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Unterstützer von "Obamacare" vor dem Supreme Court

© AFP/Nicholas Kamm

Trumps Richter erweisen sich als unabhängig: Supreme Court signalisiert Zustimmung zu Obamacare

Die Republikaner scheitern offenbar beim Ziel der Abschaffung der Gesundheitsreform – trotz der konservativen Neuzugänge am Obersten Gericht. Eine Analyse.

Amerikas Verfassungsgericht hat seit den Neubesetzungen unter Donald Trump eine klare konservative Mehrheit. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die Obersten Richter in ihren Urteilen republikanischen Erwartungen folgen.

Barack Obamas Gesundheitsreform ist einer der brisantesten Fälle, der beim Supreme Court anliegen. Als die neun Mitglieder in ihrer neuen Zusammensetzung – sechs konservative, drei progressive Mitglieder – am Dienstag über die Rechtmäßigkeit von „Obamacare“ berieten, zeichnete sich eine Mehrheit für den Bestand der Gesundheitsreform ab.

Sie ist das Kernstück der Reformen aus der Amtszeit Obamas von 2009 bis 2017. Die Republikaner haben sie bekämpft und wollten sie wieder abschaffen. Im Kongress verfehlten sie die dafür nötigen Mehrheiten. Nun hofften sie auf das Oberste Gericht in seiner neuen Besetzung.

Doch mindestens zwei der als konservativ eingeordneten Richter haben erkennen lassen, dass sie die Gesundheitsreform nicht für verfassungswidrig halten, berichten US-Medien. Eventuell stimmen auch mehr Richter für die Rechtmäßigkeit des „Affordable Care Act“. Wann der Supreme Court die Entscheidung bekannt gibt, ist offen.

Ein Element des 2010 verabschiedeten Gesundheitsreform könnten die Richter eventuell kippen, analysieren US-Medien den Verlauf der Beratungen: die Vorschrift, dass alle Bürger eine Krankenversicherung abschließen müssen. Diese Auflage war allerdings bereits 2017 „zahnlos“ geworden. Damals erklärten die Richter die Strafzahlung, die jeder Nichtversicherte zahlen sollte, um den Zwang durchzusetzen, für rechtswidrig. Ob diese Vorschrift ohne Strafzahlung Bestand haben wird oder fällt, blieb als offene Frage zurück. Sie hat freilich wenig praktische Auswirkungen.

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Oberste Richter sind keine Parteisoldaten

In den Fragen der Obersten Richter an die Kläger und die Verteidiger von Obamacare zu ihren juristischen Argumenten zeichnete sich am Dienstag ab, dass der Vorsitzende des Gerichts, John Roberts, und einer der neuen konservativen Richter, Brett Kavanaugh, keine ausreichenden Gründe sehen, um die Gesundheitsreform insgesamt zu kippen, wie das die Republikaner fordern. Roberts war auf Vorschlag von George W. Bush ernannt worden, Kavanaugh auf Vorschlag von Donald Trump.

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Die Beratungen der Richter markieren zwei bemerkenswerte Entwicklungen Erstens haben sich die Warnungen, dass mit Trumps Ernennungen neuer Oberster Richter absehbar werde, wie der Supreme Court zentrale Streitfragen der Politik entscheidet – nämlich in Loyalität zu Trump, der die Neuen ernannt hat -, beim ersten Testfall nicht bewahrheitet.

Die Gesellschaft sieht Obamacare inzwischen positiv

Zweitens hat die Entwicklung der öffentlichen Meinung zu Obamacare gezeigt, dass auch die Ansichten der Bürgerinnen und Bürger nicht zementiert sind. Sie haben sich vielmehr zwischen dem Zeitpunkt der Verabschiedung im Kongress, als die Reform hoch umstritten war und von einer Mehrheit negativ beurteilt wurde, bewegt und tendieren heute zu einer überwiegend positiven Einschätzung der neuen Krankenversicherungsregeln.

Trump hatte in seiner vierjährigen Amtszeit die Gelegenheit, mit Hilfe der republikanischen Mehrheit im Senat drei neue Richter an den Supreme Court zu bringen: Neil Gorsuch im Frühjahr 2017, Brett Kavanaugh im Sommer 2018 und Amy Coney Barrett im Herbst 2020.

Kavanaugh zeigt nun, dass damit keine parteipolitische Abhängigkeit verbunden ist. Roberts war von einem anderen Republikaner, George W. Bush, vorgeschlagen worden. Er hat sich rechtspolitisch immer mehr in die Mitte bewegt, als die Zusammensetzung des Gremiums durch Neuernennungen konservativer wurde.

Roberts geht es um Balance in der Gewaltenteilung

Roberts achtet offenkundig darauf, wie die Judikative insgesamt und der Supreme Court an deren Spitze im Zusammenspiel der drei Gewalten Exekutive, Legislative und Judikative wahrgenommen wird. Ihm ist die Balance der Gewaltenteilung wichtig. Über die Jahre ist er zum „Swing Vote“ geworden und hat dem progressiven Flügel des Obersten Gerichts, obwohl der in die Minderheit geraten war, immer wieder zu einer Mehrheit bei Urteilen verholfen.

Bei der Gesundheitsreform haben sich vor allem drei Änderungen aus Sicht der Verbraucher bewährt. Kinder in Ausbildung dürfen bis zum Alter von 26 Jahren in der Police eines Elternteils mitversichert werden. Obama hat zwei Einschränkungen der Leistungspflicht verboten, die „Preexisting Condition“ und das „Lifetime Maximum“.

Früher galt: Eine Frau mit Krebs wird nicht mehr versichert

„Preexisting Condition“ hieß: Krankheitsrisiken, die zu Beginn einer Krankenversicherung bekannt sind, werden nicht mitversichert. US-Bürger geraten aber häufig in die Situation, dass sie die Krankenversicherung wechseln, weil die in der Regel ein Arbeitgeber für die Belegschaft abschließt. Jobwechsel bedeutet oft auch Wechsel der Krankenversicherung. Das Gleiche gilt für Umzüge, da eine Krankenversicherung nicht in allen US-Bundesstaaten die gleichen Policen anbietet.

Die praktische Konsequenz früher: Hatte eine Frau eine Krebserkrankung, wurde die beim Versicherungswechsel nicht mehr mitversichert. Diese Praxis wurde durch Obamacare beendet.

Auch das "Lifetime Maximum" hat Obama abgeschafft

Ebenso das „Lifetime Maximum“. Es besagte, dass eine Versicherung im Verlauf eines Versichertenlebens maximal den Betrag X zu leisten hat – häufig eine Million Dollar. War die Summe aufgebraucht, blieb der Patient auf den weitergehenden Kosten sitzen. Auch diese Praxis, die das Risiko der Versicherungen begrenzte aber für die Patienten und ihre Familien das Risiko des privaten Bankrotts durch Krankheit bedeutete, wurde durch Obamacare abgeschafft.

Mit dieser Erfahrung des praktischen Alltagsnutzens von Obamacare drehte sich eine anfangs negative Beurteilung des Reformwerks allmählich in eine mehrheitlich positive Bewertung.

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