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Ende einer Partnerschaft: Im Wahlkampf war General Michael Flynn an Donald Trumps Seite. Den Job als Sicherheitsberater ist er jetzt los.

© Jim Watson / AFP

Trumps Sicherheitsberater Flynn muss gehen: Sturz über die Russland-Lüge

Mike Flynns Rücktritt hat nicht nur gute Seiten. Geheimdiplomatie zur Wahrung des Friedens wie während der Kuba-Krise wird schwieriger. Eine Analyse.

Dieser Rücktritt wirkt bittersüß. Er hat zwei gute Seiten und eine bedenkliche. Letztere hat mit John F. Kennedy und den Lehren aus der Kubakrise zu tun.

Nebenaußenpolitik mit Moskau

Zum Positiven: Mike Flynn wollte, erstens, offenbar klammheimlich Nebenaußenpolitik mit Russland machen und hat seinen Boss Donald Trump sowie dessen Vize Mike Pence darüber belogen. Deshalb muss er gehen.

Flynn hatte Ende Dezember mit dem russischen Botschafter in den USA, Sergej Kisljak telefoniert, um die ersten Kontakte zwischen dem künftigen Präsidenten Trump und Wladimir Putin vorzubereiten. Es war eine Zeit, in der der amtierende Präsident Barack Obama neue Sanktionen gegen Russland verhängte wegen dessen mutmaßlichen Versuchen, den Ausgang der US-Wahl zu Gunsten Trumps zu beeinflussen durch das Leaken problematischer Dokumente über Hillary Clinton. Diese Unterlagen hatte der russische Geheimdienst offenbar beim Einbruch in US-Emailsysteme gestohlen.

Die Sanktionen waren ein Thema des Telefonats

Die Frage, wie Trump mit Russland umgehen würde, war deshalb äußerst heikel. Er hatte im Wahlkampf versprochen, das Verhältnis zu Moskau zu verbessern und eine Aufhebung der Sanktionen in Aussicht gestellt. Flynn behauptete, in dem Telefongespräch mit Kisljak seien die Sanktionen nicht zur Sprache gekommen. Diese Versicherung wiederholte Vizepräsident Mike Pence mehrfach gegenüber den Medien.

Inzwischen tauchte ein Protokoll des Telefonats auf. Daraus geht nach Angaben von Mitgliedern der Trump-Regierung hervor, dass Flynn sehr wohl über die Sanktionen gesprochen hat. Er empfahl den Russen, Obamas jüngste Zusatzsanktionen nicht mit ähnlichen Gegenaktionen zu beantworten. Es bestünden gute Aussichten, dass Trump die Strafmaßnahmen lockere oder ganz aufhebe.

Der Vizepräsident wollte den Rücktritt

Pence ist die treibende Kraft hinter Flynns Rücktritt. Er nimmt übel, dass er wegen Flynns falscher Versicherung in eine Situation kam, in der er selbst den Medien Informationen gab, die sich später als falsch herausstellten. Und das nicht zum ersten Mal. Zuvor hatte Flynn bestritten, dass er seinem Sohn eine "Security Clearance" - eine Unbedenklichkeitserklärung für den Zugang zu vertraulichen Informationen - verschafft habe. Generell hatten sich Flynn und sein Sohn im Weißen Haus unbeliebt gemacht.

Flynn stürzt nicht zum ersten Mal über sein fragwürdiges Verhältnis zur Realität. Unter Barack Obama war Mike Flynn Chef des militärischen Geheimdienstes DIA. Nach nur anderthalb Jahren musste er den Posten aufgeben wegen seines chaotischen Managementstils sowie seiner Neigung zu "Flynn Facts": So bezeichnete seine Umgebung Behauptungen, die nicht so ganz der Wahrheit entsprechen.

Die Kontrolle durch Medien und der Kongress funktioniert

Die zweite gute Seite: Es sind erst gut drei Wochen seit Donald Trumps Amtsantritt vergangen, und schon haben die USA und die übrige Welt einen weiteren handfesten Beweis, dass die offiziellen wie inoffiziellen Mechanismen zur Kontrolle des Präsidenten und seiner Macht funktionieren. Flynns Rücktritt ist dem unermüdlichen Bohren der amerikanischen Medien zu verdanken, ganz voran der bewundernswerten Arbeit großartiger Zeitungen wie der "New York Times" und der "Washington Post".

Dazu beigetragen hat aber auch der Umstand, dass der Kongress eine Untersuchung über russische Manipulationsversuche im US-Wahlkampf 2016 eingeleitet hat. Die Trump-Regierung musste damit rechnen, dass Flynns Kontakte nach Russland und zu russischen Diplomaten dort ausführlich zur Sprache kommen. Die Aufklärungsarbeit des Parlaments und der Medien ließen Trump und Pence keine Hoffnung, dass sie mauern können und Flynns Lügen unbewiesen bleiben.

Bedenklich: Flynn wurde abgehört

Die investigative Leistung der US-Zeitungen hat allerdings auch Umstände zu Tage gefördert, die beunruhigen. Das Protokoll des Flynn-Telefonats mit Kisljak ist offenbar Resultat einer Abhöraktion amerikanischer Behörden. Es liegt dem US-Justizministerium vor und begründete dort angeblich die Sorge, dass Flynn künftig erpressbar sei, weil die Russen ja wüssten, dass Flynn dem Vizepräsidenten falsche Angaben über den Inhalt des Telefonats gemacht habe.

Für bedenklich kann man freilich auch einen ganz anderen Aspekt halten: Der Präsident kann offenbar nicht mehr Geheimdiplomatie betreiben, selbst wenn er es mit guten Absichten wollte. Denn irgendwelche Behörden oder Dienste hören seine engsten Vertrauten ab, ohne dass so ganz klar wird, woher die demokratische und rechtsstaatliche Legitimation für dieses Abhören stammt.

Wer kontrolliert Amerikas Sicherheitsapparat?

Während der Kubakrise 1962 ist ein Atomkrieg zwischen den USA und Russland möglicherweise nur dank der geheimen Kontaktaufnahme des damaligen Präsidenten John F. Kennedy zur sowjetischen Führung verhindert worden. Der Gesprächskanal verlief über JFK's Bruder Robert und den sowjetischen Botschafter in Washington. Er umging die Militärführung und die Geheimdienste, weil Kennedy fürchtete, dass dort Menschen sitzen, die auf einen Vorwand für Krieg warten - in der Hoffnung, dass der Aufstieg der Sowjetunion zu einer rivalisierenden Weltmacht sich damals noch militärisch stoppen ließe, durch einen begrenzten Krieg.

Amerikas Sicherheitsapparat hat einen zu großen Aktionsradius. Und anders als im Fall des Präsidenten sind keine demokratischen und rechtsstaatlichen "Checks and Balances" sichtbar, die ihn wirksam in Schach halten. Das ist die beunruhigende Seite des Flynn-Rücktritts.

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