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Jan Stöß (41) ist seit 2012 Landesvorsitzender der SPD in Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas

TTIP-Abkommen mit den USA: „Die SPD ist prinzipiell für Freihandel“

Das geplante Transatlantische Handelsabkommen erhitzt die Gemüter. Die Vorbehalte sind groß. Ein Gespräch mit dem Chef der Berliner SPD, Jan Stöß, über die Chancen und Risiken von TTIP

Von Hans Monath

Herr Stöß, an diesem Montag debattiert die SPD auf einem Kongress über das Transatlantische Handelsabkommen TTIP. Wird das die Akzeptanz des geplanten Abkommens in der SPD erhöhen, das viele Sozialdemokraten sehr kritisch sehen?

Ich finde es wichtig, dass wir über die Chancen und Risiken eines solchen Abkommens diskutieren. Das ändert aber nichts an den Bedingungen für eine Zustimmung der SPD zu diesem Abkommen, die ein Parteikonvent Ende vergangenen Jahres beschlossen hat.

Welche Bedingungen meinen Sie?

Erstens: Es genügt nicht, wenn nur die Regierungen diesen Vertrag schließen, die Parlamente müssen in einem transparenten Verfahren ebenfalls gefragt werden. Zweitens: Europäische Standards aus den Bereichen Verbraucherschutz, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz dürfen nicht ausgehöhlt oder aufgegeben werden. Drittens: Unsere rechtsstaatlichen Grundsätze dürfen nicht durch Schiedsgerichte für Streitfälle zwischen Wirtschaft und Regierungen ausgehebelt werden. Ohne dass diese Bedingungen erfüllt werden, kann die SPD dem Abkommen nicht zustimmen.

Sieht Ihr Parteivorsitzender Sigmar Gabriel das genauso? Als Wirtschaftsminister hat er im Bundestag mehrfach vehement für TTIP geworben mit dem Argument, wir würden sonst eine historische Chance verpassen. Bedingungen hat er da keine genannt.

Gabriel hat die Kriterien für eine Zustimmung in einem gemeinsamen Papier mit DGB-Chef Reiner Hoffmann zum letzten Parteikonvent ja selbst formuliert. Und er hat den Konventsbeschluss aufgenommen, die Schiedsgerichtsklauseln auch aus dem Ceta-Abkommen herauszuverhandeln. Die sozialdemokratischen Wirtschaftsminister in Europa haben dafür gerade einen Vorschlag vorgelegt.

Was die Schiedsgerichte angeht – ist eine rechtskonforme Lösung mit irgendeiner Form von Schiedsgerichten denkbar oder muss TTIP ganz auf diese verzichten?

Bei uns und in den USA sorgen ordentliche Gerichte und Verwaltungsgerichte für Rechtssicherheit – auch im Streit zwischen Investoren aus dem Ausland und einer nationalen Regierung. Ich halte solche Schiedsgerichtsklauseln deshalb für überflüssig. Freier Handel funktioniert zwischen rechtsstaatlichen Demokratien ohne Sondergerichte.

Aus der Kulturszene wird gewarnt, TTIP könne die Kulturlandschaft in Europa und Deutschland beschädigen. Haben Sie Verständnis für diese Befürchtung?

Dafür habe ich als Vorsitzender der SPD in der Kulturmetropole Berlin großes Verständnis. Wir werden sehr genau aufpassen, dass etwa die Möglichkeit der öffentlichen Hand nicht eingeschränkt wird, nach eigenen Kriterien Kulturförderung zu betreiben. Es kann nicht sein, dass die Förderung der freien Kulturszene unter Berufung auf das Abkommen am Ende als "nichttarifäres Handelshemmnis" eingestuft wird und Schadensersatzansprüche Dritter auslöst.

Ist diese Gefahr real?

Ja, denn bei der Kulturförderung gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Europa und Amerika. Bei uns ist das anders als in den USA unbestritten eine staatliche Aufgabe. In Deutschland stellt der Staat 93 Prozent der Fördermittel für Kunst und Kultur, in den USA nur etwa zehn Prozent. Bei TTIP sollen marktverzerrende Eingriffe vermieden werden. Es ist durchaus zu befürchten, dass unsere Instrumente der Kulturförderung oder die Künstlersozialkasse als markantes Beispiel als wettbewerbsdiskriminierend gegenüber amerikanischen Unternehmen eingestuft werden.

Auch EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wird an der Konferenz teilnehmen. Welche Botschaft soll sie nach Brüssel mitnehmen?

Die Kommission sollte nicht versuchen, die Freihandelsabkommen an den nationalen Parlamenten vorbei zu ratifizieren. Die SPD ist grundsätzlich für den Freihandel, denn von unserer Exportwirtschaft hängen unser Wohlstand und viele Arbeitsplätze ab. Doch TTIP und Ceta dürfen nicht dazu führen, dass unsere deutschen und europäischen Standards beim Verbraucherschutz, beim Umweltschutz und bei Arbeitnehmerrechten gefährdet werden. Die SPD wird im Deutschen Bundestag und in der Bundesregierung deshalb nach meiner Überzeugung nur zustimmen können, wenn dieser Schutzstandard weiterhin gewährleistet ist.

Das Interview führte Hans Monath.

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