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Ende einer komplizierten Beziehung: Sicherheitsberater John Bolton und US-Präsident Donald Trump gehen getrennte Wege.

© /Leah Millis/REUTERS

Trump feuert Sicherheitsberater: Was zum Rauswurf John Boltons führte

Der Abgang des Sicherheitsberaters zeigt: Trump gibt den harten Hund gegen die Taliban, den Iran, Nordkorea, Venezuela. Er handelt aber weicher. Eine Analyse.

Das Beste an John Boltons Abgang als Nationaler Sicherheitsberater des US-Präsidenten ist: Der öffentliche Disput über die Umstände gibt einen detaillierten Einblick in die Meinungsbildung im engeren Zirkel um Donald Trump.

Er schärft den Blick dafür, wie Trump Amerikas beträchtliche Macht einzusetzen bereit ist und wovor er zurückscheut.

Was dabei zu Tage tritt, steht im Kontrast zu dem öffentlichen Bild, das Trump von sich in den USA verbreitet. Und ebenfalls im Widerspruch zum Bild, das die deutsche Öffentlichkeit von ihm zeichnet.

Streit um Militäreinsätze und Umgang mit Amerikas Feinden

Er ist nicht der entschlossen handelnde Präsident, der die nationalen Interessen unter Einsatz aller Druckmöglichkeiten, der militärischen wie der ökonomischen, konsequent verfolgt. Er sieht sich als bester Dealmaker aller Zeiten, der Konflikte zunächst verbal zuspitzt, um sich eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen. Er scheut aber davor zurück, seine harten Drohungen in die Tat umzusetzen.

Die Meinungsverschiedenheiten, die zu Boltons Sturz führten, entzündeten sich einerseits an der Frage, wann die USA ihre Militärmacht einsetzen und, zum Beispiel, Vergeltungsschläge nach Angriffen auf amerikanische Soldaten oder Einrichtungen führen. Und andererseits an der Abwägung, unter welchen Vorbedingungen Trump zu persönlichen Treffen mit den höchsten Repräsentanten der Gegner der USA bereit sein solle. Oder ob er gar Vorleistungen machen solle, um Gipfelbegegnungen zu erreichen. Bolton vertrat in allen diesen Debatten einen harten Kurs. Trump folgte am Ende den Vertrauten, die eine weichere Linie empfahlen.

Iran, Atomabkommen und Tankerkrieg

Nachdem Trump das Atomabkommen gekündigt hatte, um in vier Punkten Nachbesserungen zu erreichen, und die von den Europäern in Aussicht gestellte Linderung der Sanktionen gegen den Iran an den US-Drohungen mit Sekundärsanktionen scheiterte, versuchte Teheran mit Angriffen auf die freie Schifffahrt im Persischen Golf Druck auszuüben und begann einen "Tankerkrieg".  Nach dem Abschuss einer US-Drohne, die Foto-Beweise sammelte, dass der Iran hinter den Attacken auf Handelsschiffe steckt, folgte Trump zunächst der Forderung der "Falken" um Bolton, einen Vergeltungsschlag gegen Militäreinrichtungen der Revolutionsgarden zu führen, etwa Radaranlagen.

In letzter Minute zog er den Befehl aber zurück, nach eigener Darstellung, weil er die wahrscheinliche Tötung von Iranern bei der Mission vermeiden wollte. Die weicheren Berater um Außenminister Pompeo setzten sich durch.

Mehrfach hat Trump seine Bereitschaft erklärt, sich ohne Vorbedingungen mit Irans Präsident Hassan Ruhani zu treffen - sehr zum Missfallen Boltons, der einen Gipfel mit dem US-Präsidenten als wertvollen Propagandaerfolg für jedes Gegenüber betrachtet. Dafür sollten die USA vorab eine signifikante Gegenleistung verlangen. Mittlerweile erwägt Trump sogar umgekehrt eine US-Vorleistung, um dem Iran ein Treffen schmackhaft zu machen, zum Beispiel die Aufhebung einiger Sanktionen.

Bolton ging es aber nicht nur um die Vorbedingungen eines Gipfels. Er lehnt solch ein Treffen prinzipiell ab. Sein Ziel ist Regimechange in Teheran. Trump hat ihm schon mehrfach explizit widersprochen, auch Ende August 2019: "We are not looking for regime change in Iran."

