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US-Soldaten bewachen eine Absperrung am internationalen Flughafen. Afghanen, die vor den Taliban fliehen wollten, rannten auf das Flugfeld, um in Sicherheit gebracht zu werden. 

© dpa

Trotz Zweifel an Seehofers Prognose: Knapp zwei Drittel der Deutschen haben Sorge vor Flüchtlingslage wie 2015

Eine große Mehrheit der Deutschen fürchtet, dass aus Afghanistan viele Flüchtlinge ins Land kommen. Doch die Fluchtrouten nach Europa sind weitgehend dicht.

Von Michael Schmidt

Eine große Mehrheit der Bürger befürchtet laut einer Umfrage, dass angesichts der Entwicklung in Afghanistan erneut sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Knapp zwei Drittel (62,9 Prozent) sorgen sich vor einer Situation wie 2015, ergab die repräsentative Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey für die „Augsburger Allgemeine“. Knapp ein Drittel (30 Prozent) sieht das anders. Der Rest ist unentschieden.

Tausende Afghanen versuchen derzeit, aus ihrem Land zu fliehen, nachdem die radikal-islamistischen Taliban innerhalb weniger Wochen faktisch die Macht übernommen haben.

Vor allem AfD-Wähler gaben an, Sorgen vor einem Zustrom Geflüchteter zu haben. Anhänger von Union und FDP gaben immerhin noch zu rund drei Vierteln an, eine ähnliche Flüchtlingssituation wie vor sechs Jahren zu befürchten. Unter Grünen-Wählerinnen und -Wählern sehen das lediglich 38,8 Prozent so.

Der Migrationsforscher Gerald Knaus hat allerdings massive Zweifel an Prognosen wie der von Bundesinnenminister Horst Seehofer, dass nach der faktischen Machtübernahme der Taliban bis zu fünf Millionen weitere Afghanen die Flucht ergreifen könnten. „Es ist erstaunlich, woher diese Zahl kommen könnte, die ist aus der Luft gegriffen“, sagte der Experte von der Denkfabrik „European Stability Initiative“ am Dienstagabend bei „RTL Direkt“.

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Wie die Menschen das Land verlassen sollten, wenn alle Grenzen auch der Nachbarstaaten gesperrt seien, sei ihm schleierhaft. „Die Diskussion muss jetzt sein: Wie bringen wir die Leute, die wir retten wollen, heraus, statt über imaginäre Gespenster von Massenmigration zu reden, die in dieser Form nicht stattfinden wird“, so der Migrationsexperte, der das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen mit entwickelt hat.

UNHCR: Die meisten Flüchtenden sind Binnenvertriebene im eigenen Land

Seehofer hatte nach am Montag bei einer Unterrichtung der Bundestags-Fraktionschefs gesagt, er rechne nach der Machtübernahme der Taliban damit, dass 300.000 bis fünf Millionen weitere Afghanen die Flucht ergreifen. Einen Zeitraum nannte er demnach nicht. In der Vergangenheit haben insbesondere Nachbarländer wie Iran und Pakistan Flüchtlinge aus Afghanistan aufgenommen.

Darauf wies auch die UNHCR-Vertreterin in Deutschland, Katharina Lumpp, in der der „Welt“ hin: In den vergangenen mehr als 40 Jahren hätten mehr als 90 Prozent der afghanischen Flüchtlinge Schutz in den unmittelbaren Nachbarländern Iran und Pakistan gefunden. „Diese Länder waren seit Jahrzehnten und Generationen ein Beispiel für Solidarität und eine integrative Politik“, betonte Lumpp.

„Die meisten Afghanen, die in den letzten Monaten vertrieben wurden, sind derzeit aber Binnenvertriebene im eigenen Land. Sie brauchen jetzt dringend Unterstützung und humanitäre Hilfe.“

Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik hält Warnungen vor Flüchtlingszahlen wie 2015 und 2016 ebenfalls für überzogen. In den beiden Jahren kamen mehr als 1,1 Millionen Asylsuchende nach Deutschland, viele von ihnen Syrer. Ihr Weg sei deutlich kürzer und damit weniger kostenintensiv gewesen, als es jetzt der Afghanen wäre, erklärte der Migrationsforscher. (mit dpa)

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