neun Mal (vergeblich) im Kongress vorgestellt hast?“, spottete sie. Sie sei „enorm stolz auf das, was wir erreicht haben“ und stehe zu hundert Prozent zu Obamas Reform.

Das sei „die Schlüsselszene“ der Debatte gewesen, analysierten Kommentatoren anschließend. Als bleibenden Eindruck würden die Zuschauer ein Aufeinandertreffen von „Dreamer“ (Träumer) und „Doer“ (Macherin) mitnehmen. So hatte der übertragende Sender NBC die Debatte angekündigt.

TV-Kommentatoren: Clinton war Siegerin der Debatte

Auch Sanders hatte offensive Momente. Clinton wird in der Partei dafür kritisiert, dass sie viele Millionen Dollar von Banken kassiere - für Redehonorare und Wahlkampfspenden. Sie wie das zurück: Sie sei „eine Kämpferin“ und lasse sich nicht von Lobbyisten beeinflusse. Ihre Antwort sei „nicht gut genug“, legte Sanders nach. Wenn die Banken so viel Geld bezahlen, erwarten sie Gegenleistungen. „Jeder im Land weiß das.“

Er nutzte freilich nicht alle Chancen zum Angriff konsequent. Mit donnernder Stimme nannte er den Irakkrieg zum Sturz Saddam Husseins „die schwerwiegendste außenpolitische Fehlentscheidung der letzten Jahre“, versäumte aber hinzuzufügen, dass Hillary Clinton für den Angriff gestimmt hatte, er dagegen.

Die Fernseh-Kommentatoren sehen überwiegend Clinton als Gewinnerin der Debatte. Sie habe sich überzeugend geschlagen. Sanders sei es nicht gelungen, die Zweifel an ihrer Favoritenrolle zu verstärken. In den frühen Vorwahlstaaten Iowa und New Hampshire, wo die demokratische Basis her links tickt, hat er Chancen, sie zu schlagen. Er braucht dort klare Siege, um als ernsthafter Konkurrent wahrgenommen zu werden, und die sind nach dieser Debatte nicht sicher.

Zur dritten Vorwahl geht es in den Süden, nach South Carolina, wo die Stimmen der Afroamerikaner entscheidend sind. Danach in den Westen, nach Nevada, wo die Latino-Wähler den Ton angeben. Dann folgt der Super Tuesday am 1. März, an dem bei den Demokraten elf Staaten auf einmal abstimmen. (Bei den Republikanern sind es zwölf.) Dort kommt es darauf an, wer die stärkste landesweite Organisationskraft hat und an mehreren Schauplätzen zugleich konkurrieren kann. Bei Afroamerikanern, Latinos und in der Organisation hat Clinton nach heutigem Stand klare Vorteile gegenüber Sanders. Er benötigt einen Favoritensturz in Iowa oder New Hampshire, um die Stimmung zu wenden.

Wer wird Obamas Nachfolger - und was sind die Folgen für Deutschland und Europa? Lesen Sie hier Geschichten und Analysen von Christoph von Marschall.

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