Afghanistan, Gespräche mit den Taliban

Trump hat im Wahlkampf 2016 und seither immer wieder den allmählichen Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan versprochen. Das solle aber nicht zu Lasten der Sicherheit und der Kontrolle der Zentralregierung über das Land gehen. Seit Monaten lässt er den US-Diplomaten Zalmay Khalilzad über einen Waffenstillstand mit den Taliban und den nahezu kompletten Abzug der 14.000 US-Soldaten verhandeln, unter Umgehung der Regierung in Kabul unter Präsident Aschraf Ghani, mit der die USA verbündet sind.

Wie jetzt herauskam, hatte er die Taliban sogar zu einem Friedensgipfel nach Camp David eingeladen. Der Wochenendsitz des Präsidenten in den Catoctin Mountains circa 100 Kilometer nördlich von Washington war Schauplatz des historischen Friedensschlusses zwischen Israel und Ägypten 1978.

Bolton war gegen die Aufwertung der Taliban durch ein Treffen mit dem US-Präsidenten. Und auch gegen einen nahezu kompletten Abzug der US-Truppen. Man könne den Taliban nicht trauen, die USA müssten in ausreichender Stärke präsent bleiben, um die Regierung Ghani vor einem Sturz zu schützen. Mit einem Teilrückzug von maximal 5000 Soldaten könne Trump seinem Wahlversprechen nachkommen, meinte Bolton. Trump sagte den Camp-David-Gipfel schließlich ab, freilich erst nach einer Reihe blutiger Anschläge in Afghanistan, mit denen die Taliban den Druck erhöhen und ein besseres Abkommen erreichen wollten.

Nordkorea, Treffen mit Kim Jong Un trotz neuer Raketentests

Zu Konflikten mit Bolton führte auch Trumps Nordkoreapolitik. Der US-Präsident hatte im ersten Amtsjahr mit "Fire and Fury" gedroht, falls Nordkorea die Tests von Atomsprengköpfen, Wasserstoffbombe und Interkontinentalraketen, die theoretisch die USA erreichen können, nicht einstelle. Obwohl Kim Jong Un keinerlei Zugeständnisse machte, traf Trump ihn im Februar 2019 in Hanoi. Auch dort erreichte er sein Ziel, die Aufgabe des nordkoreanischen Atomprogramms und der Raketentests, nicht. Bolton hatte diese Zusage zur Vorbedingung machen wollen, bevor Trump Kim den Propagandaerfolg einer direkten Begegnung schenkt.

Ungeachtet des Misserfolgs warb Trump weiter um Kim und arrangierte ein zweites Treffen am 30. Juni in der Entmilitarisierten Zone zwischen Süd- und Nordkorea. Dabei betrat er als erster US-Präsident nordkoreanischen Boden. Trump behauptete, man habe sich auf die Wiederaufnahme der Gespräche über ein Ende des Atomprogramms und der Raketentest geeinigt. Er lud Kim ins Weiße Haus ein. Bolton war nicht dabei und besuchte zur selben Zeit die Mongolei, was US-Medien als Ausdruck der Meinungsverschiedenheiten über Nordkorea werteten. Seither hat Nordkorea mehrfach erneut Raketen getestet.

Venezuela und der missglückte Sturz Maduros

Als sich 2017 der Machtkampf zwischen Venezuelas Präsident Nicolas Maduro und dem Parlament zuspitzte, hoffte Trump auf einen leichten Propagandaerfolg im Hinterhof der USA. Die machtvollen Straßendemonstrationen inmitten einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise, so die Hoffnung, würden Oppositionsführer Juan Guaidó an die Macht bringen. Bolton forderte eine Militärintervention der USA oder zumindest starken Druck auf Venezuelas Generale, weil das Militär den Ausschlag im Machtkampf geben würde. Trump erklärte, die USA betrachteten Guaidó als Staatsoberhaupt Venezuelas, und verhängte Sanktionen gegen Maduro und seine Parteigänger.

Bolton hat Recht behalten. Der Druck reichte nicht, um das Militär auf Guaidós Seite zu ziehen. Maduro ist immer noch an der Macht. Von Guaidó hört man nichts mehr.

