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US-Soldaten patrouillieren gemeinsam mit kurdischen Kämpfern auf den Ölfeldern.

© Delil Souleiman/AFP

Trumps Kehrtwende: Der Rückzug vom Rückzug in Syrien

US-Truppen kehren nach Syrien zurück, um die Ölfelder zu bewachen. Trump will den Einfluss Russlands eindämmen. Eine Analyse.

Auf Weisung von Präsident Donald Trump begannen die US-Truppen vor einem Monat mit dem Rückzug aus Syrien – doch jetzt kehren sie zurück. Sie sollen nach dieser jüngsten Kehrtwende in Trumps Syrien-Politik die Ölfelder des Bürgerkriegslandes bewachen. Es ist aber auch ein später Versuch der USA, einen weiteren Machtzuwachs Russlands in Syrien zu verhindern und den Vormarsch der Türkei in der Region zu stoppen.

„Wir behalten das Öl“, betonte Trump in den vergangenen Wochen mehrmals. Der Präsident hatte am 6. Oktober überraschend den Abzug der rund 1000 US-Soldaten aus Syrien angeordnet und damit die türkische Intervention gegen die syrische Kurdenmiliz YPG – den wichtigsten Partner der USA in Syrien – ermöglicht. Selbst seine Anhänger in Washington bezeichneten Trumps Entscheidung als Verrat an den Kurden.Der Hinweis auf die syrischen Ölquellen im YPG-Gebiet im Osten Syriens hilft ihm nun, die Rückverlegung von Soldaten in die Region zu begründen.

Die US-geführte Anti-IS-Koalition veröffentlichte jetzt Fotos von amerikanischen Panzern, die für den neuen Einsatz in der syrischen Provinz Deir ez-Zor in Transportflugzeuge verladen wurden. Laut Berichten der syrischen Kurden sind in den vergangenen Tagen außerdem mindestens drei Konvois aus US-Militärfahrzeugen aus dem Irak im Osten Syriens angekommen. Rund 200 amerikanische Soldaten sollen in dem Stützpunkt Al Tanf in Syrien mögliche Waffentransporte der Iraner abfangen. Die „New York Times“ meldete, nach Abschluss der Truppenverlegungen würden schätzungsweise 900 US-Soldaten in Syrien stationiert sein – nur 100 weniger als vor Trumps Anordnung zum Rückzug.

Schon im vergangenen Dezember hatte der US-Präsident den Abzug aus Syrien verkündet, ohne die Zahl der Soldaten zu reduzieren. Nach wie vor beanspruchen die USA zudem die Lufthoheit über den Ostteil Syriens. Russland, dass mit seiner Luftwaffe den westlichen Landesteil beherrscht, wird damit gebremst.

Offiziell soll die neue Syrien-Mission das syrische Öl vor dem IS schützen. US-Vertreter betonen aber auch, dass mit dem Verkauf des Öls eine Einnahmequelle für die YPG gesichert werden soll. Das Geld soll der Kurdenmiliz unter anderem helfen, IS-Gefangene weiter zu bewachen. Außerdem betrachtet Washington die für den Wiederaufbau Syriens wichtigen Ölvorräte als Faustpfand: Sie sollen den USA helfen, ihren Einfluss in Syrien zu bewahren, wenn es um die Zukunft des Bürgerkriegslandes geht.

Das befürchten auch die Regierungen von Syrien und Russland. Der syrische Präsident Baschar al Assad nannte die USA eine Kolonialmacht, die sich die Ressourcen Syriens unter den Nagel reiße. Assad hatte darauf gehofft, dass er nach einem US-Abzug aus Syrien auch den Osten des Landes wieder unter seine Kontrolle bringen könne. Daraus wird nun erst mal nichts. Im syrischen Staatsfernsehen räumte er ein, dass seine Regierung derzeit nichts gegen die USA ausrichten könne. Assads Schutzmacht Russland bezeichnete die US-Besetzung der syrischen Ölquellen als „Banditentum“.

Assad lehnt internationale Schutzzone ab

In dem Interview wies Assad den Vorschlag von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Einrichtung einer internationalen „Schutzzone“ im Nordosten Syriens zurück. Gleichzeitig lobte er die Vereinbarung zwischen der Türkei und Russland, mit der die Intervention Ankaras vorerst gestoppt worden war. Die türkisch-russische Abmachung könne Syrien helfen, langfristig die Kurdengebiete wieder unter Kontrolle der Zentralregierung zu bringen, sagte Assad. „Das Abkommen ist vorübergehend, nicht dauerhaft. Es ist ein positiver Schritt, (...) der die Schäden vermindert und den Weg ebnet, dieses Gebiet in hoffentlich naher Zukunft zu befreien.“ Beim deutschen Vorschlag sei es darum gegangen, die Sicherheit in der Region unter internationale Schirmherrschaft zu stellen, sagte Assad. Damit wäre der syrische Staat von der Kontrolle über das Gebiet ausgeschlossen worden, womit sich die Teilung des Landes verfestigt hätte.

Auch für die Türkei ist die Rückkehr der USA eine schlechte Nachricht. Ankara hatte seine Armee am 9. Oktober gegen die YPG in Marsch gesetzt und den Vormarsch nach Abkommen mit den USA und Russland nach zwei Wochen gestoppt. Die neuen US-Konvois tauchten einigen Berichten zufolge auch in Gebieten auf, wo die YPG gegen die türkischen Truppen gekämpft hatte. Die Kurdenmiliz wirft der Türkei und ihren Verbündeten vor, die Waffenruhe mit neuen Angriffen verletzt zu haben.

Am Freitag begannen türkische und russische Truppen mit gemeinsamen Patrouillen auf syrischem Gebiet, um den Abzug der YPG aus der Region an der türkischen Grenze zu überprüfen. Ankara will in der Gegend eine YPG-freie und von der Türkei kontrollierte „Schutzzone“ schaffen. Bis zu zwei Millionen syrische Flüchtlinge aus der Türkei sollen dort angesiedelt werden. Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigte sich verärgert über die Haltung der USA. Für die Amerikaner sei „ein Tropfen Öl wertvoller als ein Tropfen Blut“.

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