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Ein neuer Todesfall durch Polizeigewalt in Minneapolis verstärkt die Proteste.

© AFP

Trotz tödlicher Polizeigewalt in den USA: Zustimmung zur Polizei steigt, Black Lives Matter verliert

Erneut erschießt die Polizei in Minneapolis einen Schwarzen, und der Prozess um Floyds Tod macht Schlagzeilen. Doch die Unterstützung für Polizeireform sinkt.

Die Nachrichten aus den USA wirken wie eine Bestätigung der Anliegen der „Black Lives Matter“-Bewegung. Und wie eine erneute Anklage überzogener Polizeigewalt. Doch die Umfragen in den USA entwickeln sich in der umgekehrten Richtung. Weit mehr Bürgerinnen und Bürger haben Vertrauen in die Polizei als vor einem Jahr. Weit weniger als damals unterstützen „Black Lives Matter“.

Wie das? In Minneapolis, wo vor elf Monaten der Afroamerikaner George Floyd unter dem Knie des weißen Polizisten Derek Chauvin starb, ist in dieser Woche erneut ein schwarzer Mann durch exzessive Polizeigewalt ums Leben gekommen, Daunte Wright. Und der Prozess gegen Chauvin gehört seit zwei Wochen zu den Hauptnachrichten des Tages.

Die Polizei hielt Daunte Wrights Auto für eine Kontrolle an und stellte fest, dass er per Haftbefehl gesucht wird. Er versuchte zu fliehen. Die weiße Polizistin Kimberly Potter warnte ihn drei Mal, sie werde einen Taser, einen Elektroschocker, benutzen, um ihn zu stoppen. Videos belegen das. Daunte Wright versuchte weiter zu entkommen.

Tragischer Unfall oder strukturelle Gewalt?

Dann fiel ein Schuss. Sie hatte die Pistole statt des Tasers in der Hand. Die Polizei spricht von einem tödlichen Versehen, einem tragischen Unfall. Inzwischen haben Potter und der Polizeichef der Stadt ihre Anstellung aufgegeben.

Der neue Todesfall konnte ihn die Meinungsumfragen noch nicht einfließen. Wohl aber die täglichen Enthüllungen über die Umstände des Tods von George Floyd. Und doch wenden sich die Sympathien nicht von der Polizei ab und „Black Lives Matter“ zu.

In den elf Monaten seit Floyds Tod ist das Vertrauen der Amerikaner in ihre jeweilige lokale Polizei und die Strafverfolgung von 56 auf 69 Prozent gestiegen. Parallel sank das Vertrauen in „Black Lives Matter“ von 60 auf 50 Prozent.

Umfragen im Auf und Ab, das Bild ist nicht gefestigt

Eine eindeutige Erklärung für diese erstaunliche Entwicklung haben die Demoskopen nicht. Die Unterstützung der Weißen für die Protestbewegung und für Polizeireform sei seit Jahren ein Auf und Ab. Es gebe keine gefestigte Meinung.

Gerichtszeichnung der tödlichen Festnahme George Floyds durch den Polizisten Derek Chauvin am achten Prozesstag.
Gerichtszeichnung der tödlichen Festnahme George Floyds durch den Polizisten Derek Chauvin am achten Prozesstag.

© Reuters

Zu den Variablen gehöre das Ausmaß der Berichterstattung über Polizeigewalt. Das war direkt nach Floyds Tod besonders groß. Im Juni 2020 erreichte die Unterstützung der Weißen für „Black Lives Matter“ ihren höchsten Wert: 43 Prozent. Und nur für einen kurzen Zeitraum damals war die Zustimmung der Weißen größer als die Ablehnung.

Inzwischen ist die Zustimmung auf 37 Prozent gesunken, die Ablehnung auf 49 Prozent gestiegen. Und das, obwohl der Prozess gegen Chauvin den Tod von Floyd in den Schlagzeilen hält. Zu keinem Zeitpunkt haben die Sympathien der Weißen für die Anliegen von „Black Lives Matter“ die Marke von 50 Prozent erreicht.

Afromamerikaner haben eine klare Meinung

Ganz anders ist das Stimmungsbild unter Afroamerikanern. Zwischen 80 und 88 Prozent unterstützen „Black Lives Matter“. Größere Schwankungen gibt es da nicht.

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In der weit größeren Gruppe der weißen Bürgerinnen und Bürger ist das Bild gemischt. Besonders stark gesunken ist die Zustimmung zu „Black Lives Matter“ bei Männern in der Altersgruppe zwischen 50 und 64 sowie bei Anhängern der Republikaner.

Demokraten zeigen mehr Sympathie für die Bewegung. Aber nicht in einem Ausmaß, dass ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter zu einer energischen Polizeireform antreiben würde. Eine Mehrheit der Amerikaner lehnt es, zum Beispiel ab, an der Ausrüstung der Polizei zu sparen („Defunding“) und das Geld für soziale Belange in den Vierteln mit hoher Gewalt zu verwenden.

Biden taktiert: Die meisten Polizisten sind gute Leute

Joe Biden stellt sich im Präsidentschaftswahlkampf trotz der Sympathien in seiner Partei für „Black Lives Matter“ hinter die Polizei. „Most cops are good“ (die meisten Polizisten sind gute Leute).

Die Mehrheit der Weißen sieht in den Fällen, in denen Afroamerikaner durch Polizeigewalt sterben, bedauerliche Einzelfälle. Schwarze hingegen halten sie für die Folge eines strukturellen Problems.

Die Chancen auf eine umfassende Polizeireform sind nicht sehr groß. Zumal die Polizeigewerkschaft größere Veränderungen blockiert und im Zweifel – anders als die meisten anderen Gewerkschaften, die sich mit den Demokraten verbünden – den Schulterschluss mit den Republikanern sucht.

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