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Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz.

© dpa/ Alexander Heinl

Trumps Nahost-Politik: "Diese Kehrtwendungen sind katastrophal"

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, über die Syrien-Politik von US-Präsident Trump und die Lage in Afghanistan.

Herr Ischinger, US-Präsident Trump hat den Abzug der US-Truppen aus Syrien damit begründet, dass der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien gewonnen sei. Was halten Sie von dieser Begründung?

Ich halte von der Begründung schon deshalb nicht sehr viel, weil der Präsident in einem weiteren Tweet erklärt hat, dass nun Russland, der Iran, Syrien und andere Staaten den „Islamischen Staat“ bekämpfen müssten. Ich vermute, dass dies die richtige Version ist – dass also nach der Meinung Trumps die USA besser bedient sind, wenn sie die schmutzige Arbeit im Kampf gegen den IS anderen überlassen. Aus europäischer Sicht ist der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ noch lange nicht beendet. Wir wissen ja, dass sich viele tausend Kämpfer in Syrien und den Nachbarstaaten zum Teil versteckt halten. Aus europäischer Sicht kann es nur schwerste Bauchschmerzen verursachen, wenn man die Auseinandersetzung mit Baschar al-Assad allein Russland und dem Iran überlässt.

Was hat Trump zu seiner Entscheidung bewogen?

Der Präsident setzt seine Wahlversprechen peu à peu um. Man muss fairerweise hinzufügen, dass auch sein Vorgänger Obama bereits mit der Überlegung gespielt hat, die Präsenz in Syrien herunterzufahren. Trump hat nun seinerseits erklärt, dass die Verbündeten im Bereich der Sicherheit auf Kosten der USA lebten. Jetzt unternimmt er den Versuch eines innenpolitischen Befreiungsschlags – zu einem Zeitpunkt, in dem er etwa in der Russland-Affäre zunehmend in Bedrängnis gerät.

Welche Folgen hat Trumps Kurs in der Nahost-Region für Deutschland – zumal offenbar auch die US-Truppen in Afghanistan reduziert werden sollen?

Für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind diese überraschenden Kehrtwendungen katastrophal. Der deutsche Einsatz in Afghanistan war immer abhängig von der Präsenz der US-Truppen. Wir wären im Falle einer Katastrophe noch nicht einmal in der Lage, unsere Soldaten selber zu evakuieren. Was Syrien anbelangt, ist es für die deutsche Seite etwas schwierig, massive Kritik am Kurs der USA zu üben. Wir gehören ja zu denen, die sich sieben Jahre lang im Wesentlichen herausgehalten haben. Wenn wir uns in ähnlicher Weise wie unsere europäischen Partner dort an der Anti-IS-Koalition an führender Stelle eingebracht hätten, wären wir jetzt besser legitimiert, auf eine bessere Konsultation durch die USA zu bestehen.

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