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US-Präsident Donald Trump bei einer Rallye in Tucson/Arizona.

© MANDEL NGAN/AFP

Trumps Endspurt: Wie der US-Präsident die Stimmung drehen will

Donald Trump liebt seine Rallyes. Hier putscht er sich auf - und das bis zum Wahltag täglich. Er hofft, seinen Umfragerückstand aufzuholen. Kann das gelingen?

Florida, Pennsylvania, Ohio, Kalifornien, North Carolina, Iowa, Arizona, Nevada: Der Endspurt ist atemberaubend. Zehn Tage nach Bekanntwerden seiner Covid-19-Erkrankung hat US-Präsident Donald Trump am Montag vor einer Woche mit seiner Serie von Wahlkampf-Rallyes begonnen, die er bis zum 3. November täglich durchziehen will. Bei jedem dieser Auftritte putscht er sich selbst immer weiter auf.

Der Präsident tanzt und schunkelt, er prahlt über seine angeblichen Erfolge, zieht über alles und jeden her, fordert, seine Gegner ins Gefängnis zu stecken – und den Anhängern gefällt’s. Seine Auftritte vor Sonnenuntergängen und mit der Air Force One als Stargast hinter der Bühne sind Spektakel, die Hollywood kaum besser inszenieren könnte. Dass sie in Corona-Zeiten gegen diverse Auflagen verstoßen, scheint weder Trump, noch seine Fans zu stören. Sie kommen zu Tausenden, was angesichts der fast unsichtbaren Events des Herausforderers Joe Biden so wirkt, als ob nur die Republikaner wahlbegeistert seien.

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Die langen Schlangen vor den Wahllokalen überall im Land sprechen allerdings eine andere Sprache. Die demokratischen Wähler wollen abstimmen, und sie tun es – Stand jetzt – in rekordverdächtiger Zahl. In Texas, in Georgia, in Virginia und vielen anderen Staaten. Ob das bis zum Wahltag so anhält, wird sich zeigen. Die Wahlbeteiligung, so viel scheint klar, könnte für den Ausgang entscheidend sein.

2016 gab es deutlich mehr Unentschlossene

Trump hat 2016 gezeigt, dass er in der Lage ist, auf den letzten Metern das Rennen zu drehen. Vor vier Jahren gab es aber auch viel mehr Unentschlossene, die sich erst kurz vor dem Wahltag festlegten – auf den damals noch politischen „Outsider“ Donald Trump. Dessen demokratischer Konkurrentin Hillary Clinton schadete in dieser Phase auch noch der Skandal um FBI-Ermittlungen zu ihren E-Mails – obwohl die kurz darauf eingestellt wurden.

Die Mannschaft Trumps wollte eigentlich, dass auch in diesem Jahr ein Skandal das gegnerische Lager erschüttert – unmittelbar vor der Wahl. Der Präsident persönlich rief dafür sogar seinen Justizminister Bill Barr auf, gegen die Familie seines Herausforderers Biden Ermittlungen einzuleiten. Hintergrund sind Korruptionsvorwürfe gegen den ehemaligen Vizepräsidenten und dessen Sohn Hunter Biden, die zuletzt von der „New York Post“ befeuert wurden. Die Boulevardzeitung brachte in den vergangenen Tagen in mehreren Artikeln Joe Biden mit früheren Geschäften seines Sohnes in der Ukraine und in China in Verbindung. Das Blatt veröffentlichte E-Mails, die belegen sollten, dass Hunter Biden damals versucht habe, Profit aus dem Amt seines Vaters als Vizepräsident unter Barack Obama zu schlagen und dass Joe Biden von den umstrittenen Auslandsgeschäften seines Sohnes gewusst habe.

Versuch einer Schmutzkampagne gegen Biden

Doch dieser Skandalisierungs-Versuch ist dilettantisch. Alles, was von den E-Mails bekannt ist, weist auf eine Schmutzkampagne hin. So soll der Laptop, auf dem sie angeblich entdeckt wurden, zufällig in einer Reparaturwerkstatt gefunden worden sein. Die „New York Post“ will vor einer Woche eine Kopie der Festplatte ausgerechnet von Rudy Giuliani, dem langjährigen persönlichen Anwalt Trumps, erhalten haben.

Unangenehm für Trump sind da neue Berichte über seine eigenen Geschäftsinteressen in China. Wie die „New York Times“ am Dienstag berichtete, besitzt der US-Präsident auch weiterhin ein Bankkonto – in dem Land, das er immer wieder scharf angreift und das er versucht, mit Biden in Verbindung zu bringen. Tatsächlich sei es Trump, der über Jahre in China tätig gewesen sei, schreibt die Zeitung, die sich auf eine Analyse von Trumps Steuerunterlagen bezieht.

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Wenn die beiden Präsidentschaftskandidaten an diesem Donnerstag in Nashville/Tennessee zu ihrem zweiten und letzten TV-Duell aufeinander treffen, wird es um all dies gehen. Dieses Mal kann aber Moderatorin Kristen Welker, NBC-News-Korrespondentin für das Weiße Haus, die Mikrofone stumm schalten, sodass immer nur einer spricht. Bei der ersten Debatte in Cleveland/Ohio unterbrach vor allem Trump seinen demokratischen Herausforderer konsequent. An Inhalte erinnert sich daher kaum noch jemand.

Die Corona-Pandemie, die Trump – belegt durch seine eigene angebliche Blitzheilung – als „unter Kontrolle“ darzustellen versucht, wird ein weiteres großes Thema des TV-Duells sein. Warum der Präsident kurz zuvor seinen obersten Corona-Experten Anthony Fauci öffentlich demontierte, verstehen selbst viele ihm Nahestehende nicht.

Die Leute hätten es „satt“, sagte Trump nach Angaben der „New York Times“ in einer Telefonschalte mit seinem Wahlkampfteam, „Idioten“ wie Fauci in der Regierung zuzuhören. Dieser sei ein Desaster.

Allerdings vertrauen Fauci einer Umfrage der überparteilichen Kaiser Family Foundation zufolge mehr als zwei Drittel der Amerikaner - und nur 40 Prozent dem Präsidenten. In den USA sind inzwischen mehr als 220.000 Menschen an den Folgen des Virus gestorben. In fast allen Bundesstaaten steigen die Infektionszahlen wieder deutlich an.

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