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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

© Reuters

Türkei und der Kampf gegen IS: Erdogans Außenpolitik liegt in Trümmern

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich verschätzt. Er muss nun erneut seinen Kurs ändern und lässt irakische Peschmerga in die Stadt Kobane - das hätte er schon vor Wochen tun können. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Seibert

Die US-Regierung hat die Nase voll von der Haltung ihres Partners Türkei in der Frage der nordsyrischen Stadt Kobane. Trotz mehrfach geäußerter Bedenken Ankaras beliefern die USA die kurdischen Verteidiger der Stadt jetzt mit Waffen. Die türkische Regierung hat sich in eine Ecke manövriert, aus der sie nur mit einer abermaligen Kursänderung im Konflikt gegen den „Islamischen Staat“ (IS) wieder herauskommt. Das Hin und Her in Ankara ist eine Niederlage für die außenpolitischen Ambitionen von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Schon seit Wochen verärgert die Türkei ihre Partner mit Bedingungen, Kurswechseln und Sonderwünschen. Zuerst lehnte Erdogan die US-Luftangriffe auf Kobane ab, dann begrüßte er sie und forderte eine Ausweitung des Kampfes über den IS hinaus auf die Truppen des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad. Nur wenn die USA beim Sturz des syrischen Präsidenten mithelfen, will Erdogan den Amerikanern türkische Luftwaffenstützpunkte für Angriffe auf den IS zur Verfügung stellen. Hilfe für die Kurden in Kobane lehnte er bisher mit dem Hinweis ab, bei den Verteidigern der Stadt handle es sich um Verbündete der PKK und damit um Terroristen.

Die türkische Position ist unhaltbar geworden. Deshalb ändert Erdogan jetzt erneut schlagartig seinen Kurs und erlaubt den Kurden aus Nordirak, über türkisches Territorium Waffen und Soldaten nach Kobane zu schicken. Das hätte die Türkei auch schon vor Wochen tun können. Jetzt aber entwertet der verspätete Schritt die bisherigen Argumente der Türkei: Laut Erdogans eigener Rhetorik hilft die Türkei jetzt indirekt der PKK – ein Fiasko.

Ankaras unrealistische Machtansprüche

Das chaotische Hin und Her ist nicht nur peinlich für eine Nation, die als Führung- und Ordnungsmacht im Nahen Osten ernstgenommen werden will. Es ist auch ein Zeichen für den Realitätsverlust der türkischen Außenpolitik in den vergangenen Monaten. Alles wurde dem Ziel untergeordnet, Assad loszuwerden – ohne Rücksicht auf den absehbaren politischen Flurschaden. Erdogan hat es zugelassen, dass die Verlässlichkeit der Türkei als Partner der USA und des Westens in Zweifel steht. In Kobane liegen nicht nur etliche Gebäude in Trümmern, sondern auch die unrealistischen Machtansprüche Ankaras.

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