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Der im Exil lebende langjährige Chefredakteur der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar.

© dpa/Arne Dedert

Türkischer Exil-Journalist: Can Dündar spricht nach Haftbefehl von „neuer Hexenjagd“

Die Türkei will Can Dündar als einen Organisator der Gezi-Proteste festnehmen lassen. Der Exil-Journalist nennt den Vorwurf schwachsinnig.

Der in Deutschland lebende Ex-Chef der türkischen regierungskritischen Zeitung „Cumhuriyet“ kritisiert nach einem weiteren Haftbefehl gegen ihn eine „neue Hexenjagd“ der Regierung. Ein Istanbuler Gericht hat das Dokument in der Nacht auf Donnerstag ausgestellt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte gemeldet, die Maßnahme stehe im Zusammenhang mit Ermittlungen zu den großen regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013.

In einer im Internet verbreiteten Stellungnahme schrieb Dündar am Donnerstag: „Jeder, der im Vordergrund der Gezi-Bewegung stand, muss damit rechnen, aus immer schwachsinnigeren Gründen festgenommen zu werden.“ Er bestritt die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, wonach er die Proteste mitorganisiert, „Chaos gestiftet“ und „Terroristen ermutigt“ hätte. Er habe sich Gezi als friedlichen Protesten von Millionen „mit seinem Stift angeschlossen“. Darauf sei er stolz. „Heute versuchen die türkischen Beamten auf mich Schuld abzuwälzen (...). Alle Anschuldigungen gegen mich fallen in den Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit“, schreibt er weiter.

Gegen Dündar läuft in der Türkei bereits ein Prozess zu Terrorvorwürfen wegen regierungskritischer Artikel in „Cumhuriyet“. „Alle Ermittlungen, Haftbefehle, Drohungen und Vorwürfe gegen uns gibt es nur aus einem Grund“, schreibt der Journalist, „nicht weil wir eine Straftat begangen haben, sondern weil wir Fragen stellen. Weil wir uns der Unterdrückung nicht beugen, egal was sie tun; weil wir nicht schweigen und den Kampf nicht aufgeben.“

Die Gezi-Proteste, wegen derer Dündar jetzt verhaftet werden soll, begannen im Mai 2013 - zunächst allein gegen ein umstrittenes Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park. Sie weiteten sich dann zu landesweiten Demonstrationen gegen die regierende islamisch-konservative AKP aus. Der damalige Ministerpräsident und heutige Staatschef Recep Tayyip Erdogan ließ sie brutal niederschlagen. Mindestens sieben Menschen wurden getötet. Laut Amnesty International starben mindestens vier an den Folgen von Polizeigewalt.

Mehr als fünf Jahre nach den Protesten geht die türkische Regierung seit etwa drei Wochen erneut massiv gegen angebliche Organisatoren vor. Staatlichen Angaben zufolge haben sich die Proteste nicht spontan entwickelt, sondern waren von türkischen und ausländischen Verschwörern geplant und organisiert worden. Es gibt Razzien und Festnahmen, die vor allem Aktivisten aus der Zivilgesellschaft treffen.

In dem Zusammenhang gerieten neben von Deutschland unterstützten NGOs auch deutsche politische Einrichtungen wie die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung in die Kritik. (Tsp, dpa)

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