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Alles hört auf mein Kommando, und sei es noch so schräg. Präsident Trump in der Air Force One.

© AFP

Trump-Putin-Treffen in Helsinki: Trump, der Gouvernantenschreck

Ob beim Treffen mit Kim Jong Un oder Wladimir Putin, Trumps Motiv ist immer: Trump. Politische Erfolge sind unwichtiger als die Demonstration seiner Unabhängigkeit von Konventionen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trump zeigt sich wieder als Gouvernantenschreck der internationalen Politik. Er will sich am 16. Juli mit Wladimir Putin in Helsinki treffen – und alle Welt steht Kopf, fängt an zu spekulieren, was die Motive seien und was dabei herauskommen könnte. So funktioniert Volkstribunentum. Dieser Gipfel steckt voller Widersprüche, genauso wie zuvor der mit Kim Jong Un.

Nach aller Erfahrung haben Trumps Motive nichts mit dem Suchen nach einer Lösung für Syrien oder die Ukraine oder Nordkorea zu tun. Trumps Hauptmotiv ist Trump. Er will im Mittelpunkt stehen. Außerdem bietet sich eine schöne Gelegenheit, allen politischen und ideologischen Gegnern den Stinkefinger zu zeigen. Ihr sagt, das kann ich nicht machen? Dann erst recht! In das gleiche Muster passt seine neue Drohung, die US-Truppen aus Deutschland abzuziehen; dazu später.

Nach der gewohnten innenpolitischen Logik und nach den traditionellen Regeln der Außenpolitik spricht vieles gegen das Treffen. Die Untersuchung des Sonderermittlers Robert Mueller, ob Trumps Wahlkampfteam mit Abgesandten Moskaus bei der US-Wahl 2016 kooperiert hat, ist noch im Gang. Die große Mehrheit der Republikaner wie der Demokraten ist für einen harten Umgang mit Putin. Es ist also nicht opportun, Nähe zum russischen Präsidenten zu demonstrieren. Trump denkt umgekehrt: Es ist ein Zeichen der Stärke, wenn er sich um solche Einwände nicht schert.

Ebenso bereitet es ihm Freude, die außenpolitischen Grundsätze vom Tisch zu fegen. Das hat er schon im Fall Nordkorea getan. Bisher galt: Die USA werten Diktaturen nicht durch hochrangige Treffen auf, wenn es nicht sein muss. Und wenn doch, dann nur, falls eine wertvolle Gegenleistung dabei herausspringt. Deshalb hat sich nie zuvor ein US-Präsident mit Nordkoreas Diktatoren getroffen. Bill Clinton hätte es getan, wenn er zuvor substanzielle Fortschritte im Atomstreit erreicht hätte. Aber doch nicht ohne Vorleistung. Und nicht nur gegen leere Versprechen. Trump hat Kim gegeben, was der wollte: die Anerkennung auf Augenhöhe, auf die sein Vater und Großvater vergeblich gehofft hatten. Was haben die USA dafür bekommen? Stand heute: nichts.

Deutschland kann er nicht leiden, das liegt an der Familie

Trump sind solche Abwägungen offenbar egal. Er trifft sich mit Putin, um sich und der Welt zu beweisen, dass dies in seiner Macht liegt, und unabhängig davon, ob der Ertrag das rechtfertigt. Glaubt jemand ernsthaft, dass die beiden in Helsinki über die Menschenrechtslage in Russland reden werden? Über die rechtswidrige Annexion der Krim und den hybriden Krieg in der Ostukraine und wie beides beendet werden kann? Über das Ende des Mordens in Syrien, der Einsätze geächteter Waffen wie Fassbomben und Giftgas sowie eine haltbare Nachkriegsordnung?

Obama hat Zweiergipfel mit Putin vermieden, weil er ihm nicht über den Weg traute. Was zu besprechen war – Cyberangriffe, der Syrienkrieg, die Durchsetzung der Minsker Vereinbarungen für die Ukraine –, beredeten sie am Rande von G-20-Gipfeln oder der UN-Vollversammlung in New York. Nach Möglichkeit aber ohne Fotos, die Putin als Beleg vorzeigen könnte, dass er gar nicht so isoliert sei. Trump bricht ganz bewusst mit den Konventionen. Sie langweilen ihn.

Er ist Geschäftsmann. Ihn interessieren allenfalls Deals, um kostspielige Einsätze von US-Truppen zu beenden oder andere dafür zahlen zu lassen, ob im Mittleren Osten oder in Europa. Die Vorteile eines internationalen Ordnungssystems für die USA zählen bei ihm nicht. Fehlendes Wissen und Emotionen, die wohl nur psychologisch zu erklären sind, wirken zusammen. Das zeigt sein Umgang mit Deutschland. Trump hat keine Empathie für die Heimat seines Großvaters, der aus Kallstadt in die USA auswanderte. Deutschland und seine Regierung scheinen zu Lieblingsfeinden aufzusteigen. Er polemisiert gegen deutsche Autos, den Exportüberschuss, den geringen Verteidigungsetat, sogar die Gasgeschäfte mit Russland.

Nun lässt er laut „Washington Post“ angeblich prüfen, ob er die 35 000 US-Soldaten in Deutschland als Druckmittel einsetzen kann. Gut möglich, dass ein Ultimatum folgt, Berlin müsse den Verteidigungsetat verbindlich auf zwei Prozent erhöhen oder für die US-Präsenz zahlen; dann können die Truppen bleiben.

US-Militärs sind solche Überlegungen peinlich. Deutschland ist der Drehpunkt der US-Operationen auf dieser Seite des Atlantiks, von Afrika bis Afghanistan. Die USA haben nach Ende des Kalten Kriegs neue Milliarden in militärische Hauptquartiere und Krankenhäuser hier investiert, weil Deutschland so stabil und ein verlässlicher Verbündeter ist. Doch bei Trump weiß man nie, ob Argumente zählen. Oder sein Reflex siegt, das, wovon alle abraten, erst recht zu tun.

Manchmal gelingt es ihm so, seine Feinde und Kritiker zu überrumpeln und von seiner Inkonsequenz abzulenken: indem er bei ihnen Selbstzweifel weckt. Was soll ein Amerikaner oder ein Deutscher nun tun, der von Trump überhaupt nichts hält, aber schon lange meint, man müsse mit den Russen reden?

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen. Am 20. August erscheint sein Buch „Wir verstehen die Welt nicht mehr. Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden“, Herder Verlag 2018.

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