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Gemeinsame Interessen entdeckt: Die Präsidenten der USA und der EU-Kommission, Donald Trump und Jean-Claude Juncker.

© Reuters/Joshua Roberts

Trump lenkt bei Strafzöllen ein: Atempause im asymmetrischen Krieg

Auch nach der überraschenden Einigung mit den USA bleibt die Lehre: Europa muss lernen, Handelskonflikte mit mehr Weitsicht zu führen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Gibt es da plötzlich einen neuen Donald Trump? Zum zweiten Mal in kurzer Zeit hat der US-Präsident einen Rückzieher gemacht. Erst wollte er Wladimir Putin ins Weiße Haus einladen; der Besuch wird nun verschoben. Am Mittwoch blies er den angedrohten Handelskrieg mit Europa ab. Das ist vor allem für Deutschland eine unerwartet gute Nachricht. Die deutsche Industrie wäre Hauptopfer von Strafzöllen auf Autos und Autoteile geworden.

Hält Trump seine Zusage ein: Keine Strafzölle?

Doch da Trump nun mal Trump ist, wird man abwarten müssen, ob die frohen Botschaften der Ad-hoc-Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Rosengarten Bestand haben: Verhandlungen über einen Abbau aller Zölle und Handelsbarrieren und während der Gespräche keine neuen Strafzölle? Oder folgt nach ein, zwei Tagen die Wende rückwärts per Twitter?. Viele Details der Absprachen sind noch unklar.

Zwei Lehren bieten sich aber jetzt schon an. Erstens gehört auf einen groben Klotz ein grober Keil – das gilt für die US-Innenpolitik und die transatlantischen Beziehungen gleichermaßen. Trump hat sowohl wegen seines Flirts mit Putin als auch wegen der Folgen der Strafzölle starke Kritik aus seiner Republikanischen Partei geerntet. Er lobte zwölf Milliarden Dollar aus, um US-Farmer vor den Wirkungen seines Handelskriegs mit China zu schützen. Damit lindert er ein Problem, das er selbst geschaffen hat.

Europa will angeblich US-Flüssiggas und Sojabohnen kaufen

Er brauchte noch mehr Entlastung gegen den innenpolitischen Druck. Also behauptete er, die EU habe ihm alle möglichen Zugeständnisse gemacht. Angeblich habe Juncker zugestimmt, dass Europa nun die Sojabohnen kauft, die China nicht mehr abnimmt. Trump prahlte auch, Europa werde große Mengen amerikanischen Flüssiggases kaufen. Solche verbindlichen Zusagen kann Juncker gar nicht machen.

Zweitens muss die EU lernen, ihre potenzielle Macht als größter Wirtschaftsraum der Erde in der Realität zum Tragen zu bringen. Bisher orientierte Europa sein Vorgehen zu oft daran, wie es die Welt gerne hätte, und nicht daran, wie die Welt ist. Es nimmt seine Denk- und Handlungsweisen als Maßstab, statt zu analysieren, wie das Gegenüber tickt und seine Strategie danach zu richten.

Europa und Amerika sind in diesem Handelskonflikt nach unterschiedlichen Regeln vorgegangen. Trump hatte zunächst den Vorteil der asymmetrischen Kriegsführung. Für ihn ist internationaler Handel ein Nullsummenspiel. Er gewinnt, wenn die anderen nachgeben müssen. Die EU sieht Handel als „Win-win“: eine Gelegenheit zu beiderseitigem Nutzen. Trump bedient sich der „Brinkmanship“. Er zerrt den Partner an den Abgrund („brink“); die Gefahr, gemeinsam hinabzustürzen, beeindruckt ihn nicht, weil er darauf baut, dass der andere zuerst zurückzuckt.

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Die EU muss ihre asymmetrischen Nachteile verringern

Auf Entwicklungen kann er schnell reagieren, die Prozeduren der EU sind langsam. Sie wird Monate brauchen, ehe sich die Mitglieder auf ein Verhandlungsmandat für die Gespräche über ein "TTIP light" einigen. So hechelt Europa hinterher, statt die Initiative in solchen Konflikten zu übernehmen.

Zeigt die überraschende Wende im Handelsstreit, dass man Trump mit Appellen an die Vernunft und den gegenseitigen Nutzen vielleicht doch beikommen kann? Das ist noch nicht erwiesen. Vorerst hat er sich dem innenpolitischen Druck gebeugt. Die Republikaner fürchten Stimmenverluste bei der Kongresswahl in den Farmstaaten.

Die EU tut gut daran, ihre Fähigkeit, Konflikte trotz ihrer Asymmetrie-Nachteile auszutragen, weiter zu verbessern. Junckers Erfolg bei Trump ist ein gutes Training für die unausweichlichen Auseinandersetzungen mit China um Fairplay bei Handel und Investitionen.

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen. Am 20. August erscheint sein Buch „Wir verstehen die Welt nicht mehr. Deutschlands Entfremdung von seinen Freunden“, Herder Verlag 2018.

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