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Ein Bild der Verwüstung bietet sich in dem Gebiet, das von der Terrormiliz IS besetzt war.

© Felipe Dana, dpa

Update

Trump-Forderung: Maas nennt Rücknahme von IS-Kämpfern schwierig

Der US-Präsident drängt Europa, gefangene IS-Kämpfer aufzunehmen. Der Außenminister hält das für unrealistisch. Auch Angehörige der Inhaftierten melden sich.

Die Bundesregierung gerät in der Debatte um eine Rücknahme von in Nordsyrien inhaftierten deutschen IS-Kämpfern und deren Familien zunehmend unter Druck. Nach der entsprechenden Aufforderung von US-Präsident Donald Trump melden sich vermehrt Angehörige der Inhaftierten oder deren Anwälte zu Wort. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hält gleichwohl eine Rückholung nach Deutschland für "außerordentlich schwierig zu realisieren".

Maas räumte am Montag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel zwar ein, "dass deutsche Staatsbürger das Anrecht auf Wiedereinreise haben". Es müsse aber sichergestellt sein, dass die Betroffenen in Deutschland "unmittelbar in Gewahrsam genommen werden können". Solange dies nicht gewährleistet sei und es keine Informationen und Ermittlungsverfahren zu den Betroffenen gebe, halte er eine Rückholung "für schwer realisierbar". Es sei nicht so einfach, "wie man sich das in Amerika vorstellt".

Auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) beschrieb die Situation als "extrem schwierig". Zwar sprach sie sich in der "Bild"-Sendung am Montag dafür aus, die betroffenen Kämpfer in Deutschland vor Gericht zu stellen. Voraussetzung sei aber, "dass eine Strafverfolgung möglich ist". Auf jeden Fall aber dürften die Dschihadisten nicht unkontrolliert nach Deutschland zurückkehren, hob von der Leyen hervor. Auch sie verwies dabei auf fehlende Kontakte zu den syrischen Kurden, welche die Anhänger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien inhaftiert haben.

Trump hatte die Europäer aufgefordert, ihre bei Kämpfen gegen die IS-Miliz in Ostsyrien von Kurden oder mit ihnen verbündeten Milizen gefangen genommenen Staatsbürger zurückzunehmen, um ihnen in ihrer Heimat den Prozess zu machen. Sonst müssten die USA sie freilassen, woraufhin damit zu rechnen sei, dass die Kämpfer nach Europa "eindringen", schrieb der US-Präsident im Kurzbotschaftendienst Twitter. Trump sprach konkret Deutschland, Großbritannien und Frankreich an.

Im Namen mehrerer betroffener Familien von Dschihadisten warf deren Hamburger Anwalt Mahmut Erdem der Bundesregierung Untätigkeit vor. Er wies am Montag darauf hin, dass die Selbstverwaltung der syrischen Kurden in dieser Sache sehr wohl zu direkten Gesprächen mit der Bundesregierung bereit sei. Dies lehnt Berlin allerdings bisher ab - wohl vor allem mit Rücksicht auf Vorbehalte der Türkei. Erdem vertritt nach eigenen Angaben vier Familien, deren Söhne und Töchter in Nordsyrien inhaftiert seien, gemeinsam mit ihren sieben Kindern im Alter von zwei bis 14 Jahren.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), kritisierte Trumps Aufruf über Twitter als "in Ton und Inhalt nicht konstruktiv". Er forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Montag gemeinsame Lösungen für das Problem. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warf Trump im SWR "Populismus" vor. Er forderte, vor einer Rücknahme müsse es zunächst Zugang zu den Inhaftierten und mehr Informationen geben.

Bayerns Innenminister fordert Entzug deutscher Pässe

Nach Ansicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sollte IS-Kämpfern mit mehreren Staatsangehörigkeiten der deutsche Pass entzogen werden. „Deutsche, die eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen, sollen die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren, wenn ihnen die konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer Terrormiliz im Ausland nachgewiesen werden kann“, sagte er am Montag der Deutschen Presse-Agentur in München. Dies sehe auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD im Bund vor.

Die Grünen im Bundestag unterstützen dagegen die Forderung von Trump. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Bundesrepublik sollte ein Interesse haben, dass deutsche Staatsbürger für schwerste Straftaten zur Verantwortung gezogen werden. „Ein zweites Guantanamo muss verhindert werden, aus rechtsstaatlicher Verantwortung, aber auch, damit die Region befriedet wird.“

Auch der Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, begrüßte die Aufforderung von Trump, in Syrien inhaftierte IS-Kämpfer aus westlichen Staaten müssten in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. „Wenn es deutsche Staatsbürger sind, dann müssen sie hier nach Deutschland kommen und sollten hier auch vor ein Gericht gestellt werden und dann müssen dort Entscheidungen getroffen werden“, sagte er in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend. „Wir sind ein Rechtsstaat und genauso sollten wir agieren.“

EU-Minister weisen Trumps Forderung zurück

Kritik erntet Trump dagegen aus anderen EU-Ländern. „Diese Ankündigung von Trump kann ich nicht nachvollziehen“, sagte die österreichische Außenministerin Karin Kneissl in Brüssel. Es könne in niemandes Interesse sein, Kämpfer freizulassen, die zuvor unter großem Risiko von der internationalen Anti-IS-Allianz und den kurdischen Kämpfern gefangen genommen wurden. „Die haben ja alle Kopf und Kragen riskiert, damit sie dieser Leute habhaft werden“, sagte Kneissl.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn warnte die USA allgemein vor einem völligen Bruch mit Europa. In einer Partnerschaft könne es keine „Befehlsgeber und Befehlsempfänger“ geben, sagte Asselborn am Montag. „Sonst zerbricht die Partnerschaft.“ Auch sei es ein Problem, dass Trump über den Kurznachrichtendienst Twitter Forderungen stelle, erklärte der derzeit dienstälteste EU-Außenminister. „Twitter hin und her schicken, das hat keinen Sinn.“

IS militärisch fast am Ende

In Syrien steht die Terrormiliz IS kurz vor einer militärischen Niederlage. Die von den USA unterstützten und von Kurden geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) waren am Wochenende tief in die letzte verbliebene IS-Hochburg Baghus am Euphrat vorgedrungen. Nach Angaben der Kurden befinden sich „Hunderte“ ausländische IS-Kämpfer, sowie deren Frauen und Kinder in kurdischen Gefängnissen und Lagern im Norden Syriens. Die SDF kritisieren seit langem, dass europäische Staaten bislang nicht zur Rücknahme ihrer Staatsbürger bereit seien.

Laut Bundesinnenministerium sind etwa 270 deutsche Frauen und ihre Kinder noch in der Region Syrien und Irak. Seit 2013 seien rund 1050 Personen aus Deutschland in Richtung des Kriegsgebietes ausgereist. Rund ein Drittel dieser Menschen sei bereits nach Deutschland zurückgekehrt. (dpa, AFP)

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