China und der Handelskrieg

Im Verhältnisse zu China ist das gängige Muster - Trump heizt Konflikte verbal an, sucht dann aber die Verständigung - nicht zu beobachten. Die Struktur dieses Streits liegt freilich auch ganz anders. Die Rivalität, wer von den beiden Supermächten die Weltpolitik künftig dominiert, wird nicht militärisch ausgetragen. Und auch nicht mit militärischen Drohungen. Trump legt es darauf an, diesen Konflikt auf dem Gebiet der Wirtschaft und der technischen Überlegenheit auszutragen, vor allem mit Hilfe von Strafzöllen auf Waren, bei denen China sich aus US-Sicht unfaire Vorteile verschafft. In diesem Kurs findet Trump - anders als in den Konflikten mit Iran, Afghanistan, Nordkorea, Venezuela - breite Unterstützung sowohl bei der inneramerikanischen Opposition, den US-Demokraten. Als auch bei zahlreichen westlichen Verbündeten von Europa bis Asien.

Der Westen müsse China zwar nicht als Feind, aber als Rivalen betrachten und die eigenen Interessen energischer als bisher gegen Peking vertreten. Das sagen so unterschiedliche Akteure wie der französische Präsident Emmanuel Macron, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der China-Experte des Europäischen Parlaments, Reinhard Bütikofer (Bündnis 90/Die Grünen).

Trump verspottet Bolton: Wir wären in vier Kriegen

Trump hat Bolton benutzt, solange der ihm half, das öffentliche Bild vom "harten Hund" zu untermalen. Das war besonders nötig nach den Erfahrungen mit den ersten beiden Sicherheitsberatern. Michael Flynn musste nach wenigen Wochen zu Jahresbeginn 2017 gehen, weil er Regierung und Öffentlichkeit über seine Kontakte und seine Geschäfte mit Russen belogen hatte. Der Zweite, Herbert Raymond McMaster, wurde nie persönlich warm mit Trump. Er war ein zu strategischer Vorsicht und Umsicht erzogener General - einer der "Erwachsenen im Raum", wie man damals gerne sagte, die den außenpolitisch unerfahrenen Präsidenten von gefährlichen Bauchentscheidungen abhalten sollten, zum Beispiel einem "Bloody Nose"-Schlag gegen Nordkorea, um Kim an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Trump wollte im Frühjahr 2018, nach seinem ersten Jahr im Weißen Haus, das Bild durchbrechen, wonach nicht er die Entscheidungen treffe, sondern von Fachleuten eingehegt werde. Die Ernennung des "Falken" John Boltons zum Sicherheitsberater am 9. April 2018 erfüllte diesen Zweck. 17 Monate später sind Trumps Bedürfnisse umgekehrt. Vor dem Wahljahr 2020 will er als der umsichtige Weltpolitiker dastehen, der über den Einflüsterungen der Scharfmacher steht. Er verspottet Bolton. "Wäre ich Johns Empfehlungen gefolgt, befänden wir uns in vier Kriegen", lässt er als Trump-Zitat aus internen Gesprächen an Medien durchsickern.

Flügelkampf in der Republikanischen Partei

Die fachliche Bilanz ist eine andere Frage. Die Außen- und Sicherheitspolitiker aus dem klassischen Parteiestablishment der Republikaner loben Boltons Präsenz im engeren Kreis um Trump. Der sei kein Ja-Sager gewesen, habe seine eigene Meinung vertreten und dafür gesorgt, dass Trump Rat aus unterschiedlichen Perspektiven erhält, sagt Mitt Romney, der Präsidentschaftskandidat von 2012. Deshalb sei sein Rückzug "ein großer Verlust." Dagegen freut sich Rand Paul, Senator von Kentucky und ein Aushängeschild des nationalpopulistischen Flügels, über Boltons Abgang: "Die Kriegsgefahr rund um die Erde sinkt beträchtlich."

Wie in so vielen Aspekten in der US-Politik hat sich auch hier das öffentliche Bild von den politischen Dynamiken in den USA von den realen Vorgängen gelöst. Moderate Republikaner wirken auf einmal wie die Scharfmacher - und rechte Populisten wie die Weichmacher. Und Donald Trump, der sich eben noch als "harter Hund" inszenierte, wirkt bei genauerem Hinsehen auf seine Bilanz in Afghanistan, Iran, Nordkorea und Venezuela wie die Verkörperung des Sprichworts: Hunde, die bellen, beißen nicht.

Das sehen auch die Gegner der USA. Der Respekt vor Amerikas Macht und die Abschreckung durch seinen Militärapparat schwinden. Und Trumps Chancen, durch Druck bessere Deals zu erzielen, sinken. Nicht die USA erhöhen ihren Preis für diplomatische Lösungen. Das tun jetzt Ruhani, Kim und andere.

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